Ein Ingenieur und zwei Straßenbau-Mitarbeiter stehen vor Gericht nach dem Tod einer Frau durch eine herabstürzende Betonplatte auf der A3. Die Hauptursache ist Pfusch am Bau.
66-Jährige stirbt bei KölnProzess um tödliches Betonplatten-Drama auf der A3 beginnt
Mehr als dreieinhalb Jahre ist es her, dass eine Autofahrerin (66) auf der Bundesautobahn A3 von einer herabstürzenden Betonplatte aus einer Schallschutzmauer erschlagen wurde. Am kommenden Dienstag, am 13. August, beginnt vor dem Landgericht der Prozess gegen die mutmaßlichen Verantwortlichen für das Unglück, das die Frau von jetzt auf gleich aus dem Leben riss.
Vorwurf: Totschlag durch Unterlassen
Beschuldigt sind in dem Prozess ein Ingenieur (62) jener Baufirma, die 2008 beim Ausbau der A3 die Schallschutzmauer montierte. Ihm wirft die Staatsanwaltschaft Totschlag durch Unterlassen vor. Zudem sind zwei jeweils 59 Jahre alte ehemalige Mitarbeiter des Landesbetriebs Straßenbau NRW (Straßen.NRW) wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen angeklagt, wie ein Landgerichtssprecher auf Nachfrage der Rundschau mitteilte. Die Schwester und die Mutter der Verstorbenen treten in dem Prozess als Nebenklägerinnen auf.
Es war, als habe der Teufel seine Hände im Spiel. Der Kalender zeigt Freitag den 13. an, als sich die 66-jährige Kölnerin Anne M. mit ihrem Kleinwagen auf dem Weg zur ihrer Mutter macht. Rund ums Heumarer Dreieck fließt der Verkehr mal wieder zäh. Als sie vor der Lärmschutzwand auf der A3 zwischen der Anschlussstelle Köln-Dellbrück und dem Autobahnkreuz Köln Ost zum Stehen kommt, löst sich die Verankerung einer Schallschutzplatte zu ihrer Rechten. Die wurde 13 Jahre zuvor montiert. Das sechs Tonnen schwere Element schlägt auf den Kleinwagen. Anne M. erliegt noch an der Unglücksstelle ihren schweren Verletzungen. Ermittlungen und Recherchen ergeben in den darauffolgenden Monaten: Wenn der Teufel involviert war, dann steckte er mal wieder im Detail.
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Die Ursache für das Unglück könnte in drei schmale Worte zusammengefasst werden: Pfusch am Bau. Doch das würde die vorausgegangene Versagenskette sträflich verknappen. Die betreffende Schallschutzwand aus Beton besteht aus mehreren Bauteilen, die beim Bau angeliefert und vor Ort zusammengesetzt werden sollten. Vereinfacht gesagt, war es das Prinzip eines Bilderrahmens. In eine Vertiefung der Wand wurden nochmals Schall absorbierende Platten eingehängt, 200 an der Zahl. Doch beim Bau der Wand wurde wohl festgestellt, dass die Maße nicht stimmten. In einigen Fällen war nicht mehr genug Platz vorhanden für die technisch überprüften und abgenommenen Halterungen der Platten. Darum wurde vor Ort improvisiert. Aus Stahlwinkeln und Schrauben wurden passende Halterungen zusammengeschweißt. Und wer auf Fotos die damals eingesetzte Verankerung sieht, kommt kaum umhin zu sagen: es wurde gefrickelt.
Gutachten wurde nicht weitergereicht
Dass dieses Gefrickel wohl nicht so einfach abgenickt werden kann, war wohl auch der damals zuständigen Behörde und Bauherrin Straßen.NRW bewusst: Es wurde ein Gutachten von der Baufirma zur Tragfähigkeit und Dauerhaftigkeit der Verankerung gefordert . Das kam im September 2008 zu dem Ergebnis, dass die vorgenommene Art der Montage des Schallschutzmauerelements weder die statische Tragfähigkeit noch die geforderte Dauerhaftigkeit aufweise. Allerdings, dieses Gutachten soll der 62-Jährige Ingenieur des Unternehmens nicht an Straßen.NRW weitergeleitet haben. In Unkenntnis des Gutachtens sei dann dennoch im November 2008 eine Abnahme der Schallschutzmauer durch den Landesbetrieb erfolgt, allerdings unter dem Vorbehalt, dass die offene Frage der Tragfähigkeit und Dauerhaftigkeit der Konstruktion noch nachzuweisen sei. Jedoch, das ist nie erfolgt.
Schlimmer noch. Die Schallschutzwand erhielt bei technischen Untersuchungen Bestnoten: Die Hauptuntersuchung im Jahre 2013 schloss mit „sehr gut“ ab. Die verpfuschte Halterung nahm dabei keiner in Augenschein. Dafür hätte die Schall absorbierende Platte demontiert oder mit einer kleinen Kamera sondiert werden müssen. Der Aufwand wurde wohl als zu groß erachtet, obwohl die Richtlinien das durchaus vorsehen. Die für 2019 vorgeschriebene Hauptuntersuchung fand nicht mehr statt. Denn bei Straßen.NRW hatten sich mittlerweile rund 10 000 unerledigte Prüfungen technischer Bauwerke aufgestaut. Da die Schallschutzwand bei Dellbrück erst 2013 eine glatte Eins bekam, wurde die turnusgemäß anstehende Hauptuntersuchung aufgeschoben. So wurde der improvisierte Haken mehr als 13 Jahre lang vom Sog und den Erschütterungen vorbeirauschender LKW sowie dem Gewicht der sechs Tonnen schweren Platte stetig ermüdet.
Den beiden ehemaligen Mitarbeitern von Straßen.NRW legt die Anklage daher zur Last, dass sie es versäumt hätten, das Gutachten einzufordern. Zwar soll es mehrere Anfragen bei dem Ingenieur der Baufirma gegeben haben, dieser habe aber nicht reagiert. In der Folge sei die Sache im Sande verlaufen.
Richterin bekannt durch Cold-Case-Fall
Der Prozess wird vor der 20. Großen Strafkammer unter Vorsitz von Sibylle Grassmann geführt. Grassmann ist eine außerordentlich erfahrene Richterin am Landgericht. Erst im März hatten Grasmman und ihre Kammer den Karnevalsmord von 1988 an der damals 24 Jahre alten Petra Nohl nach mehr als 36 Jahren aufgeklärt. Den Täter wurde wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.