Elisabeth-von-Thüringen-GymnasiumTeilhabe beim „Tag der Demokratie“
Lesezeit 4 Minuten
Sülz – „Reine Demokratie kann ganz schön chaotisch sein. Aber das nehmen wir heute so hin und lassen uns auf alle Schwierigkeiten ein. Wir haben uns sehr bemüht, für dieses Projekt alle Stimmen zu hören und die Wünsche eines jeden Schülers zu erfüllen, denn einen solchen Tag kann man nicht von oben verordnen“, sagte Bruno Zerweck lachend.
Der Schulleiter am Sülzer Elisabeth-von-Thüringen-Gymnasium und sein Kollegium hatten mit den Fünft- bis Elftklässlern sowie deren Eltern unmittelbar vor den Sommerferien einen „Tag der Demokratie“ ausgerufen, an dem rund 50 Workshops zur Auswahl standen, die sich mit dem Thema in künstlerischer, theoretischer oder handwerklicher Weise auseinandersetzten.
Überwiegend externe Dozenten aus Institutionen wie der Universität zu Köln, dem NS-Dokumentationszentrum, dem Schauspielhaus, der Deutschen Welle, Amnesty International und dem Ernährungsrat der Stadt Köln informierten die mehr als 700 jungen Teilnehmer über Formen der Gleichberechtigung und Teilhabe in der Gesellschaft. In einem Werkstattgespräch konnten sich die Jugendlichen mit der ehemaligen stellvertretenden Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Sylvia Löhrmann (Bündnis 90/Die Grünen), austauschen, die zwischen 2010 und 2017 zudem das Ministeramt für Schule und Weiterbildung bekleidete.
„Die Schüler sollen erfahren, dass Demokratie keine Selbstverständlichkeit ist und mitunter in der konkreten Umsetzung auch an ihre Grenzen stößt, wenn es beispielsweise darum geht, eine faire und effiziente Ausgangssituation zu schaffen, von der vor allem das Kollektiv und nicht nur der Einzelne profitiert. Gleichzeitig wollten wir auch vermitteln, dass die Demokratie alternativlos ist“, erklärte Zerweck.
Das Recht auf Wohnen
Neben elementaren Diskussionsrunden zum Thema setzten die Abiturienten die Gedanken des Grundgesetzes auch praktisch um. In Kooperation mit dem Verein Little Home Köln errichteten die Kids beispielsweise eine Obdachlosenunterkunft, die bedürftigen Menschen kostenlos zur Verfügung gestellt wird. „Wir bauen heute das 100. Holzhaus für Menschen, die kein Geld haben, um eine Miete zu bezahlen. Ich halte das für eine gute Idee. Denn niemand sollte auf der Straße oder unter einer Brücke schlafen müssen. Es ist zwar sehr klein, aber dafür gemütlich“, berichtete Niklas (11).
„Das ist eine tolle Idee, die ich sofort unterstützen wollte. Man tut nicht nur etwas gutes für andere, sondern lernt dabei auch noch eine Menge über das Handwerk. Ich kann das irgendwann bestimmt mal gebrauchen“, zeigte sich Mitschülerin Mia (15) von der Aktion begeistert. Über den Zusammenhang zwischen Obdachlosigkeit und Demokratie muss Niklas nicht lange nachdenken: „Wenn jemand keine Wohnung hat und ständig damit beschäftigt ist, einen sicheren Platz für die Nacht zu suchen, wird es wahrscheinlich auch schwierig, einen Job zu finden. Außerdem werden die Obdachlosen ja auch oft von wichtigen Entscheidungen ausgeschlossen. Man nimmt sie nicht ernst, und das ist undemokratisch.“
Mit den fatalen Auswirkungen der Abschaffung von Grundrechten beschäftigten sich die Schüler in den AGs „Rechtsextremismus“, „Rassismus“ und „Kunst“, die vom NS-Dokumentationszentrum initiiert wurden.
Anhand des Schicksals von Anne Frank, deren Tagebuch über die Verfolgung ihrer Familie im nationalsozialistischen Terrorregime seit Jahrzehnten ein wichtiger Bestandteil des Geschichtsunterrichts in deutschen Bildungseinrichtungen ist, erarbeiteten die Schüler Referate und fertigten Zeichnungen sowie Collagen an.
„Natürlich hat Anne Frank viel mit Demokratie zu tun. Sie war Jüdin und wurde nur aufgrund ihrer Religion von den Nazis verfolgt. Die Juden hatten damals keine Rechte mehr. In einer Demokratie geht es aber genau darum, dass alle Menschen miteinander leben können. Niemand steht über dem anderen. Ich fand es deshalb wichtig, in diesem Workshop mitzumachen, auch damit ich einen Beitrag leiste, damit so etwas nie wieder geschieht“, berichtet Merit (17). „Das hat Anne auch in ihrem Buch geschrieben. Dort steht, dass alle Menschen gleichberechtigt sind“, ergänzte Ronja (17) die Ausführungen ihrer Mitschülerin.
Historie der Unterdrückung
Aus einer Eigendynamik heraus bauten die Kurs-Teilnehmer anhand des Tagebuchs mit Hilfe von Pappe gar das Mobiliar aus Anne Franks Versteck nach. „Das ist wirklich eine außergewöhnliche Entwicklung, die so nicht geplant war. Wir freuen uns natürlich sehr über das Engagement der Schüler und überlegen uns, die Werke anlässlich des nächstjährigen Holocaust-Gedenktags im NS-DOK auszustellen“, wertschätzte Birgit Kloppenburg von der Museumsschule Köln die Arbeiten. „Wir werden die vielfältigen Aktivitäten mit Sicherheit im kommenden Schuljahr nachbearbeiten und sind gespannt auf die Reaktionen, die bereits jetzt unsere Feedback-Box füllen“, unterstrich Schuldirektor Zerweck den pädagogischen Gehalt des Projekts.