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Mülheimer Brücke maroder als gedachtGeneralsanierung läuft aus dem Ruder

Lesezeit 3 Minuten

Lastet schwer auf den Schultern Kölns: Die aus dem Ruder laufende Generalsanierung der Mülheimer Brücke.

  1. Wieder läuft in Köln ein Projekt so völlig aus dem Ruder.
  2. Was sagen Experten dazu, was der Stadtrat?
  3. Wir klären alle Fragen rund um die Sanierung der Mülheimer Brücke.

Köln – Wieder einmal muss die Stadt mitteilen, dass es bei der Generalsanierung der Mülheimer Brücke kein Halten gibt. Nicht beim Zeit- und auch nicht beim Kostenplan. Mindestens drei Jahre kommen auf das einst anvisierte Bauende 2022 drauf. Um wie viel die zuletzt auf 188 Millionen Euro kalkulierten Kosten noch ansteigen werden, kann noch keiner sagen.

Was lässt alle Pläne platzen?

„Die Bausubstanz“, sagt die Stadtverwaltung. Die sei weit schlechter, als Experten bei Sondierungen im Vorfeld der Generalsanierung festgestellt hatten. Um den Beton ist es nicht so gut bestellt wie erhofft. Die Schweißnähte und die Nietverbindungen sind nicht in der vermuteten Verfassung.

War das nicht vorauszusehen?

„Nein“, sagt die Verwaltung. Selbstredend sei im Vorfeld der Maßnahme sondiert worden. Aber die nun vorgefundenen Schäden befänden sich teilweise in unzugänglichen Bereichen. So sei es beispielsweise erst in den vergangenen Osterferien möglich gewesen, die Stellen genauer unter die Lupe zu nehmen, in denen die Stadtbahnen der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) verkehren. In den Ferien hatte die KVB den Betrieb auf der Mülheimer teilweise eingestellt, weil sie unter anderem an den Gleiskörpern und Masten arbeiten musste.

Welches Ausmaß ist schon absehbar?

„Die Brücke kann nicht vor 2025 fertiggestellt werden“, sagt die Verwaltung. Zu beachten dabei ist: Die Stadt nennt kein Fertigstellungsdatum mehr, sie sagt jetzt lediglich noch, bis wann es auf keinen Fall klappen kann.

Dass da noch mehr kommen könnte, lässt sich aus folgender Aussage herauslesen: „Die in der KVB-Sperrpause zusätzlich gewonnenen Erkenntnisse führen dazu, dass alle KVB-Bereiche zu erkunden und zu ertüchtigen sind.“ Es muss also noch mehr sondiert werden.

Was bedeutet das für die Bauphasen?

Alles verschiebt sich durch die neue Erkenntnis. Die markanteste Bauphase beinhaltet die Unterbrechung der Stadtbahnlinie auf der Mülheimer Brücke für 19 Wochen. Die war einmal für die Sommerferien 2020 vorgesehen. Jetzt wird sie für Sommer 2023 ins Auge gefasst.

Geht die Stadt zu nachlässig vor?

„Eine vergleichbare Sanierung einer denkmalgeschützten Rheinbrücke mit dem komplexen statischen System einer Hängebrücke wurde bisher nicht durchgeführt“, sagt die Stadt.

Was sagen Experten zu dem Fiasko?

Klaus Grewe war unter anderem erfolgreicher Projektleiter für das Olympiagelände in London. Auch saß er in der Bundes-Reformkommission „Bau von Großprojekten“. Im Rundschau-Interview äußerte er sich schon im Juni 2017 zu der wiederholten Aussage der Stadt, der Sanierungsaufwand an der Mülheimer Brücke sei nicht genau vorherzusagen: „Das gibt es nicht, das ist die allgemein anerkannte Ausrede für schlechte Vorplanung. Dann muss man vorher genauer planen und prüfen, möglicherweise die Brücke auch mal für einen Tag oder einen Monat für Untersuchungen sperren.“

Was sagt der Stadtrat?

Lino Hammer (Grüne): „Der schlechte Zustand ist das Resultat verfehlter Sparpolitik in der Vergangenheit. Es sollte überprüft werden, ob durch Arbeiten unter Vollsperrung verlorene Zeit eingeholt werden kann.“ Ralph Sterck (FDP): „Es ist sehr ärgerlich. Plänen zu einer Vollsperrung erteile ich jedoch eine Absage. Zwischen Zoobrücke und Leverkusener Brücke muss es noch eine Verbindung geben.“ Dirk Michel (CDU): „Die Verzögerung tut weh.

Ramponiert sind Schweißnähte, Nieten und Fugen.

Allerdings wird so eine Brücke auch für 100 Jahre gebaut, da haben Qualität und Sicherheit oberste Priorität.“ Andreas Pöttgen (SPD): „Die Verzögerungen bei der Sanierung der Mülheimer Brücke sind die nächste Katastrophennachricht für die Menschen in unserer Stadt. Was die Verwaltung auch anfasst, es misslingt.“

Was sagt die Wirtschaft?

Ulf Reichardt, Hauptgeschäftsführer der Kölner Industrie- und Handelskammer: „Jede Verlängerung bedeutet mehr Umwegfahrten, Staus und Zusatzkosten sowie entgangene Aufträge für die Unternehmen. Wenn Schäden spät erkannt werden, ist das ein Problem. Klar ist aber auch, dass wir qualitativ hochwertige Neubauten brauchen.“