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Schalömchen-BahnShalom-Musik Köln veranstaltet Auftritt in der KVB-Linie 7

Lesezeit 3 Minuten

Regisseur Adrian Schvarzstein (Mitte sitzend) und das litauische Ensemble spielten in der Bahn.

„Gekumen“, das jiddische Wort für „zurückgekommen“, klingt vertraut in kölschen Ohren. Aus dem Exil „jekumme“ ist jetzt zum Shalom-Musikfestival in Köln eine Gruppe Jüdinnen und Juden, die in den 30er-Jahren vor den Nationalsozialisten fliehen mussten. In der Schalömchen-Bahn der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) mischten sich ein Arzt, ein Bäcker, ein Schuhmacher, ein Zeitungsverkäufer und ein Liebespaar aus einem Schtetl, einem jüdisch geprägten Veedel, unter die heutigen Domstadtbewohner. So groß war die Freude, nach so vielen Jahrzehnten daheim zu sein, dass sie Geige, Laute und Akkordeon auspackten, um wie vor der Verfolgung zu spielen, zu singen, zu tanzen und ihre Dienste anzubieten.

Überraschung für die Fahrgäste

„Willkommen“ stand in hebräischer Schrift auf einem verwitterten Schild aus derselben untergegangenen Zeit, aus der die fröhliche Gruppe in der typischen Kleidung von damals kommt. Schlager-Evergreens wie „Wenn die Elisabeth nicht so schöne Beine hätt“ von 1930 gaben den Hinweis, aus welchen Jahrzehnt die Zeitreisenden stammen. Kreativer Kopf hinter der Performance in der Schalömchen-Bahn ist der spanische Straßentheater- und Opernregisseur Adrian Schvarzstein, in Köln spätestens bekannt durch seine kulturelle Mitwirkung 2021 am Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“.

Für die meisten KVB-Fahrgäste war die Show eine Überraschung, einige aber hatten sich nach den genauen Abfahrtszeiten der drei Touren erkundigt. Thomas Höft, der künstlerische Festival-Leiter, und KVB-Mitarbeitende dirigierten an den Abfahrtsstellen Baumschulenweg und Aachener Straße/Gürtel den Einstieg des Ensembles „Camerata dei Folli“ aus Litauen und des Publikums. Der Funke sprang schnell über. Fahrgäste klatschten mit, tanzten und stampften den Rhythmus, filmten oder ließen sich die Schuhe putzen. Eine zusteigende junge Radfahrerin kam Schvarzstein gelegen, um auf der Klingel eine Melodie zu bimmeln. Tosender Applaus begleitete das Ensemble beim Ausstieg.

Offenbachs Can Can vom Rathausbalkon geblasen

Was für Köln der Karneval, ist für jüdische Gemeinden das Purim-Fest. „Purim Brass“ nennt sich ein Blechbläserquintett mit Schlagzeug, das sich 2021 zum Jubiläum „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ unter der Leitung von Peter Scheerer gründete. Jetzt, beim Festival „Shalom-Musik.Koeln“ trieb es „Purim Brass“ hoch hinaus – auf den Rathaus-Balkon. Eine große Zuhörerschar hatte sich auf dem Alter Markt bereits gebildet, als zuvor Toru Takao auf den Turmglocken eingängige Melodien wie „Hava nagila“, „Summertime“ und den besonders bejubelten Can Can von Jacques Offenbach spielte.

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Den Can Can hatte auch „Purim Brass“ drauf, in der schmissigen Version. Außerdem gab es Arrangements von schwungvollen Songs anderer jüdischer Komponisten wie den „Picadilly March“ von Eric Satie, Medleys von Leonard Bernstein und George Gershwin sowie als Uraufführung „Tilim“ des Israelis Tom Belkind, der an der Kölner Musikhochschule studierte.

Ein Stück jüdische Kultur zurückgeholt

Kaum war der letzte Ton verklungen, tauchte ein Ehepaar aus den 30er-Jahren auf. Seine Geschichte: Nach 90 Jahre in einem Versteck am Alter Markt suchen sie nun anhand alter Fotos die Menschen von damals. Wer von den Umstehenden Ähnlichkeiten aufwies, wurde für ein neues Familienbild aufgestellt. Das heitere Spiel „Arrived“ (Angekommen) führte zu kölschen Brauhäusern, wo vereinzelte Gäste und Publikum an einem großen Tisch zusammengesetzt wurden. „Willkomen“ und „Leben ist wonderful“, schrieb Schvarzstein mit Kreide aufs Pflaster auf dem Weg zum Ostermannplatz. Dort das Happy-End: Er trug seine Liebste über die Schwelle einer Schänke.

Das Festival dürfte dazu beigetragen haben, dass jüdisches Leben und jüdische Kultur in Köln ein Stück weit mehr zurückgekommen und angekommen sind.