Im Prozess um einen tödlichen Unfall bei einer Baustelle auf der A3 äußert die Verteidigung Zweifel, ob der angeklagte Bauingenieur von einem problematischen statischen Gutachten wusste.
Betonplatten-Drama auf der A3Fällt das Urteil milder als erwartet aus?
Im Prozess um die Havarie eines nicht sach- und fachgemäß befestigten Elements einer Schallschutzwand auf der A3 bei Dellbrück, bei der im November 2020 eine 66-Jährige in ihrem Auto getötet wurde, hat eine Verteidigerin am Montag einen rechtlichen Hinweis beim Gericht beantragt. Laut einem von ihr gestellten Beweisantrag, solle das Gericht ihren Mandanten, einen wegen Totschlags durch Unterlassen angeklagten Bauingenieur (62), darauf hinweisen, dass auch eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung in Betracht komme. Während der Strafrahmen für Totschlag von fünf bis 15 Jahren Haft reicht, liegt die Höchststrafe für eine fahrlässige Tötung bei fünf Jahren.
Dem 62-Jährigen legt die Anklage zur Last, ein statisches Gutachten, wonach die nicht planmäßige Montage von sechs Tonnen schweren Schallschutzelementen aus Beton weder tragfähig noch dauerhaft gewesen sei, zwar zur Kenntnis genommen, dieses an den Landesbetrieb Straßen.NRW aber nicht weitergeleitet zu haben. Der Mann war damals als Bereichsleiter bei der zuständigen Baufirma angestellt. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der 62-Jährige damals auf der Autobahnbaustelle das Sagen auf Seiten der ausführenden Baufirma gehabt habe. Mit ihm angeklagt sind zwei ehemalige Mitarbeiter (beide 59) von Straßen.NRW, die wegen fahrlässiger Tötung angeklagt sind. Sie sollen als Verantwortliche auf Seiten des Landesbetriebs das statische Gutachten nicht eingefordert haben.
Ist der Vorwurf „Totschlag“ damit vom Tisch?
Gegen die Erteilung eines rechtlichen Hinweises in Richtung einer fahrlässigen Tötung hatte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft nichts einzuwenden. Ob die Staatsanwaltschaft damit nicht mehr eine Verurteilung des 62-Jährigen wegen Totschlags durch Unterlassen anstrebt, blieb zunächst unklar. Auch dem Beweisantrag der Verteidigerin trat der Staatsanwalt nicht entgegen. Allerdings sollten die von der Polizei mitgeschnittene Telefonate des 62-Jährigen nicht nur in Auszügen, sondern in Gänze angehört werden. „Wir regen an, im Rahmen der Aufklärungspflicht, uns alle Telefonate von Anfang bis Ende anzuhören“, sagte der Staatsanwalt.
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Laut dem Beweisantrag habe der 62-Jährige damals in mehreren Telefonaten gegenüber verschiedenen Gesprächspartnern erklärt, dass er keine Kenntnis von einem Fax habe, welches ihn von dem Gutachten habe in Kenntnis setzen sollen. Die Verteidigerin zitierte aus einem Gespräch ihres Mandanten: „Es ist wohl so, dass irgendein Fax aufgetaucht ist, wo irgendein Statiker nachweist, dass die Wand nicht standsicher sei.“ Er kenne das Fax nicht und habe es auch nie zu Augen bekommen.
Das Fax, auf das sich der 62-Jährige in den Telefonaten bezieht, soll von der Polizei bei der Durchsuchung der ehemaligen Baufirma sichergestellt worden sein, wo der Angeklagte gearbeitet hatte. Die Gespräche würden beweisen, so die Verteidigerin weiter, dass der Mandant keine Kenntnis von dem statischen Gutachten gehabt habe und es somit auch nicht habe unterdrücken können, wie es ihm von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen werde.
Der Prozess wird im Oktober fortgesetzt.