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„Motivation ist verloren gegangen“Wie Kölner Studierende die Corona-Zeit durchleben

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Ein leerer Hörsaal

So hatte sich Michelle ihr Studium nicht vorgestellt. „Das soziale Leben ist immer noch komplett eingeschränkt“, sagt die 22-Jährige, die an der Macromedia Akademie „Fashion Management“ studiert. Auch wenn wieder mehr möglich ist, als etwa vor einem Jahr im Lockdown, hält sie sich mit sozialen Kontakten noch zurück. „Ich treffe auch heute nur Menschen, wenn sie sich vorher getestet haben.“

Kneipenbesuche vermeidet Michelle komplett, Clubs sind ohnehin geschlossen. An der Hochschule fehlt der Austausch mit Kommilitonen und den Dozenten. Neue Leute kennenzulernen ist quasi nicht möglich. „Dadurch sind der Spaß und die Motivation im Studium einfach verloren gegangen.“

Noch immer ist kaum etwas wirklich normal

Michelle ist nicht allein mit ihren Problemen. So wie ihr geht es vielen Kölner Studierenden. Auch zwei Jahre nach Pandemiebeginn ist die Situation alles andere als normal. Die Probleme, mit denen die jungen Erwachsenen kämpfen, sind teilweise immer noch die gleichen wie im Frühjahr 2020. „Gerade zu Beginn der Pandemie herrschte eine große Unsicherheit bei den Studierenden“, sagt Gabriele Jungnickel. Sie leitet die psychologische Beratungsstelle des Kölner Studierendenwerks, die knapp 90 000 Studierenden von sieben Kölner Hochschulen offen steht. Zunächst stellten sich für die Studenten ganz grundlegende Fragen. Wie strukturiere ich meinen Alltag? Wie teile ich meine Zeit ein? Wie gehe ich damit um, dass mir soziale Rückmeldungen fehlen? Sei es von Kommilitonen oder Lehrenden.

Unsicherheit belastet die Studierenden in Köln stark

Stark verändert hätten sich die Probleme nicht. „Es gab natürlich immer Schwankungen. Mal fanden wieder mehr Veranstaltungen in Präsenzunterricht statt, dann wieder weniger. Was bleibt, ist die Unsicherheit, wie es weitergeht. Das belastet“, sagt Jungnickel. „Gerade bei den Hochschulen, die wieder verstärkt auf Distanz- oder Hybridunterricht setzen.“ An der Universität zu Köln und der Technischen Hochschule (TH) ist die Präsenzlehre noch immer stark eingeschränkt, an der Sporthochschule fanden zuletzt zumindest sportpraktische Kurse in Präsenz statt. Wie es im kommenden Semester weitergeht – unklar.

Auch die Zukunftsforscherin Corinna Mühlhausen weiß um die Probleme der jungen Leute. Sie hat sich in einer Studie mit den gesundheitlichen Folgen der Generation der 16- bis 29-Jährigen beschäftigt. „Viele tragen permanent ein ungutes Gefühl mit sich herum, wenn sie Bars, Restaurants oder Konzerte besuchen.“ Die Freude über die zurückgewonnenen Möglichkeiten in der Freizeitgestaltung sei häufig von Ängsten überschattet. Jeder Dritte hat laut Studie in einem vollen Restaurant Beklemmungen. Gleich viele belastet die Unsicherheit über geltende Regeln. Rund ein Viertel fürchtet sich vor der Ansteckung mit dem Coronavirus. Dazu kommen finanzielle Sorgen. Viele Studenten haben im Lockdown ihre Jobs verloren.

Im vierten Corona-Semester kennen viele Studierende es gar nicht mehr anders

Je länger die Zeit der Unsicherheit dauert, desto mehr Auswirkungen könne das auf die Studierenden haben, sagt Gabriele Jungnickel. Mittlerweile läuft das vierte Corona-Semester. „Es gibt eine Generation von Studierenden, die keinen anderen Zustand kennt. Wenn junge Menschen mit dem Abitur fertig sind, dann möchten sie etwas Neues beginnen und in einem neuen Umfeld neue Erfahrungen sammeln.“

Vieles von dem bricht weg, wenn die Hochschule keine Präsenzveranstaltungen anbietet. Wenn der Unterricht auch aus dem heimischen Kinderzimmer möglich ist, gibt es keinen Grund, wegzuziehen. „Das ist eine Lebensphase, in der es voran gehen soll. Ganz viel von diesem Erfahrungsraum fehlt nun.“ Wenn eine wichtige Phase in der Entwicklung eines jungen Menschen fehlt, könne das auch langfristige Folgen haben oder bereits vorhandene Probleme verstärken – depressive Stimmungen, die die Studierenden bisher noch gut im Griff hatten zum Beispiel, oder Ängste vor sozialen Kontakten.

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Michelle macht vor allem das Ende ihres Studiums Hoffnung. Sie ist im siebten Semester und beginnt bald mit ihrer Bachelorarbeit. Sie hofft aber auch, dass sich noch mehr Menschen impfen lassen. „Nur so können wir endlich wieder ein unbeschwertes Leben führen.“ Sie freut sich aufs Reisen und auf ein Leben ohne Maske, ohne das ständige Vorzeigen des Impfzertifikates und ohne Abstand. „Ich will meine Freunde endlich wieder umarmen und küssen, meine Familie wieder öfter besuchen und ganz feste durchknuddeln.“

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