ReformprozessWeil Priester fehlen, sollen Pfarreien in Köln noch größer werden
- Die aktuellen Pläne des Bistums für den Reformprozess „Pastorale Zukunftsweg“ sehen vor, dass aus den rund 500 Pfarreien bistumsweit 50 bis 60 Pfarreien geformt werden sollen, als große Verbünde mehrerer Gemeinden.
- „Die Nähe zu den Menschen, das ist so wichtig für mich. Aber das wird schwierig werden, wenn alles immer größer wird“, sagt Pfarrer Karl-Josef Windt mit traurigem Lächeln.
- Wohin die Reise auf dem „Pastoralem Zukunftsweg“ geht, wird sich zeigen.
Köln – Wohin die Reise gehen wird, das weiß auch Karl-Josef Windt nicht. Wie sie begonnen hat, das weiß der Pfarrer der „katholischen Kirche im Rheinbogen“ aber sehr wohl. 1979 im Dom geweiht, kam er schließlich 1988 nach Rodenkirchen. „Damals war noch jede Gemeinde für sich“, sagt er. Das änderte sich 2007. Aus den vier Gemeinden in Rodenkirchen, Sürth und Weiß wurde eine fusionierte Pfarrgemeinde mit fünf Kirchen und einer Kapelle. Und das ist noch lange nicht das Ende der Reise.
Die aktuellen Pläne des Bistums für den Reformprozess „Pastorale Zukunftsweg“ sehen vor, dass aus den rund 500 Pfarreien bistumsweit 50 bis 60 Pfarreien geformt werden sollen, als große Verbünde mehrerer Gemeinden. Strukturen liegen Windt eigentlich nicht so am Herzen. Er kann von ehemaligen Messdienern berichten, die das Leben in die Ferne getragen hat und die ihm noch heute verbunden sind. Von Gemeindemitgliedern, die auf ihn zukommen: „Pastor Windt, wir wollen von Ihnen getraut werden.“ Das ist für ihn das Manna seines Alltags. „Die Nähe zu den Menschen, das ist so wichtig für mich. Aber das wird schwierig werden, wenn alles immer größer wird“, sagt er mit traurigem Lächeln.
Nein, der Geistliche aus dem Rheinbogen verschließt nicht die Augen vor der Realität. „Vergangenes Jahr war das schlimmste. So viele Austritte hatten wir noch nie“, sagt Windt. Ehemalige Messdiener waren darunter und Menschen, die er gut kennt. „Das tut weh.“ Er hat sie alle angeschrieben, ein Gespräch angeboten. „Reagiert hat kaum einer.“ Und dann die Gottesdienste. „Früher besuchten bis zu 18 Prozent der Gemeindemitglieder den Gottesdienst.“ Und heute? „Oftmals nur noch sieben Prozent.“ Warum treten die Menschen aus? „Es geht gar nicht so sehr um den Glauben, die meisten arbeiten sich an der Institution Kirche ab“, berichtet er aus Gesprächen. „Die Sexualmoral, der Missbrauchsskandal, die Gleichstellung der Frauen.“
900 Gläubige besuchen Gottesdienste
Dennoch, im Vergleich zu anderen Seelsorgebereichen in der Domstadt sieht es im Rheinbogen, dort wo Köln noch idyllisch ist, gut aus. „Um die 900 Gläubige besuchen die Gottesdienste an Samstagen und Sonntagen in unseren Kirchorten“, sagt Windt. Der Pfarrer hat seit zwei Jahren einen Verwaltungsleiter an der Seite. „Ich musste mich in Corona-Zeiten beispielsweise nicht um die Verwaltung der Kindergärten kümmern. Der entlastet mich sehr.“ Und dann die Ehrenamtlichen. „Ich kann gar nicht genug dankbar und wertschätzend sein für deren Leistungen.“
Christoph Nüsser ist einer von ihnen. Stellvertretender Vorsitzender im Pfarrgemeinderat. 51 Jahre alt. Windt nennt ihn den „Jungspund“. „Die Entwicklung zur Großgemeinde, das war schon ein schwerer Weg“, sagt Nüsser. „Wir verwalten hier mittlerweile ein mittelständisches Unternehmen.“ Wohin die Reise auf dem „Pastoralem Zukunftsweg geht“, davon hat er eine Ahnung. Bei den Größenordnungen werden eventuell noch Rondorf und die Gemeinden am Kölner Südkreuz wie beispielsweise Bayenthal und Zollstock dazu kommen.“ Wie das gehen soll, das kann er sich nicht vorstellen. „Bei solch großen Bereichen kriegen wir doch keinen mehr, der sich engagieren will. Und wir sind doch schon jetzt am Limit.“ Wenn einer aus dem Team wegfalle, wüssten sie nicht, wie sie die Arbeit noch verteilen sollen. „Ich habe einen Beruf, ich bin verheiratet und habe zwei Kinder.“ Die Kirche müsse darauf achten, dass dies alles unter einen Hut zu bringen sei, wolle sie nicht nur Rentner als Ehrenamtler.
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Für Nüsser gibt es nur einen Grund für die immer größer werdenden Pfarreien: „Priestermangel. Das ganze ist aus der Not geboren.“ Seine Kritik: „Der Pastorale Zukunftsweg geht nur an die Symptome heran, nicht an die Ursachen.“ Er könnte da viele Punkte ansprechen, für die er „draußen“ immer wieder gerade stehen müsse, aber er will vor allem die Rolle der Frau in der Kirche zum Thema machen. „Wenn wir eine Mail rumschicken, weil es wieder mal helfende Hände braucht – wer meldet sich? Frauen. Die Anzahl der Frauen im Ehrenamt ist enorm.“ Sein Pastor springt ihm bei: „Wir sind sozusagen eine von Frauen getragene Männerkirche“, sagt Windt. Zur Weihe von Frauen hat Nüsser eine klare Meinung: „Das muss so kommen.“ Er hat auch ganz persönliche Gründe für diese Haltung. „Etwas anderes kann ich gegenüber meinen Töchtern doch gar nicht mehr vertreten.“
Immer die Hand heben, wenn’s Hilfe braucht, die Stunden nicht zählen, die für die Kirche eingebracht werden – willkommen bei Gisela Zimmer, ebenfalls stellvertretende Vorsitzende im Pfarrgemeinderat. Dass sie als Frau von der Weihe ausgegrenzt ist, das sitzt tief: „Ich finde das abwertend.“ Sie weiß, es geht ihr nicht allein so, und das hat Konsequenzen: „Es gibt so viele, die würden sich noch weiter engagieren.“
In einigen Tagen werden sie eine Videokonferenz mit dem Generalvikar des Bistums zum „Pastoralem Zukunftsweg“ haben. „Wir als Laien sollen richtig ranklotzen und dabei auch noch Strahlkraft entwickeln. Leiten dürfen wir nichts und der Pfarrer ist weit weg. Das ganze Konzept ist für mich noch so unklar“, gibt Nüsser einen Vorgeschmack auf die Konferenz.