Im Prozess gegen den früheren Reemtsma-Entführer Thomas Drach hat die Staatsanwaltschaft am Mittwoch mit den Plädoyers begonnen.
Prozess in Köln15 Jahre Haft für Schwerverbrecher Thomas Drach gefordert
Der Prozess gegen den früheren Reemtsma-Entführer Thomas Drach (63) ist am Mittwoch mit den Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung auf die Zielgerade eingebogen — dort hätte der Prozess sich laut der ursprünglichen Planung schon im September 2021 befinden sollen. Als der Vorsitzende Richter am 99. Verhandlungstag des sich seit knapp 23 Monaten hinziehenden und von zahlreichen Wendungen und reichlich Eklats geprägten Verfahrens, Staatsanwältin Anja Heimig das Wort fürs Plädoyer erteilte, da hatte der Drach-Prozess sowas wie seinen Katja-Epstein-Moment: „Wunder gibt es immer wieder“, lautet der Titel eines berühmten Lieds von Epstein.
15 Jahre Haft wegen schweren Raubs und versuchten Mords gefordert
In ihrem knapp zweistündigen Schlussvortrag sah Heimig den 63-Jährigen bei drei von vier angeklagten Raubüberfällen als klar überführt an. Sie forderte 15 Jahre Haft wegen schweren Raubs und versuchten Mords. Heimig zeigte sich überzeugt, dass Drach vor Ikea-Märkten in Köln und Frankfurt am Main sowie am Flughafen Köln/Bonn in den Jahren 2018 und 2019 drei schwere Raubüberfälle begangen habe. Dabei habe der 63-Jährige knapp 142 000 Euro erbeutet. Neben der Haftstrafe beantragte die Anklägerin zudem Sicherungsverwahrung für den 63-Jährigen. „Der Angeklagte hat das Verbrechen zu seinem Beruf gemacht“, sagte Heimig. Auch sei Drach bereits mehrfach einschlägig vorbestraft, habe bereits 25 Jahre seines Lebens in Gefängnissen verbracht und sei gefährlich für die Allgemeinheit.
Sollte Sicherungsverwahrung gegen den 63-Jährigen verhängt werden, würde er nach abgesessener Haftstrafe nicht auf freien Fuß kommen, sondern in den Maßregelvollzug überstellt. Dort würde er dann weiterhin hinter Gittern sitzen, vermutlich bis zu seinem Lebensende.
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Letztlich sei festzuhalten, so Heimig, dass „die Indizien wie ein Pfeil auf den Angeklagten Drach“ zeigten. Dabei verwies die Staatsanwältin auf eine DNA-Spur Drachs an einer Kennzeichenhalterung an einem Fluchtfahrzeug, auf Verbindungen des 63-Jährigen und seines ehemaligen Mitangeklagten zu diversen – bei oder im Vorfeld der Taten genutzten – Fahrzeugen sowie auf die Aussage eines ehemaligen Mitgefangenen. Dieser hatte in dem Prozess bekundet, Drach habe ihm gegenüber in der Haft drei der vier Raubüberfälle eingeräumt. Den Zeugen bezeichnete die Staatsanwältin als „absolut glaubhaft“.
In Verbindung mit dem bei allen Taten gleichbleibenden Vorgehen und vor dem Hintergrund der Gutachten von Sachverständigen in dem Prozess, die Videoaufnahmen von Überwachungskameras der Täter mit Drach verglichen hatten, ergebe sich ein abgerundetes Gesamtbild, so die Anklägerin. Im Hinblick auf Drachs X-Beine und dessen „Watschelgang“ sagte die Staatsanwältin launig: „Wenn etwas aussieht wie eine Ente, läuft wie eine Ente und quakt wie eine Ente, dann ist es wahrscheinlich letzten Endes eine Ente.“ Und weiter: „Es bleibt hier schlichtweg kein Zweifel übrig dass der Angeklagte Drach die ihm zur Last gelegten Taten begangen hat.“ Lediglich für einen Drach vorgeworfenen Überfall im hessischen Limburg beantragte Heimig Freispruch, da hier kein Tatnachweis habe geführt werden können.
Verteidiger fordert Freispruch
Naturgemäß anders sah das Verteidiger Andreas Kerkhof, der Heimigs Vortrag einerseits Sachlichkeit attestierte, die Enten-Bemerkung aber brüsk zurückwies. „Sie haben effektiv nichts in der Hand, um Herrn Drach verurteilen zu können“, sagte Kerkhof. Objektive Beweise gegen den 63-Jährigen gebe es nicht. „Niemand hat gesagt: Da ist er doch, der Thomas, der Reemtsma-Entführer“, sagte Kerkhof. Den von der Staatsanwaltschaft angeführten ehemaligen Mitinsassen Drachs in der Haft bezichtigte er der Lüge. Der Mann habe Drach belastet, um in seinem eigenen Verfahren an einem anderen Landgericht eine milde Strafe zu bekommen. Zwar könne er menschlich verstehen, dass man jemanden wie Drach nicht gerne in Freiheit entlasse, sagte Kerkhof. Doch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei der Mandant freizusprechen und der Haftbefehl aufzuheben.
Vor den Plädoyers hatte der Gericht noch den Antrag Drachs auf Entpflichtung seiner Verteidiger vom vergangenen Verhandlungstag als unbegründet zurückgewiesen. Drach hatte darin unter anderem Kerkhof vorgeworfen, er habe sich von einem Oberstaatsanwalt kaufen lassen. Seither ist das Tischtuch zwischen den Verteidigern und Drach zerschnitten. Am Mittwoch wechselten Drach und die Anwälte kein Wort miteinander und saßen sichtlich distanziert voneinander auf der Anklagebank.
Am 4. Januar 2024 soll der Prozess mit dem letzten Wort des Angeklagten fortgesetzt werden. Wann in dem Prozess ein Urteil gesprochen wird ist noch unklar.