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33-Jähriger mit Downsyndrom bricht Grenzen aufDellbrücker holt Goldmedaille bei Weltmeisterschaften im Judo – ein langer Weg zum Erfolg

Lesezeit 4 Minuten
Zweri Judosportler kämpfen auf der Matte.

Victor Gdowczok holte in Vichy das erste Gold für Deutschland im Paralympischen ID-Judo nach zwölf Jahren.

Victor Gdowczok zeigt der Welt sein Können: Der Dellbrücker mit Downsyndrom hat Geschichte geschrieben.

Sein Händedruck ist fest, sein Auftreten selbstbewusst. Das ist nicht verwunderlich. Der 33-jährige Victor Gdowczok ist Judo-Weltmeister. Trotz seines Vornamens war er allerdings nicht der geborene Sieger. Als er acht Jahre alt war, traute sich sein Vater Klaus kaum, sein kraftloses Händchen zu drücken. Der Junge schleppte sich hinkend Treppen herauf. Das hat sich geändert: Bei den „Virtus Global Games“ 2023 in Vichy, Frankreich, gewann Victor die Goldmedaille.

Bei der Weltmeisterschaft zeigte er im ID-Judo, also dem Sportbereich für Menschen mit „intellectual disabilities“, auf Deutsch „geistigen Einschränkungen“, sein ganzes Können. Victor trat in der Klasse für Judoka mit Downsyndrom an. Der Dellbrücker hat das Chromosom Nummer 21 gleich dreimal. Diese genetische Besonderheit, „Trisomie 21“ genannt, hat zumeist zur Folge, dass die Betroffenen mit diversen körperlichen und geistigen Einschränkungen zu kämpfen haben. Im Falle von Victor waren es zunächst vor allem auch Probleme mit der Muskelkraft und Beweglichkeit. Und das, fand sein Vater, sollte nicht so bleiben.

Schüler fasste sofort Vertrauen zu seinem Judo-Lehrer

Er kontaktierte seinen Freund Wolfgang Hofmann, ein Kölner Judoka, der bereits selbst bei Olympischen Spielen eine Silbermedaille errungen hatte, mehrfacher Deutscher Meister war, und Inhaber des Kölner Judo-Traditionsvereins S.C. Bushido. Gdowczoks Frage: „Kann mein Sohn bei euch trainieren? Victor hat allerdings das Downsyndrom.“ Hofmann befand, das sei kein Problem, der Junge solle vorbeikommen. Und so lernte Victor den zweitwichtigsten Mann in seinem Leben kennen: Trainer Rupert Fehler. „Er war 1,60 Meter groß und genauso breit, sah aus wie der Weihnachtsmann“, erzählt Gdowczok. Victor fasste sofort Vertrauen zu „Rupi“, wie er seinen Trainer liebevoll nannte. „Er saß erst einmal ein halbes Jahr bei ihm auf dem Schoß“, so schildert der Vater. Er hatte es nicht leicht, sich in die Gruppe der Kinder einzufügen, die keinerlei körperliche Einschränkungen aufwiesen.

Der Sportler trägt seine goldene Medaille, sein Vater hält ihn im Arm.

Judoka Victor Gdowczok mit seinem Vater Klaus Gdowczok.

Dann begab er sich langsam auch auf die Matte, fing mit ganz leichten Übungen an. Victor entwickelte sich. Als er zehn Jahre alt war, konnte er die Treppe hinaufsteigen wie andere auch. Mit 14 Jahren begann er mit Kraft- und Konditionstraining. Es gab die ersten Turniere in NRW. Mit 17 Jahren gewann er bei den „European Open“ in Amsterdam Bronze. Danach hagelte es Goldmedaillen, bei den Landesmeisterschaften, bei den Deutschen Verbandsmeisterschaften, bei den Deutsche Meisterschaften. 2011 belegte er bei den Special Olympics in Athen den vierten Platz. Victor war im Leistungssport angekommen. Er besaß den braunen Gürtel, wollte aber unbedingt den schwarzen.

Victor Gdowczok machte den schwarzen Gürtel

Der deutsche Judobund war zunächst misstrauisch. Doch Victor, der 2014 Europameister wurde, setzte sich durch: „2016 hat er als erster Mensch mit Downsyndrom auf der Welt den schwarzen Gürtel gemacht“, erzählt sein Vater stolz. „Und zwar nach den normalen Regularien für nicht behinderte Menschen.“

Der junge Mann musste unzählige Boden-, Stand-, Hebe- und Würgetechniken vorführen. Victor bestand mit Auszeichnung – und war ein Pionier. Heute dürfen alle Menschen mit Behinderung den schwarzen Gürtel erwerben, indem sie eine eingeschränkte Prüfung ablegen. Als Träger des schwarzen Gürtels ergatterte Victor noch einige Medaillen bei den anschließenden Europameisterschaften. Mit der Goldmedaille bei der Meisterschaft rechnete sein Team trotzdem nicht: „Das hat uns alle aus dem Sattel geholt“, sagt Gdowczok.

Trainer hilft Victor über den Tod hinaus

Doch der junge Athlet hatte besondere Unterstützung: „Ich war bei Rupi“, so der 33-Jährige. Vor dem Wettkampf besuchte er das Grab des mittlerweile verstorbenen Trainers. „Victor hat bestimmt 20 Minuten dort gestanden und hat mit ihm kommuniziert“, sagt Gdowczok. Er war auch körperlich topfit: Victor hatte hart für die WM trainiert – unter erschwerten Bedingungen: Das von Klaus Gdowczok gegründete inklusive „VG-Projekt“, wo mehrere geistig behinderte Judoka trainieren, hatte vorher seine Trainingsstätte an der Sechtemer Straße verloren. Die Stadt Köln hatte das Areal mit der Halle unentgeltlich einem Investor zum Besitz überlassen, der es im Rahmen der „Parkstadt Süd“ entwickeln möchte. Er wollte die Halle dem Judo-Verein für viel Geld vermieten.

Gdowczok lehnte ab: „Wir haben das Training nach draußen verlegt, Konditions-, Kraft- und Meditationstraining sowie Übungen der Judotechnik fanden am Rheinufer statt. Zusätzlich ging es mit dem Auto zu diversen Hallen in ganz Nordrheinwestfalen, denn Victors Trainingsplan umfasst fünf bis sechs Tage wöchentlich.“ Leider blieb das hallenlose Inklusionsprojekt dabei auf der Strecke. „Wir möchten, dass ID-Judo paralympisch wird“, so Gwdowczok, „also bei den kommenden Paralympics als Sportart vertreten ist. Wir unterstützen den Sport erst einmal auf diese Weise.“ Dann soll aber auch das VG-Projekt wieder aufleben.

www.vg-project.de