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Umgang mit CoronaKölns oberster Pfarrer kritisiert seine Kirche scharf

Lesezeit 3 Minuten
Nahaufnahme auf einen Kelch, den zwei Hände mit Ringen hochheben

Das Abendmahl in der evangelischen Kirche wird oftmals noch heute nicht mehr so gefeiert wie vor der Pandemie.

Stadtsuperintendent Bernhard Seiger kritisiert seine Landeskirche für ihre „Staatshörigkeit“ in der Pandemie und erwartet eine Aufarbeitung.

Stadtsuperintendent Bernhard Seiger kritisiert die evangelische Landeskirche im Rheinland scharf für ihr „restriktives und zu staatshöriges Verhalten“ während der Corona-Krise. „Wir waren als Kirche zu ängstlich gewesen. Das darf nicht mehr passieren“, sagte der evangelische Geistliche im Rahmen eines Gesprächsabends mit Journalisten im Haus der evangelischen Kirche Köln und Region.

Eine Wiederholung sei allerdings zu befürchten, denn er vermisse die Aufarbeitung der Fehler durch die Landeskirche. „Eine solche Analyse gibt es schlichtweg nicht“, so Seiger. Dabei seien die Auswirkungen bis heute spürbar.

„Das hat die Entfremdung beschleunigt“
Bernhard Seiger, Stadtsuperintendent

Ein Grund für die hohen Austrittszahlen sei auch darin zu finden, dass die Kirche in der Pandemie die Bindung zu vielen Menschen verloren habe. „Ich habe mich in meinem Presbyterium dafür eingesetzt, dass wir die Kirche nach drei Wochen wieder öffnen“, sagt Seiger, der neben seinem Amt als Kölner Stadtsuperintendent Pfarrer in der Gemeinde Bayenthal ist. Doch vielerorts seien die Kirchentüren zu geblieben.

Für ihn sei vor allem der Umgang mit der Kirchenmusik nicht nachvollziehbar gewesen. „Ich kann bis heute nicht einsehen, warum sich nicht 20 Menschen in einer großen Kirche zum Singen treffen durften. Bei vielen Chören gibt es deshalb Abbrüche. Das hat die Entfremdung beschleunigt.“

Im Kern gebe es drei Gründe, warum immer mehr Menschen auch aus der evangelischen Kirche austreten. Das Thema „sexualisierte Gewalt“ spiele eine Rolle. Die Inflation treibe Menschen dazu, die Kirchensteuer einzusparen. Aber auch der Umgang der Kirche mit der Corona-Krise habe zu den Austritten beigetragen. „Manch einer hat in den zwei Jahren für sich festgestellt, ich kommen auch ohne Kirche klar“, sagt Seiger. Der Austritt muss nicht begründet werden.

Kein Woelki-Effekt bei den Austritten

Der Präses der Landeskirche, Thorsten Latzel, hatte in einem Interview mit der Rheinischen Post einen Zusammenhang zwischen der Kritik an Kardinal Woelki im katholischen Erzbistum Köln und den Austritten aus der evangelischen Kirche hergestellt. Die Austrittszahlen in Köln und Umland seien höher als in anderen Regionen der evangelischen Kirche im Rheinland.

Seiger hingegen zweifelt an diesem Zusammenhang. „So viel Intelligenz traue ich den Menschen zu, dass sie wissen, die evangelische Kirche hat nichts mit Woelki zu tun.“ Zusätzlich zu den Austritten gebe es aber auch eine negative Entwicklung bei den Taufen. „In der Corona-Zeit wurden viele Kinder nicht getauft“, sagt Seiger. Zwar würden die Zahlen in diesem Jahr wieder zunehmen. Einige Familien würden die Taufen nachholen. „Aber wir haben immer noch nicht das Niveau erreicht, wie wir es vor Corona hatten.“

Das Abendmahl nachhaltig beschädigt

Nachhaltig beschädigt sieht der Stadtsuperintendent die Kultur des Abendmahls durch die Coronakrise. Der Laienkelch – das Weiterreichen und gemeinsame Trinken aller Gläubigen aus einem Kelch – werde bis heute nicht mehr praktiziert. Stattdessen würde das Sakrament weiterhin mit Einzelkelchen oder durch Eintauchen der Hostie gefeiert. „Da geht eine protestantische Tradition, ein Charakteristikum verloren“, kritisiert Seiger. In der Pandemie seien die Gemeinden mit Anordnungen von Landeskirche schier überschwemmt worden.

„In zwei Jahren hat es an die 150 Mails dazu gegeben, manchmal zwei in der Woche.“ Das es nun an der Aufarbeitung der Krise mangle, kreidet Seiger dem Präses der Landeskirche, Thomas Latzel, an. Der habe sein Amt während der Pandemie angetreten. Die Linie für den Umgang mit Corona habe da schon festgestanden. Präses Latzel sehe das nicht in seiner Verantwortung. „Er schaut nach vorne. Was wichtig ist. Aber wir müssen auch aus den Fehlern lernen“, mahnt Seiger.