AboAbonnieren

Razzia in KölnErmittlungen nach Krawallen von Nizza könnten Jahre dauern

Lesezeit 4 Minuten
Prügelei in Nizza

Wie von Sinnen: Mit einem Absperrelement schlagen Hooligans vor dem Europacup-Spiel in Nizza auf einen Mann ein. 

Köln – Die Bilder schockieren auch viele Tage nach den schweren Ausschreitungen in Nizza. Aggressive Menschen prügeln auf einander ein, es gibt viele Verletzte und es gibt FC-Fans, die Stadien erst einmal meiden.

Polizei nennt Ergebnisse der Groß-Razzia in Köln

Am Mittwochnachmittag wurde die „sinnentleerte Brutalität“, wie es Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn nannte, den Kölnern und Journalisten noch einmal in erschreckender Weise vor Augen geführt. Die Polizei sprach nach einer Großrazzia über die Taten und beim Vortrag der Führungsspitze war es still im Saal. Oberstaatsanwalt Willuhn sprach von „Schwerkriminellen“, die in Nizza bei den Ausschreitungen beteiligt waren. „Es sind keine Fans. Es sind Menschen, die die Tötung billigend in Kauf nehmen“. Der Ankläger in Sachen Fußballkriminalität bei der Kölner Staatsanwaltschaft betonte, dass es so nicht weiter gehen könne. Es komme in Köln immer wieder zu schweren Vorfällen mit Kölner Gewalttätern.

Spezialermittler

„Super-Recognizer“ waren bei den Ermittlungen im Einsatz. Die Spezialisten haben eine besondere Begabung, Gesichter wiederzuerkennen und dadurch Personen zu identifizieren. Sie wurden in NRW – damals noch aus Großbritannien ausgeliehen – erstmals nach der Kölner Silvesternacht von 2015 eingesetzt, um Verdächtige in Menschenmassen zu finden. (ta)

Schon am heutigen Donnerstag, beim Spiel der Conference League in Müngersdorf (21 Uhr) erwartet die Polizei 150 „Risikopersonen“ auf Belgrader Seite, auf Kölner Seite werden 80 Hooligans erwartet.

Bei der laut Staatsanwaltschaft wohl größten Razzia in Sachen Fußballkriminalität in Deutschland mit 400 Beamten waren die Ermittler nicht wirklich überrascht, dass alle 16 Tatverdächtige in der Datei „Gewalttäter Sport“ bei den Ermittlungsbehörden registriert sind. Die Verdächtigen würden in Teilen der Gruppierung „Wilde Horde“, der ehemaligen Vereinigung „Boyz“ und der Gruppierung „Revolte“ angehören.

Razzia auch in Hürth, Pulheim und Bergisch Gladbach

Die Verdächtigen im Alter zwischen 22 bis 43 Jahren sind demnach bereits mehrfach bei Gewaltstraftaten im Sport in Erscheinung getreten. 15 Verdächtige sind nach Behördenangaben Ultragruppierungen oder der Hooliganszene zuzuordnen.

Eine Machete stellten die Beamten unter anderem sicher. 

Von den Verdächtigen wohnen 13 im Kölner Stadtgebiet. Daneben durchsuchte die Polizei Wohnungen in Hürth, Pulheim und Bergisch Gladbach. Die Polizei beschlagnahmte bei den Durchsuchungen etliche Beweismittel – darunter auch Schlagstöcke, eine kleine Machete und Handys der Verdächtigen. Davon erwartet sich die Polizei nun Hinweise auf weitere Täter. Zwei Familienangehörige im jüngeren Alter erlitten bei dem Einsatz leichte Verletzungen. „Sie erlitten einen Schock. Ich wünsche ihnen gute Besserung“, sagte Kriminaldirektor Michael Esser weiter.

Das könnte Sie auch interessieren:

Esser betonte weiter, dass die Ermittlungskommission „Nizza“ weiter intensiv an dem Mammut-Fall arbeiten werde. „Es soll nicht bei 16 bleiben“, so Esser. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der gesamte Verfahrenskomplex erst in zwei oder drei Jahren juristisch abgeschlossen sein könnte. Der NRW-Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Michael Mertens, sprach von einem „starken Zeichen des Rechtsstaates“.

Der Termin der umfangreichen Durchsuchung ist kein Zufall. „Der Zeitpunkt war bewusst gewählt. Wir wollten vor dem Spiel gegen Belgrad ein deutliches und abschreckendes Signal setzen“, sagte Polizeipräsident Falk Schnabel. In Nizza seien „schwere Straftaten“ begangen worden, „für die man auch zu Hause zur Rechenschaft gezogen“ werde. Ein Ziel sei es, bundesweite Stadionverbote zu erwirken. Die Zusammenarbeit mit dem FC nach den Krawallen bezeichnet Schnabel als gut. Kriminaldirektor Esser würde sich wünschen, dass der FC die Gewalt mehr ächte.

Kommentar: Ein Blick in den Abgrund

von Jens Meifert

Wer noch Zweifel gehabt haben sollte, der weiß seit Nizza Bescheid: Der 1. FC Köln hat ein massives Problem mit Gewalttätern, die mit den Werten des Sports gar nicht zu tun haben – außer einem völlig fehl geleiteten Kampfeswillen. Die Polizei hat Ermittlungen in einem Umfang aufgenommen, mit denen sie sonst Bandenkriminalität im Rocker-Milieu bekämpft.

Die Zwischenbilanz fällt erschreckend aus. Und sie zeigt einmal mehr, dass der Club sich mit aller Schärfe von den Tätern und denen, die solche Übergriffe tolerieren, abgrenzen muss. Dass der Club zu dem Vorgehen der Polizei keine Stellungnahme abgab, wirkt irritierend. Die teils begeisternden Auftritte des Vereins auf der internationalen Bühne stehen derzeit im Schatten der Randale von Nizza. Und das ist nur das kleinste Übel.