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Selbstbestimmungsgesetz„Erkennt mich als den Menschen an, der ich bin und sein will“

Lesezeit 4 Minuten
Eine Bank in Regenbogen-Farben.

Die Regenbogenflagge steht als Symbol für weltweite Gleichberechtigung und Akzeptanz von Menschen, die sich u. a. nicht mit den traditionellen Rollen von Männern und Frauen identifizieren, oder eine andere Sexualität leben, als die Heterosexualität.

Ab November an wird es durch ein neues Gesetz leichter, Vornamen und Geschlechtseintrag zu ändern. Für betroffene Personen ist das ein deutlicher Fortschritt.

18. November, 9.30 Uhr, Standesamt Köln. Dieser Termin ist in Dannys Kalender fett markiert. Denn dann wird sie einen Schritt wahrnehmen, der für sie eine „Erleichterung“ bedeutet: „Nach 25 Jahren darf ich endlich meinen richtigen Namen tragen.“ Danny heißt von Geburt an eigentlich nicht Danny. Ihren alten Namen, den ihre Eltern ihr gegeben haben, will sie nicht öffentlich machen. Sie beschreibt ihn als „Spitznamen“, er gehört schon lange nicht mehr zu ihr. Doch bis heute steht dieser in ihrem Ausweis.

Danny heißt eigentlich nicht Danny. Ihr alter Name gehört schon lange nicht mehr zu ihr.

Danny heißt eigentlich nicht Danny. Ihr alter Name gehört schon lange nicht mehr zu ihr.

Das ändert sich bald. Ab dem 1. November tritt das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) in Kraft. Mit diesem Gesetz können Betroffene ihren Vornamen und Geschlechtseintrag beim Standesamt durch eine Erklärung offiziell ändern. Das Gesetz richtet sich an nicht-binäre, trans- und intergeschlechtliche Personen. Danny wird die Möglichkeiten des SBGG nutzen. Neben dem Vornamen ändert sie auch ihren Geschlechtseintrag und lässt diesen streichen. Danny ist gender-queer, sie identifiziert mit keinem der beiden traditionellen Geschlechterzuschreibungen: „Für mich spielt das Geschlecht im Alltag einfach keine Rolle.“

Selbstbestimmungsgesetz in Köln: Verfahren deutlich vereinfacht

Bislang war eine Änderung des Geschlechts und Vornamens nur über das Transsexuellengesetz (TSG) möglich. „Durch das TSG wäre ich nicht durchgekommen“, ist sich Danny sicher. Die Prozedur war mit großen Hürden verbunden. Das aus dem Jahr 1980 stammende Gesetz schrieb ein Verfahren vor, bei dem Menschen, die ihren Personenstand im Pass ändern wollen, zwei psychiatrische Gutachten vorlegen müssen. Dieses Prozedere ist „veraltet und entwürdigend“, sagt Kalle Hümpfner vom Bundesverband Trans*. „Intime und persönlichste Fragen“ über die eigenen sexuellen Präferenzen bis zur Wahl der Unterwäsche gehörten teils zu dem Verfahren. Zudem kostete das Verfahren im Schnitt 2000 Euro. Das Bundesverfassungsgericht erklärte das TSG in wesentlichen Teilen mehrfach für verfassungswidrig, im April verabschiedete der Bundestag das SBGG.

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„Es ist schwierig in Worte zu fassen, was das Gesetz für mich bedeutet. Ich habe lange darauf gehofft, dass es kommt“, sagt Danny. Dass sie sich mit ihrem Geburtsnamen und Geschlecht unwohl fühlte, weiß Danny schon lange. Die 25-Jährige legte sich bereits vor über zehn Jahren den Namen Danny zu, zuerst als Online-Pseudonym, nach und nach dann auch im realen Leben. Nach ihrem Schulabschluss und dem damit verbundenen Start in einen neuen Lebensabschnitt lässt sie sich auch von allen Personen so nennen. „Dass ich den selbstgewählten Namen bald auch offiziell tragen kann, erkennt mich als den Menschen an, der ich wirklich bin und sein will.“

Der Bundesverband Trans* hat etliche positive Reaktionen auf das SBGG erhalten: „Viele Personen haben jahrelang auf das Gesetz gewartet“, so Hümpfner. „Das Selbstbestimmungsgesetz war überfällig und absolut notwendig. Endlich die Möglichkeit zu haben, den Geschlechtseintrag ohne Begutachtung zu ändern, ist eine massive Erleichterung.“

Sorgen angesichts des politischen Klimas

Die Freude über das Gesetz wird für Danny durch politische Entwicklungen getrübt: „Das aktuelle politische Klima bereitet mir Sorgen. Was passiert, wenn die AfD oder das Bündnis Sarah Wagenknecht an die Macht kommt?“. Beide Parteien stellen sich klar gegen das SBGG. Auch ein Teil der Menschen in Deutschland zeigen Unverständnis gegenüber Personen wie Danny. „Die Kommentare im Internet erschrecken mich. Es tut weh, solche Sachen zu lesen“, sagt Danny. „Viele Menschen haben ein verzerrtes Bild darüber, wer wir sind und haben noch nie mit einer Person gesprochen, die sich mit ihrem Geschlecht und Vornamen unwohl fühlt.“

Ihre Freunde aus Köln haben positiv und unterstützend auf ihre Ankündigung reagiert: „Sie wussten, dass es mich ärgert, dass Danny nicht mein legaler Name ist.“ Ihre Eltern wissen noch nichts von der Namens- und Geschlechtsänderung: „Beim nächsten Besuch werde ich meinen Ausweis auf den Tisch legen und sagen: Hi, ich bin Danny“.


Das ändert sich ab dem 1. November

Durch das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) genügt eine beim Standesamt eingereichte „Erklärung mit Eigenversicherung“, um den Geschlechtseintrag sowie den Vornamen offiziell zu ändern. Der Wunsch muss allerdings drei Monate vorher angemeldet werden. Laut Gesetzgeber richtet sich das SBGG an trans-, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen. Mit der Selbstauskunft versichert eine Person, dass der gewählte Geschlechtseintrag oder die Streichung sowie der neu gewählte Vorname ihrer Geschlechtsidentität am besten entspricht. In Köln sind zwischen dem 1. August und dem 31. Oktober 381 Anmeldungen eingegangen. „Die Stadt Köln rechnet mit einer steigenden Anzahl von Anträgen“, teilte ein Sprecher mit. Auch bundesweit wird das Gesetz angenommen. Eine Auswertung des Magazins „Spiegel“ ergab, dass bis Ende August rund 15 000 Menschen ihren Geschlechtseintrag ändern wollen. In ihrem Gesetzesentwurf hatte die Ampel-Koalition mit etwa 4000 Fällen pro Jahr gerechnet.