AboAbonnieren

Tragödie von der Weyerstraße vor GerichtOpfer muss künstlich ernährt werden

Lesezeit 3 Minuten
Dirk Bachem hält ein Plakat in der Hand auf dem „Versuchter Totschlag“ steht.

Ermittler Dirk Bachem stellt die Fahndungsaktion vor.

Der Täter soll immer wieder auf das Opfer eingeschlagen und getreten haben. Doch das Opfer ist in dem rätselhaften Fall auch ein Täter.

Das Opfer wird mit einer Magensonde ernährt, hat eine schwere Schluckstörung und kann nicht mehr selbstständig gehen. Kurzum: Der 32-Jährige ist ein Pflegefall. Bei einem brutalen Angriff in der Nähe des Barbarossaplatzes erlitt der Mann „unter anderem einen Schaden des Hirngewebes“, wie die Ermittlungsbehörden mitteilten. Das Opfer lag wochenlang im Koma. Als Tatverdächtiger wurde später ein 34-Jähriger festgenommen. Er soll der Türsteher-Szene angehören. Dem Angeklagten wird versuchter Totschlag, gefährliche Körperverletzung und schwere Körperverletzung vorgeworfen.

Nun wird die Tragödie ab diesem Dienstag vor dem Landgericht verhandelt. In den Sälen an der Luxemburger Straße werden jeden Tag Fälle verhandelt, die schockierend sind und bei denen sich für die Opfer von jetzt auf gleich alles ändert. Der Fall von der Weyerstraße ist so einer und er ist von der Tragik auch für eine Großstadt ungewöhnlich.

Was ist genau geschehen? Am 25. Februar 2023 gegen 3.50 Uhr ist der 32-Jährige von einem Schläger an der Weyerstraße ins Koma geprügelt worden. Der Täter soll immer wieder auf das Opfer eingeschlagen und getreten haben, berichtete damals Kriminalhauptkommissar Dirk Bachem. Doch das Opfer ist in dem rätselhaften Fall auch ein Täter. Der zur Tatzeit 32-Jährige soll am Club „Venus Celler“ eine große Menge Pfefferspray auf eine Gruppe von Menschen gesprüht haben. „Die Menschen warteten, um in den Laden zu kommen“, sagt Bachem.

Sprüh-Attacke vor „Venus Celler“

Unter den vom Spray Getroffenen sollen auch Security-Kräfte gewesen sein – und der spätere Täter. Warum der 32-Jährige auf sie einsprühte, ist unklar. Der Sprühstoß habe vermutlich keiner bestimmten Person gegolten – sicher ist dies nicht. „An eine Vernehmung des Opfers ist nicht zu denken“, erklärte Bachem. Der Mann habe seine kognitiven Fähigkeiten verloren. Nach der Attacke floh der 32-Jährige vom Club an der Zülpicher Straße in Richtung Weyerstraße. Ein zwei Meter großer Mann verfolgte den Sprüher und lief ihm schnell hinterher. An der Kreuzung Weyerstraße/Friedrichstraße beobachtete dann ein Kneipengast Furchtbares. Ein Zwei-Meter-Mann schlug wie wild auf den 32-Jährigen ein; auch als er am Boden lag. Der Zeuge rief die Polizei. Als schon die Sirenen zu hören waren, soll der Angreifer dem Mann noch einmal von oben auf den Kopf getreten haben. Ermittler Bachem nannte es eine Art Abschiedsgruß. Der Angreifer floh. Das Opfer stand auf und brach vor dem „Haus Töller“ zusammen. Zum Ärger der Ermittler war die Videoüberwachung am „Venus Celler“ defekt.

Eine Plakat-Aktion hatte der Kölner Polizei knapp drei Monate nach dem versuchten Tötungsdelikt zur Festnahme eines Tatverdächtigen verholfen. Die rund um den Tatort aufgehängten Fahndungsplakate hätten zu einem Hinweis aus der Bevölkerung geführt, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit. Ermittler nahmen den Angeklagten an seinem Wohnort in Holweide fest. Die Polizei setzte für die Festnahme starke Kräfte ein, auch Diensthunde kamen mit.

Nun folgt der Prozess. Es wird erwartet, dass mehr über die Hintergründe des Dramas bekannt wird. Und ob es möglicherweise eine Vorgeschichte der Auseinandersetzung gibt. Das Landgericht hat acht Verhandlungstage terminiert. Kurz vor Weihnachten soll das Urteil fallen.