Köln – Kirchenspaltung. Das ist die große Sorge von Kölns Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki. Die Gefahr sieht er beim Reformprozess der Deutschen Bischofskonferenz, dem synodalen Weg, gegeben. Vor allem in der Frage der Frauenordination. Kommt seine Sorge zu spät? Wer am Donnerstag der Diskussion in der Karl-Rahner-Akademie folgte, der kam um den Eindruck nicht herum, sie ist schon gespalten, die Kirche. In die, die noch bleiben und die, die schon gegangen sind.
Auf der einen Seite Doris Bauer, jahrzehntelang in der Kirche engagiert. Unterstützerin der Frauenbewegung Maria 2.0. Im Sommer 2020 ausgetreten. Auf der anderen Seite Pfarrer Mike Kolb, Leiter der Hauptabteilung Seelsorge Personal im Erzbistum Köln. Das Thema der beiden: Kirchenaustritte. Um sie herum: Menschen die mit der Kirche hadern, um sie ringen, sie aufgegeben haben, an ihr festhalten. Es hätte eine Diskussion voller Wut werden können. Doch es wurde eine voller Nachdenklichkeit, mit etwas Hoffnung und viel Trauer.
Kommt zu Tisch
Protestaktionen: Parallel zur Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz unternimmt die Kirchenbewegung Maria 2.0. Unter dem Motto: Kommt zu Tisch werden in Münster, Köln, Hamburg, Freiburg und anderen Städten weiß gedeckte Tische vor Domen und Kirchen bereitet sein. Sie weisen unter anderem auf die Benachteiligung von Frauen in der Kirche hin.
In Köln lädt die Initiative in Kooperation mit dem Katholischen Deutschen Frauenbund am kommenden Sonntag 20. September, um 14 Uhr auf dem Roncalliplatz vor dem Kölner Dom zu einer gemeinsamen Mahlfeier ein. (EB)
Sie war eine feste Größe in der Gemeinde St. Agnes. Eigentlich nicht wegzudenken. Wo die Kirche ihr gegenüber als Frau steht, das hat sie von klein auf erfahren: „Ich wollte gerne Messdienerin werden. Aber das ging nicht.“ Trotzdem wandte sie sich nicht ab. Doch es staute sich auf: „Die Diskriminierung, der Umgang mit sexueller Gewalt, der Machtmissbrauch.“ Was das Fass zum überlaufen brachte: „Der Ausschluss von der Eucharistie. Ich war Kommunionshelferin und ich sollte Menschen die Kommunion vorenthalten. Wer bin ich, dass ich jemanden das vorenthalte? In der Kirche zu bleiben, das konnte ich nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren.“
Kein Alleinanspruch auf Jesus Christus
Mike Kolb kennt Doris Bauer aus dem Gemeindeleben. „Ihr Austritt hat mich sehr betroffen gemacht, bestürzt.“ Er wolle hier nicht als „die Amtskirche“ sitzen, den Austritt nicht bewerten. Für sich selbst könne er nur sagen: „Ich könnte mir nie vorstellen, auszutreten.“ Nicht, dass er immer zufrieden sei, aber: „Die Kirche schenkt mit Jesus Christus.“
Doch diesen alleinigen Besitzanspruch der Kirche auf Jesus, den lässt die Basis in großen Teilen wohl nicht mehr gelten. „Ich bin aus der Institution Kirche ausgetreten, aber ich lebe weiter in der Gemeinschaft des Glaubens“, sagt Doris Bauer. Stimmen aus dem Publikum nach Öffnung der Debatte: „Wir alle sind Kirche.“ „Wir gehen, aber wir bleiben Kirche.“
Anzahl der Aussteiger steigt
„Die Kirche lebt das Evangelium nicht mehr.“ Rund 273 000 Menschen haben 2019 in Deutschland die katholische Kirche verlassen. So hoch die Zahl auch ist, sie steht nicht für die wirkliche Dramatik: „Was wir erleben ist eine Kernschmelze“, so ein Redebeitrag. „Die mit dem Glauben nicht wirklich etwas anfangen können, sind schon vor Jahren gegangen. Jetzt geht der harte Kern.“ Die, die nach zahlreichen vermeintlichen Reformanstößen nicht den Glauben an das Evangelium, aber an die Kirche verloren hätten. Dem konnte und wollte auch Kolb nicht widersprechen.
Eine die gegangen ist, um im Glauben bleiben zu können: „Ich war 25 Jahre in einem Orden und bin dann ausgetreten. Die Kirche begegnet den Menschen nicht auf Augenhöhe, sie geht ihnen nicht nach“, meldet sich eine Zuhörerin zu Wort. Stille, betroffenes Nicken. „Und wie ein Elefant steht die Angst im Raum. Angst vor der Bedeutungslosigkeit, vor dem Machtverlust“, ergänzt eine weitere.