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Kölns Landgericht-Präsidentin„In Köln haben wir einen hohen Anteil an Bandenkriminalität“

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Katrin Jungclaus neue Präsidentin des Landgerichts Köln

Katrin Jungclaus neue Präsidentin des Landgerichts Köln

Katrin Jungclaus ist die neue Präsidentin des Landgerichtes in Köln. Wir haben mit ihr über die Herausforderungen dieses Amtes gesprochen.

Richterin sei für sie der schönste Beruf der Welt, sagt Katrin Jungclaus. Seit diesem Jahr ist Präsidentin des Langerichtes Köln. Im Gespräch mit der Rundschau erläutert sie, welche Herausforderungen das mit sich bringt.

Welche Herausforderung stellt das Landgericht Köln im Vergleich zu ihren Stationen in Düsseldorf und Kleve dar?

Am Landgericht in Kleve arbeiten rund 30 Richterinnen und Richter, in Düsseldorf sind es rund 130 und in Köln 230. Sie sehen schon, da liegen Welten dazwischen. Eine Großstadt hat zudem eine eigene Struktur, was sich sofort auch auf die Sachverhalte, die ein Gericht beschäftigt, auswirkt. Am Landgericht Köln haben wir im Strafrecht beispielsweise einen hohen Anteil an Bandenkriminalität. Wenn man das Zivilrecht anschaut, ist es so, dass Prozesse etwa im Baurecht in Köln eine ganz andere Komplexität als im Umland haben.

Sie sagten uns, Richterin ist für sie der schönste Beruf der Welt. Was macht ihn so besonders?

Wenn ihnen der Staat die Macht gibt, über andere Menschen zu urteilen, ist das ein sehr große Verantwortung. Eine Verantwortung, der man nur gerecht werden kann durch die richterliche Unabhängigkeit. Diese Unabhängigkeit ist in unserer freiheitlich demokratischen Gesellschaft nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht. Das bedeutet, immer beide Parteien in einem Verfahren im Blick zu behalten und sich eben nicht beeinflussen zu lassen – von niemanden.

Als Richterin hatten Sie es wahrscheinlich auch mit Fällen zu tun, bei denen es nicht immer leicht war, sie mit der Robe einfach abzustreifen. Gibt es Prozesse aus ihrer Laufbahn, an die Sie heute noch zurückdenken?

Als ganz junge Richterin wurde ich in Jugendschutzverfahren eingesetzt. Das hat mich damals sehr beeindruckt, und manchmal auch sehr belastet. Ich hatte damals eine großartige Kammer, die das gut aufgefangen hat. Später hatte ich mehr mit Zivilverfahren zu tun, in denen für mich eher die Schwierigkeit in der Frage bestand, wie ich entscheide und die Interessen ausgleichen kann. Manchmal dachte ich, ich hätte beispielsweise einen guten Vergleich gefunden. Doch dann sieht man ganz am Ende, da verlässt nur einer der Verfahrensbeteiligten enttäuscht den Saal. Bei Vergleichen ist es das Beste, wenn beide Parteien damit zufrieden sind, aber das gibt es nur ganz selten. Wenn beide unzufrieden sind, geht das auch in Ordnung. Dann wurde zumindest eine Lösung gefunden.

Was Sie als Richterin leisten müssen, davon haben die meisten Menschen sicherlich eine Vorstellung. Doch was sind die Aufgaben einer Präsidentin am Landgericht?

Ich bin Dienstvorgesetzte aller Bediensteten dieses Hauses und der Amtsgerichte des Bezirks – allerdings nicht des Amtsgerichtes Köln, das hat einen eigenen Präsidenten. Das besonders Interessante an meiner Aufgabe ist, dass ich morgens noch nicht weiß, was auf mich zukommen wird.

Wie vielen Mitarbeitenden stehen Sie vor?

In diesem Haus haben wir etwa 600 fest angestellte Bedienstete (davon rund 230 Richterinnen und Richter) und nochmals rund 600 in der Ausbildung. Dazu kommen rund 660 Bedienstete (davon rund 120 Richterinnen und Richter)   im Bezirk. Aber ich mache das natürlich nicht alleine. Da gibt es noch die Geschäftsleitung, die ist für das anze Organisatorische und die nichtrichterlichen Bediensteten zuständig. Und wir haben dreizehn richterliche Dezernenten , die ein Verwaltungsdezernat betreuen, beispielsweise ein Baudezernat, das auch für den geplanten Neubau des Justizgebäudes zuständig ist.

Sie sprechen den geplanten Neubau an. Was sind die Unzulänglichkeiten in diesem Haus, die einen Neubau notwendig machen?

Das Haus wurde 1981 bezogen. Die Grundsubstanz ist also so, wie man in den 1970er Jahren gebaut wurde. Auf dieser Basis ist das Haus nicht mehr zukunftsfähig, es muss ersetzt werden. Darum werden wir voraussichtlich 2026 in ein Interimsgebäude ziehen.

Und wann wird der Neubau stehen?

Da wage ich keine Prognose. Aber ich glaube nicht, dass dies noch in meiner Dienstzeit passieren wird. Die Planungs-, Ausschreibungs- und Umsetzungsprozesse sind bei einem derart großen öffentlichen Bauvorhaben zeitintensiv.

Was in den vergangenen Jahren immer wieder zum Thema wurde, ist das hohe Maß an Arbeitsbelastung für die Richterinnen und Richter. Wieso gibt es so viele Verfahren?

Wir verzeichnen beispielsweise einen erheblichen Anstieg an Jugendstrafverfahren. Deshalb haben wir eine weitere Jugendkammer eingerichtet. Bei Strafverfahren gegen die sexuelle Selbstbestimmung wird zudem eine weitere Kammer mit einbezogen. So wollen wir eine Struktur schaffen, um diesem Anstieg zu begegnen.

Warum nehmen die Verfahren in diesen Bereichen so erheblich zu?

Nehmen wir beispielsweise Verstöße im Betäubungsmittelbereich. Dabei handelt es sich um klassische Kontrolldelikte. Das bedeutet, nehmen die Kontrollen zu, nehmen auch die Fälle zu. Bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung steigt die Fallzahl, unter anderem auch deshalb, weil die öffentliche Aufmerksamkeit zunimmt. Es gibt in diesem Bereich eine gestiegene Sensibilität – also eine Entwicklung, die gut ist. In den Zivilverfahren haben wir am Gericht im Moment noch keine erheblich zurückgehenden Zahlen. Aber ein allgemein rückläufiger Trend ist bemerkbar, dafür werden aber auch die Fälle sehr viel komplexer. Und wir haben seit einigen Jahren die Tendenz zu Massenverfahren. Riesige Verfahrenskomplexe, bei denen sich uns die Frage stellt, wie wir den Umfang mit unseren Mitteln bewältigen können. Das fing beispielsweise mit dem Dieselkomplex an und mündet heute in Verfahren um das „Abfischen“ von Daten in sozialen Netzwerken oder um Fluggastrechte. Dabei wird auf Seiten der Kläger und Beklagten mit KI gearbeitet, während wir dem mit den Werkzeugen begegnen müssen, die uns dafür nach dem Gesetz an die Hand gegeben werden. Aber die Justizminister und die Oberlandesgerichte sind bereits im Austausch darüber, in wie weit wir uns solcher Hilfsmittel bedienen können, ohne den Grundsatz zu verletzen: Richter sprechen Recht und nicht die KI.

Wir erleben zunehmend, dass es eine Respektlosigkeit gegen Amtspersonen gibt, ob gegen die Polizei oder gegen Rettungskräfte. Auch vor Gericht?

Ich erlebe es in der Regel immer noch so, dass dem Gericht gegenüber Respekt erbracht wird. Darüber bin ich sehr froh. Dennoch kommt es vor allem in einigen Strafverfahren dazu, dass es an Respekt mangelt. Daraus resultieren hohe Anforderungen an die Richterinnen und Richter. Denn wenn man sich herausfordern lässt, wird man schnell als befangen abgelehnt und der Prozess kann platzen.

Welche Ziele setzen Sie sich als Präsidentin des Kölner Landgerichtes?

Das eine ist der bereits angesprochen Umzug ins Interim und der geplante Neubau des Justizgebäudes. Der Geschäftsbetrieb muss in dieser Zeit natürlich weitgehend störungsfrei weiter laufen. Das zweite ist die Einführung der elektronischen Akte, die zum 1. Januar 2026 für Strafverfahren erfolgt sein muss. In Zivilverfahren haben wir sie bereits eingeführt, und das durchaus erfolgreich. Die Akzeptanz ist – wenn die Technik läuft – annähernd zu 100 Prozent gegeben. Ein drittes, was mir besonders wichtig ist: In diesen Zeiten, in denen staatliche Autoritäten nicht mehr selbstverständlich anerkannt werden, sind wir mehr und mehr dazu aufgefordert, unsere Arbeit zu erklären. Ich möchte unser Gericht unter anderem mit justiznahen Veranstaltungen oder beispielsweise Ausstellungen und Lesungen für die Kölnerinnen und Kölner und für alle Interessierten öffnen. Damit die Menschen erfahren können, wie wir arbeiten.