In Sachen Breitensport gewinnt das Skateboarden in Köln langsam an Boden. Bahnbrechend beteiligt ist daran die North Brigade.
Kölner North BrigadeAuch die Olympioniken fuhren auf dem Skate-Parcours in Weidenpesch
Es ist gar nicht so lange her, da haben sie Philipp Ortsiefer und seinen Mitstreitern die Türen eingerannt. „Während Corona, als wir als Individualsport früher aus dem Lockdown durften als viele andere, da ging es richtig ab“, sagt der Vorsitzende der North Brigade in Weidenpesch. Skateboarding hätte während der Pandemie also einen oder mehrere Schritte in die richtige Richtung machen können.
Die Sportart wurde ab 2022 aber von der Realität eingeholt, in der sie weiter ein Nischendasein ohne große Lobby und demnach ohne finanzielle Unterstützung führt. Ob sich der Status durch die Olympischen Spiele, bei denen der Sport auf Holzbrettern mit vier Gummirollen im August schon zum zweiten Mal im Programm steht, ändert, muss bezweifelt werden. Schon an diesem Wochenende stehen in Paris Entscheidungen an. Doch in Deutschland hat Skateboarding noch immer keinen leichten Stand. „Skater sind erstmal laut und dann machen sie alles kaputt“, zeichnet Ortsiefer das immer noch verbreitete, negative Bild und nennt die Domplatte, die von der Stadt schon vor Jahrzehnten „unskatebar“ gemacht wurde, als Beispiel.
Die Brigade hat 130 Mitglieder
Dabei fallen ihm zu seinem Lieblingssport selbst nur positive Beschreibungen ein: „Das ist mehr als das reine Fahren auf dem Board. Ich würde es als Lebenseinstellung, Kultur, ja als Teil meiner Sozialisierung bezeichnen“, meint der 45-jährige North Brigade-Vorsitzende, der dieses Amt vor sieben Jahren als Nachfolger seines verstorbenen Vaters übernommen hat. Weil er der Subkultur gute gesellschaftliche Veränderungen zutraut, bricht Philipp Ortsiefer mehrere Lanzen fürs Skateboarding. „Ich glaube, dass nicht nur hier bei uns im Verein, sondern in Köln und der ganzen Region viel Potenzial steckt“, sagt er und möchte seine etwa 130 Brigade-Mitglieder und das skatende Rheinland für die Zukunft wappnen.
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Wenn es schon für junge Boarderinnen und Boarder darum geht, höher in der Luft zu stehen, länger mit dem Brett an der eisernen Pool-Umrandung zu „grinden“ oder öfter im Sprung mit Board um die eigene Körperachse zu rotieren, sei Übungszeit das Wichtigste. „Da muss man in einem Jahr wie diesem schon darüber nachdenken, dass sechs verregnete Monate den Jungs und Mädels echt was wegnehmen“, meint der Mittvierziger, der vor seiner Pubertät einst selbst auf dem Weg zum Profi war.
Und wenn in seinem „Gemischtwarenladen“ North Brigade mit unterschiedlichsten Park- und Street-Elementen das Skaten zu oft ins Wasser fallen muss, lägen die Lösungen in Indoor-Skateparks, deren Bau allerdings einen zweistelligen Millionen-Betrag kostet. Etwa in Höhenberg oder den Abenteuer Hallen in Kalk. „Als Alternative zur Domplatte wurde das Kap am Rheinauhafen gebaut und neuerdings auch Areale in Höhenberg, an der Keupstraße, in Ehrenfeld an der Moschee und am Beethovenpark in Sülz“, lobt er die Stadt Köln auch, relativiert dennoch: „Im Vergleich zu großen Skate-Nationen wie den USA oder auch Japan stehen wir klein da. Meines Wissens gibt es im ganzen Land keine Olympia-taugliche Anlage.“
Umso bemerkenswerter sind die sportlichen Entwicklungen von Lennard Janssen aus Düsseldorf, der öfter am Dom auf Skating-Besuch ist, die Olympia-Qualifikation allerdings verpasste. Der 22-Jährige steht in einer Reihe mit Lilly Stoephasius aus Berlin und dem in Bayern ansässigen Tyler Edtmayer. „Das sind absolute Ausnahmetalente“, zollt Ortsiefer den beiden deutschen Olympioniken Respekt.
Dem stets klammen Verein täte ein neuer Boom gut
Auch wenn Edtmayer 2021 mit gebrochenem Arm in Tokio „nur“ den 15. Platz in der Park-Konkurrenz belegte und Stoephasius in der gleichen Disziplin als damals 14-Jährige auch das Finale verpasste, stechen sie für den Kölner heraus. „Vor den Geister-Spielen in Tokio mussten wir hier an der North Brigade noch die Deutschen Meisterschaften aus dem Boden stampfen, damit Punkte gesammelt werden konnten“, erinnert sich Ortsiefer an das Frühjahr 2021. Stoephasius und Edtmayer trumpften damals in Weidenpesch auf und sicherten sich später die Olympia-Tickets.
Die damaligen und aktuellen Olympioniken haben also gute Erinnerungen an die North Brigade und wollen ihre Tricks im Park qualitativ noch hochwertiger, fließender und konsistenter ausführen, um die Jury zu überzeugen. Vielleicht kommen die Medaillengewinner unter den 88 skatenden Athletinnen und Athleten dann nicht aus Australien oder Japan, sondern aus Deutschland.
Dann dürften sich auch Ortsiefer und Co. freuen. Und selbst wenn die Meinungen der Szene zu Skateboarding bei den Sommerspielen 2024 zwi-schen „Gut für den Sport“ und „Egal oder gar schädlich für die Kultur“ auseinandergehen, täte den stets klammen Vereinen ein neuer Boom gut. „Dann müssten wir vielleicht nicht mehr vier, fünf Jahre für Flutlicht auf unserer Anlage kämpfen und hätten eigene Toiletten, so dass wir nicht mehr die hunderte Meter entfernten am Fußballplatz mitbenutzen müssen“, schließt der North Brigade-Vorsitzende seine Ausführungen.