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„Wohnen für Hilfe“Mietfrei leben in Köln? Ein Projekt der Uni macht's möglich

Lesezeit 5 Minuten
Nourhan El Kouche, Clara Panne und Christina Panne (v.l.) sitzen auf dem Balkon und trinken Kaffee.

Nicht nur Mitbewohnerinnen, sondern Familie: Nourhan El Kouche, Clara Panne und Christina Panne (v.l.).

Bei „Wohnen für Hilfe“ zahlen Studierende keine Miete für ihr WG-Zimmer. Dafür bieten sie ihre Hilfe im Alltag an.

Sich zu Hause fühlen, obwohl die Liebsten tausende Kilometer weit weg wohnen: Für die 23-jährige Studentin Nourhan El Kouche ist dieser Wunsch wahr geworden. Seit sie aus dem Libanon für ihr Bio-Studium nach Köln kam, hat sie in mehreren WGs gelebt - ein Gefühl von Familie wollte aber nicht so richtig aufkommen. Den Jackpot machte sie bei „Wohnen für Hilfe“, einem Projekt der Uni Köln für Studierende: Seit vier Monaten wohnt die Studentin bei Lehrerin Christian Panne (43) und ihrer 13-jährigen Tochter Clara. Sie unterstützt die alleinerziehende und berufstätige Mutter im stressigen Alltag und wohnt im Gegenzug mietfrei - bezahlen tut sie nur die Nebenkosten. Eine Zweck-WG waren die drei jedoch seit Tag Eins nicht.

Ich habe eine Familie gebraucht und die habe ich hier bekommen.
Nourhan El Kouche, Studentin

„Wir haben uns das beide vom Universum gewünscht“, erzählt Panne glücklich. Als sich die Mitbewohnerinnen fanden, brauchten alle eine schnelle Lösung. Bei Mutter und Tochter stand der Sommerurlaub an, für den dringend eine Babysitterin für ihre Kaninchen hermusste. El Kouche brauchte nach einer Trennung mitten im Semester möglichst bald eine neue Bleibe. Sofort wuchs das Trio eng zusammen: „Ich habe eine Familie gebraucht und die habe ich hier bekommen“, sagt El Kouche gerührt. Die WG feiert heute Tanzpartys im Wohnzimmer, guckt zusammen Serien und tröstet sich in schweren Zeiten.

„Den Schüssel habe ich schon beim ersten Treffen bekommen. Es hat einfach geklickt“, erinnert sich die Studentin. Die Probewoche haben die drei einfach übersprungen. Zehn Tage nach der Anmeldung bei „Wohnen für Hilfe“, hielt die Studentin deshalb schon einen Pinsel in der Hand, um ihr neues, rund elf Quadratmeter großes Zimmer zu streichen. Vorher war der Raum in der Nippeser Wohnung ein ungenutztes Büro und hütete vor allem viel Krempel. Für El Kouche ist es ein Hauptgewinn im angespannten Wohnungsmarkt Kölns: Von hier aus braucht sie nur 20 Minuten zur Uni.

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Eine Stunde Unterstützung am Tag

Etwa eine Stunde pro Tag unterstützt die Studentin ihre Mitbewohnerinnen. Das hat das Trio vorher ausgemacht und schriftlich festgehalten. Einen Stundenzettel oder ähnliches gibt es aber nicht. „Es bedarf zwar ein paar Regelungen aber wir bleiben trotzdem flexibel“, sagt Panne. Als Faustregel des Projekts gilt: eine Stunde Hilfe im Monat pro Quadratmeter Wohnfläche, der den Studierenden zur Verfügung gestellt wird.

El Kouche gibt ihrer jungen Mitbewohnerin einmal pro Woche Mathe-Nachhilfe und nimmt sich Zeit für sie, wenn Panne einen Abend mit Freunden verbringt. Die Studentin hilft außerdem beim Blumengießen oder kümmert sich um die Kaninchen. Manchmal kommt die Familie in den Genuss von libanesischen Spezialitäten. Für alle anderen Aufgaben, die in jedem Haushalt anfallen, hängt in der Küche eine Erinnerungstafel.

Tochter Clara ist gut mit ihrer Mitbewohnerin befreundet. Ihr Zuhause zu teilen, ist für sie normal: „Ich bin daran gewöhnt, weil wir schon Mitbewohnerinnen hatten als ich noch klein war“, erklärt die Teenagerin. „Clara lernt dadurch weltoffen zu sein und das ist mir ganz wichtig“, sagt ihre Mutter.

Die Wohnraumanbieterinnen und -anbieter lernen wir zu Hause kennen und erfahren so, wie sie leben und wie sie sich das Zusammenleben vorstellen
Heike Bermond, Projektleiterin „Wohnen für Hilfe“

Es ist nicht die einzige Erfolgsgeschichte des Wohnprojekts. „In den 14 Jahren haben wir 970 Wohnpartnerschaften in Köln mit Wohnen Für Hilfe vermitteln“, erklärt Mitarbeiterin Heike Bermond. Ihren Wohnraum anbieten können vor allem Seniorinnen und Senioren, Familien, Alleinerziehende und Menschen mit Behinderung. „Viele ältere Menschen können auf Grund von Wohnen für Hilfe länger zu Hause in den eigenen vier Wänden wohnen bleiben.“ Pflegerische Leistungen sind innerhalb des Projekts jedoch ausgeschlossen. Unterstützung erhalten die Wohn-Tandems unter anderem in Form einer Ausarbeitung von individuellen Verträgen, Vermittlung und Hausbesuchen.

„Die Wohnraumanbieterinnen und Wohnraumanbieter lernen wir zu Hause kennen und erfahren so, wie sie leben und wie sie sich das Zusammenleben vorstellen“, erklärt Bermond. Die Studierenden kommen zu einem Kennenlerngespräch ins Büro. „Dann kommt der Moment, wo meine Kollegin, Frau Wiegeler und ich die Menschen auswählen, von denen wir ausgehen, dass sie auf allen Ebenen gut zueinander passen können. Wir stellen dann den Kontakt her.“ Nicht immer ist das „Match“ beim ersten Mal erfolgreich. „Ein wichtiger Baustein ist die Sympathie.“ Ob die besteht, müssen die potenziellen WG-Mitglieder bei einem persönlichen Treffen rausfinden.

Gerade die Familien in Köln pfeifen aus dem letzten Loch.
Christian Panne, Wohnraumanbieterin

„Ich lebe sehr viel lieber in Gemeinschaft“, sagt Panne. „Wir leben in dieser Gesellschaft sehr isoliert, obwohl das konträr zu unseren Bedürfnissen als Menschen ist.“ Ein Leben geprägt von gegenseitiger Unterstützung ist für Panne definitiv die bessere Lebensweise: „Gerade die Familien in Köln pfeifen aus dem letzten Loch. Alles ist teuer, man muss sich riesige Preise für Wohnungen leisten, hinzu kommt Arbeit und Betreuung der Kinder.“

Beim Erfolgsrezept ihrer WG sind sich alle Mitbewohnerinnen einig: Offenheit für Menschen, Kommunikation, Flexibilität und Vertrauen. Passenderweise hängt in der Wohnung das kölsche Grundgesetz: „Et bliev nix wie et wor - Sei offen für Neuerungen“, heißt es darauf. Es scheint als sei das Wohnprojekt genau richtig in der Domstadt.

Alle Infos über „Wohnen für Hilfe“ gibt es auf der Uni-Website.


Kölner Studierendenwerk:„Vermieten an Studierende“

5.000 Plätze bietet das Kölner Studierendenwerk aktuell in seinen Wohnheimen an. Nur ein Drittel der Bewerberinnen und Bewerber bekommen jedoch eines der begehrten Zimmer.

Mit seiner Initiative „Vermieten an Studierende“ will das Werk mehr günstige Wohnangebote schaffen. In der Privatzimmervermittlung gibt es WG-Zimmer, Zimmer zur Untermiete, separate Einzelzimmer, Apartments, und Wohnungen - teilweise auch zur Zwischenmiete.