Ein Video eines als Jesus verkleideten Karnevalisten, der eine Decke in einer Kölner U-Bahn-Station beschädigt, erzielte 17 Millionen Klicks und sorgt nun für neuen Trubel. Eine Glosse.
Virales Youtube-VideoDer „kölsche Jesus“ beschäftigt den Kölner Stadtrat
Reliquien gibt es im „hillije Kölle“ bekanntermaßen eine ganze Menge. Nicht alle stammen aus dem Mittelalter. Und es muss sich nicht unbedingt um Knochen oder andere Überreste von Heiligen handeln. Manchmal reichen auch ein paar Löcher in einer Gipsdecke. Vor allem, wenn sie nicht von Heiligen stammen, sondern angeblich vom Heiland selbst. Dann pilgern sogar Menschen von weit her, um diese Zeugnisse mit ihren eigenen Augen zu sehen – genau wie im Mittelalter.
So war es auch, als sich vor sechs Jahren unweit des Kölner Doms eine „Jesus-Erscheinung“ ereignete. Auf einer Rolltreppe an Gleis 1 der KVB-Haltestelle „Dom/Hauptbahnhof“ tauchte ein junger Mann mit langen Haaren und Bart auf, der ein großes Holzkreuz trug. Festgehalten wurde der Moment in einem 21-sekündigen Video, das bald darauf auf der Internet-Plattform Youtube international Beachtung fand.
Was war geschehen? Auf der Fahrt nach oben stellte sich das Holzkreuz als zu groß für die eher niedrige Decke der U-Bahn-Haltestelle heraus. Mit einem lauten Knall bohrte sich das obere Ende des Kreuzes in die Gipsdecke, Staub und kleine Gipsbrocken fielen zu Boden.
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Der kölsche Jesus: Mehr als 17 Millionen Mal geklickt
Beim Versuch, das Kreuz wieder herauszuziehen, schlug „Jesus“ im Eifer des Gefechts aus Versehen mit dem Querbalken ein weiteres Loch in die Decke. Dass sich der Vorgang während der Karnevalszeit abgespielt hatte, tat der Popularität des Videos keinen Abbruch. Mehr als 17 Millionen Mal wurde es bereits angeklickt, ein Australier reiste sogar eigens nach Köln, um sich die Löcher in der U-Bahnstation anzusehen, die Jesus in der Decke hinterlassen hatte. Die KVB standen plötzlich international im Rampenlicht.
Auch der Stolz der Kölner auf ihre Stadt bekam neue Nahrung. Denn wie das Video offenbarte, ist Jesus offenkundig Deutscher – schließlich kommentiert er den Kontakt des Holzkreuzes mit der Decke mit dem Ausruf: „Schei...“ Konnte es da Zufall sein, dass sich der U-Bahn fahrende Heiland ausgerechnet an der Domstation zeigte – nur einen Steinwurf vom Schrein der Heiligen Drei Könige entfernt?
Jesus ist da, wo die Not am größten ist: bei den KVB
Nein, damit stand doch wohl fest: Jesus muss 'ne Kölsche sin! Er ist gekommen, um die Blinden und Lahmen zu heilen. Und bei den Kölner Verkehrs-Betrieben fängt er an! Da, wo die Not am größten ist.
Tja, nach dem Besuch des Australiers und anderer Gäste aus dem Ausland hätte die Kölner U-Bahn-Station zu einer wahren Pilgerstätte werden können. Doch was tat die KVB: Sie ließ vor wenigen Wochen die Löcher in der Decke verschließen – sechs Jahre, nachdem sie entstanden waren!
Die Enttäuschung, die sich darauf in der Fangemeinde breit machte, rief die wackeren Stadtratsmitglieder der Fraktion „Die Fraktion“ auf den Plan. Sie stellten in der Ratssitzung am Donnerstag einen Antrag mit dem Ziel, die Löcher zu rekonstruieren. Schließlich wurden ja auch die nach dem Weltkrieg zerstörten Kölner Kirchen wieder aufgebaut. Die Stadt solle auf die KVB einwirken, die sogenannten "heiligen Löcher von Köln“ wiederherzustellen und/oder am Ort des Geschehens eine Gedenkplakette anzubringen, forderte Ratsherr Michael Hock. Doch die große Mehrheit des Rates lehnte den Vorschlag rundum ab. Mal sehen, ob Jesus noch mal in Köln U-Bahn fährt.