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„Woelki steht im Feuer“Kirchenrechtler Schüller zur Visitation im Kölner Bistum

Lesezeit 4 Minuten
Schüller Kritik am Gutachten

Thomas Schüller, Theologe und Kirchenrechtler 

Münster – Was ist eine Apostolische Visitation? Raimund Neuß hat Prof. Thomas Schüller, Kirchenrechtler an der Universität Münster, gebeten, das zu erklären.

Eine Apostolische Visitation in einem deutschen Bistum – wann hat es das schon mal gegeben?

Thomas Schüller: Das ist eine sehr gravierende Entscheidung. Sie zeigt, wie ernst der Vatikan die Entwicklung in Köln nimmt. Zuletzt haben wir in Deutschland eine solche Visitation im Bistum Limburg erlebt, sie hat damals zur Ablösung von Bischof Franz-Peter Terbartz-van Elst geführt. Aber auch wenn das in Limburg so gelaufen ist, deshalb sollte man die Entscheidung nicht als Vorverurteilung missverstehen. Kardinal Woelki steht im Feuer, manche Vorwürfe gegen ihn sind berechtigt, andere sind es nicht, oder Sachverhalte werden subjektiv dargestellt. Es geht jetzt darum, das alles objektiv zu überprüfen – ebenso wie im Fall der anderen betroffenen Bischöfe.

Was können die Visitatoren konkret tun?

Sie werden nach Köln geschickt und haben dort umfassende Rechte. Das heißt, Kardinal Woelki muss ihnen alle Türen, alle Aktenschränke öffnen, alles offenlegen. Sie dürfen sich mit allen Gesprächspartnern treffen, deren Befragung sie für sinnvoll halten. Also zum Beispiel auch mit zurückgetretenen ehemaligen Mitgliedern des Betroffenenbeirats. Ganz wichtig in diesem Zusammenhang: Beide Visitatoren sprechen Deutsch. Der Rotterdamer Bischof Johannes van den Hende gilt übrigens als ein aufgeschlossener Mann im Unterschied zu Kardinal Woelki. Allerdings dürfen solche theologischen Unterschiede keine Auswirkung auf die objektiv durchzuführende Vistation haben.

Wie lange dauert so etwas?

Das dürfte schnell gehen. Die Visitatoren sollen schon Anfang Juni kommen. Auch das zeigt, wie ernst der Papst die Sache nimmt, wie eilbedürftig sie aus seiner Sicht ist. Erfahrungsgemäß dauert so eine Visitation zwei bis vier Wochen, dann wird ein Abschlussbericht vorgelegt.

Verschwindet so ein Bericht dann wieder im Aktenschrank, oder wird der öffentlich gemacht?

Dieser Bericht wird nur dem Papst und dem Präfekten der Bischofskongregation vorgelegt und nicht veröffentlicht. Es sei denn, der Papst ordnet dies an.

Aber was hat dazu geführt, dass der Vatikan die Krise so ernst nimmt – jetzt, nachdem die Debatte über die Aufarbeitung von Missbrauch im Erzbistum ja schon so lange läuft?

Einen entscheidenden Anstoß haben nach meiner Kenntnis die Äußerungen von Generalvikar Markus Hofmann zum Fall des Düsseldorfer stellvertretenden Stadtdechanten D. gegeben. Das kam so an, als wolle das Erzbistum sich auf eine rein juristische Argumentation zurückziehen – für den Vatikan nicht akzeptabel. Und dann gaben die Sorgen von Geistlichen einen entscheidenden Anstoß, zuletzt das Schreiben von 14 Kreis- und Stadtdechanten. Das ist übrigens eine Parallele zu Limburg: Auch dort hat Rom sehr aufmerksam eine Intervention führender Geistlicher des Bistums wahrgenommen. Wenn der Klerus so in Sorge über das Verhalten seines Ortsbischofs ist, ist das für Rom ein Alarmsignal.

Zu welchem Ergebnis könnte die Visitation führen?

Nochmals: Sie ist ein ergebnisoffenes Verfahren. Sie kann Woelki entlasten. Sollte das nicht der Fall sein, hätte der Papst die Möglichkeit, einen Apostolischen Administrator nach Köln zu schicken. Woelki bliebe Erzbischof, könnte und müsste sich aber natürlich überlegen, ob er nicht seinen Rücktritt anbietet.

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Wir hatten auch schon einmal Lösungen mit einem Koadjutor, also einer Unterstützung für den Bischof, dessen Rechte dabei aber gewahrt bleiben …

Das halte ich für unwahrscheinlich, weil es völkerrrechtliche Probleme aufwirft. Das ist in Köln einmal gemacht worden, als Joseph Höffner Koadjutor des erblindeten Erzbischofs Josef Kardinal Frings wurde. Schon damals hat das für diplomatische Verwerfungen geführt, denn ein Koadjutor hat das Recht der Nachfolge, das hebelt also das Wahlrecht des Domkapitels aus. Das wird der Vatikan nicht noch einmal machen.

Nächstes Problem: Auch wenn Kardinal Woelki nicht mehr Erzbischof von Köln wäre – er bleibt Kardinal und ist noch 16 Jahre lang zur Papstwahl berechtigt. Zwei wahlberechtigte Kardinäle in einer Diözese kann es nicht geben …

Nun ja, einerseits nimmt Papst Franziskus die historische Bindung von Kardinalstiteln an bestimmte Diözesen ja nicht mehr so ernst, sondern setzt andere Prioritäten. Der Berliner Erzbischof Heiner Koch wartet bis heute vergeblich auf den traditionellen Kardinalstitel. Andererseits wäre ja auch eine ganz andere Lösung denkbar: Wenn Woelki persönlich entlastet wird, könnte man ihn auch in ein hohes kirchliches Amt in Rom berufen. Bei mehreren wichtigen Kongregationen, etwa der Kleruskongregation, wird eine neue Leitung gesucht. Das könnte ein interessanter Ausweg sein.

Und die anderen Bischöfe, die im Fokus stehen – was wird mit ihnen geschehen?

Da muss man differenzieren. Weihbischof Ansgar Puff hat in acht Monaten als Personalchef einmal etwas falsch gemacht. Das wiegt weit weniger schwer als die vielen Pflichtverstöße, die Weihbischof Dominik Schwaderlapp zur Last gelegt werden. Andererseits stapeln sich gerade in Rom die Eingaben von Schwaderlapps Unterstützern, die sich für ihn verwenden. Die Zukunft von Erzbischof Heße ist noch völlig offen. Beide Visitatoren werden aber seine Rolle als Personalchef und Generalvikar von Köln im Umgang von Anzeigen von sexuellem Missbrauch im Erzbistum Köln sicher auch untersuchen und deren Einschätzung wird dann über das Schicksal von Erzbischof Heße entscheiden.