Kölns größter Platz„Der Neumarkt geht sonst vor die Hunde“
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Köln – „Es kann nicht mehr so weitergehen. Wir brauchen kurzfristige Lösungen für den Neumarkt, und wir brauchen mittelfristig die Umsetzung der Braunfels-Pläne. Sonst geht der Neumarkt endgültig vor die Hunde.“ Mit den Braunfels-Plänen meint Isabel Apiarius-Hanstein von der IG Neumarkt die Entwürfe des Architekten und Stadtplaners Stephan Braunfels zur Neugestaltung des Platzes inklusive geänderter Verkehrsführung (s. Infotext). Mit kurzfristigen Lösungen meint sie mehr Sauberkeit und Sicherheit sowie die Eindämmung der offenen Drogenszene.
Unterstützung bekommt sie dabei von den Wirtschaftsverbänden der Kölner CDU sowie vom Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses, Dirk Michel (ebenfalls CDU). „Es wird Zeit, den Neumarkt nicht mehr nur unter sozialen Gesichtspunkten zu betrachten. Sondern auch unter wirtschaftlichen“, sagt er.
Feldversuch soll Klarheit bringen
Tatkräftige Schützenhilfe leisten ihm dabei Sandra von Möller, Sprecherin des Wirtschaftsrates der Sektion Köln sowie Karl Alexander Mandl, Kreisvorsitzender Mittelstands- und Wirtschaftsunion der CDU (MIT). Sie fordern gemeinsam mit der IG Neumarkt und der Bürgerinitiative Neumarkt (BI) einen Sofortplan für Kölns größten Platz.
27 216 Quadratmeter misst der Neumarkt, davon sind momentan 8600 Quadratmeter Nutzfläche. Geschäftsleute, Immobilienbesitzer, verschiedene Institutionen und Bürgerinitiativen unter Regie von Professor Henrik Hanstein, Inhaber des Kunsthauses Lempertz, hatten im Frühjahr ein städtebauliches Konzept für den Neumarkt präsentiert. Entwickelt wurde es von Professor Stephan Braunfels.
Vorgeschlagen werden Verbesserungen in kleinen Schritten. Zwei Punkte standen im Fokus: Die Maßnahmen sollten greifen unabhängig von der Entscheidung, ob in Köln irgendwann die Ost-West-Achse der Kölner-Verkehrs-Betriebe unter der Erde verschwindet oder nicht. Und: Für die Planungen müssten weder Haltestellen noch Gleise verlegt werden. Die Planungen sehen eine vierspurige Verkehrsführung über die Südseite und eine autofreie Nordseite des Neumarkts vor, auch eine rein zweispurige Verkehrsführung hält Braunfels für denkbar.
Oberbürgermeisterin Henriette Reker lobte damals die Pläne: Verwaltung und Politik müssten sich nun „sehr ernsthaft“ mit den Plänen befassen. Die Fraktions- und Parteispitzen von Grünen, CDU, SPD und FDP warben für ein gemeinschaftliches Vorgehen. (tho/two)
Konkret will Michel dazu über seine Fraktion zunächst einen Antrag in den Verkehrsausschuss einbringen, der eine Untersuchung über die Auswirkungen der Braunfels-Pläne auf Verkehr und Handel beleuchtet. Auch eine Tiefgarage, wie sie vor vielen Jahren bereits im Gespräch war, könnte Bestandteil dieser Untersuchung sein. In einem zweiten Schritt soll dann ein Feldversuch gestartet werden – die Sperrung der Nordseite des Neumarkts für den Autoverkehr. Allerdings im steten Dialog mit den Händlern und Anliegern.
„Es darf auf keinen Fall so laufen wie in der Ehrenstraße“
„Es darf auf keinen Fall so laufen wie in der Ehrenstraße“, sagt Mandl. Dort seien die Belange der Händler viel zu wenig einbezogen worden. Es stelle sich außerdem die Frage, ob in der Fläche verteilte, oberirdische Parkhäuser noch zeitgemäß seien, merkt von Möller an. Auch sie plädiert für eine zentrale Tiefgarage am Neumarkt. Und schließlich, betonten alle vier, müsse das gesamte Quartier inklusive Apostelnstraße bis hin zur Magnusstraße einbezogen werden.
„Die Anlieger haben sowohl Kunden wie Mieter verloren. Und es wird immer schlimmer“, sagt Apiarius-Hanstein, Kommanditistin beim Kunsthaus Lempertz am Neumarkt. Sie berichtet von Geschäftsinhabern aus den Reihen von IG und BI, die das Handtuch geworfen hätten. „Es wird nur geredet, aber es passiert einfach nichts.“
„Wir müssen nicht auf alle Ewigkeit in Köln bleiben“
Letztendlich seien es die Händler und Anlieger vor Ort, die das Umfeld noch einigermaßen am Laufen hielten – aber auch denen gehe langsam sowohl die Kraft wie auch die Motivation aus. „Wenn wir hier partout keine Unterstützung bekommen – wir müssen nicht auf alle Ewigkeit in Köln bleiben“, sagt sie. Das Kunsthaus hat unter anderem Häuser in Berlin, München und Brüssel.
Freiraum schaffen
Mit dem Vorpreschen, was die Braunfels-Pläne angeht, setzen die Wirtschaftsverbände der Union ihre Parteikollegen im Rat etwas unter Druck. Im Ratsbündnis ist der Entscheidungsprozess über den Neumarkt noch keineswegs abgeschlossen, weder bei den Grünen noch bei der CDU. Auch bei der Ost-West-Achse haben sich von Möller, Mandl und Michel festgelegt: „Etwas anderes als eine Tunnellösung für die Bahn macht keinen Sinn.“
Dabei gehe es nicht darum, durch die Hintertür wieder Autoverkehr reinzuholen. Sondern darum, Freiraum zu schaffen. Dass Köln mit U-Bahn-Tunneln keine guten Erfahrung gemacht habe, lässt Mandl nicht gelten: „Die Fehler werden sich nicht wiederholen, wenn Stadt und KVB daraus gelernt haben.“