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KVB in KölnBeim Schwarzfahren steht eine entscheidende Änderung an

Lesezeit 5 Minuten
Ein Kontrolleur der KVB steht in der Bahn.

Bei der Bestrafung von Schwarzfahrern bahnt sich eine Änderung an.

Über 1000 Menschen sitzen deshalb in deutschen Gefängnissen. Und die Kölner Verkehrs-Betriebe wollen daran festhalten, Schwarzfahren zur Anzeige zu bringen. Doch nun gibt es eine Initiative im Kölner Stadtrat.

Düsseldorf hat es vorgemacht. Das mag nicht unbedingt ein Argument dafür sein, aber die Kölner Ratsmitglieder können sich notfalls darauf berufen, dass mittlerweile bundesweit über das Schwarzfahren diskutiert wird. In der Landeshauptstadt ist man indes schon zur Tat geschritten. Der dortige Rat hat die Rheinbahn - das Düsseldorfer Pendant zur KVB - letztlich angewiesen, Schwarzfahren nicht mehr mit einer Anzeige zu verfolgen. Ja, angewiesen, denn wie die KVB so ist auch die Rheinbahn nicht davon überzeugt, dass ein Absehen von einer Anzeige dem Bekämpfen des Fahrens ohne Tickets zuträglich ist. Darum hatte der Rheinbahn-Vorstand einen ersten Ratsbeschluss dazu nicht umgesetzt, dann aber doch eingelenkt.

Düsseldorf hat es vorgemacht

Was Düsseldorf teuer, das sollte Köln billig sein: „Wir arbeiten gerade an einem entsprechenden Antrag für den Stadtrat“, sagt Christian Beese, verkehrspolitischer Sprecher der FDP im Kölner Stadtrat. Und er hofft, damit ein breites Echo der Zustimmung zu finden. Erste Gespräche im Vorfeld unter einigen Ratsfraktionen hat es schon gegeben.

Zum 30. Juni 2022 saßen nach einer Recherche der Liberalen rund 4400 Menschen in deutschen Gefängnissen, weil sie eine gegen sie verhängte Geldstrafe nicht bezahlen können. Die FDP beruft sich unter anderem auf das Institut für Kriminologie in Köln, wonach jeder vierte dieser Fälle auf Fahren ohne gültigen Fahrschein zurückgeht. Dabei wird diesem Delikt nur dann strafrechtlich nachgegangen, wenn es angezeigt wurde. Für Beese ein unverhältnismäßiges Vorgehen.

Haftstrafe ist teuer

„Die Betroffenen befinden sich oft nur sehr kurze Zeit in Haft. Diese Zeit ist weder ausreichend, um ihnen dort benötigte Hilfen zukommen zu lassen, noch sind Justizvollzugsanstalten in erster Linie darauf ausgerichtet, die diesem Fehlverhalten zugrunde liegenden sozialen und gesundheitlichen Probleme nachhaltig zu lösen“, sagt Beese. Schlimmer sei noch, wenn die Menschen sich vielleicht schon in Behandlung befinden und diese wegen der Gefängnisstrafe unterbrechen müssten. Was zumeist bei Drogenabhängigen vorkommt. Ganz abgesehen davon, dass die Verfolgung und der Vollzug Kräfte binde, die nach der Überzeugung des Liberalen besser genutzt werden könnten. Und dann sind da noch die Kosten: „Verpflegung, Kleidung und Unterbringung eines Häftlings kosten das Land Nordrhein-Westfalen rund 190 Euro am Tag“, sagt Beese.

Doch wird dadurch nicht das Kaufen eines Fahrscheins zur Beliebigkeit, wenn bei Unterlassen keine Strafe droht? „Die Betroffenen schulden weiterhin den Kölner Verkehrs-Betrieben das sogenannte erhöhte Beförderungsentgeld. Es bleibt dem Betrieb unbenommen, die Zahlung mit zivilrechtlichen Mitteln durchzusetzen“, argumentiert der FDP-Ratsherr. Wer als Schwarzfahrer erwischt wird, muss 60 Euro bezahlen.

Breite Mehrheit für Antrag

Bei den Grünen rennt Christian Beese mit seinen Argumenten eine offene Stadtbahntür ein. „Wir haben einen Parteitagsbeschluss dazu gefasst, dass Schwarzfahren nicht mehr zur Anzeige gebracht werden soll“, sagt Lars Wahlen, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen. Die Argumente der FDP kann er vollumfänglich unterstreichen. Zumeist seien Menschen betroffen, die sich den Fahrschein schlichtweg nicht leisten könnten. Die Gefängnisstrafe stehe dazu einfach nicht im Verhältnis. Wahlen sagt weiter: „Wir schauen gerade nach einer Mehrheit für einen entsprechenden Ratsbeschluss.“

„Auch wir finden das richtig“, sagt Lukas Lorenz, der für die SPD im Verkehrsausschuss das Wort führt, zu dem Vorstoß der FDP. Eine Gefängnisstrafe führe nicht dazu, dass weniger schwarzgefahren werde. Zustimmung auch bei Volt. „Das ist sehr begrüßenswert, auch uns ist das ein Dorn im Auge“, so Max Pargmann.

Ist Schwarzfahren Volkssport?

Also Einigkeit auf breiter Front? Nicht ganz. Die CDU schüttet Essig in den Wein. Schwarzfahren, ein Minderheitsdelikt, zumeist begangen von finanziell Benachteiligten? „Ich war kürzlich bei einer Schwerpunktkontrolle in Kalk dabei“, sagt Teresa De Bellis, verkehrspolitische Sprecherin der CDU. Bei diesen sogenannten Schwerpunktkontrollen, führen die Kontrolleure der KVB direkt zusammen mit der Polizei großangelegte Fahrscheinkontrollen in Bahnen und an Bahnsteigen durch. Die Polizei nimmt dabei direkt die Personalien für eine Anzeige auf. „Der Zeitraum, in dem ich dabei war, lag zwischen 9 und 13 Uhr“, so De Bellis weiter. In dieser Zeit seien rund 1400 Fahrgäste kontrolliert worden. Darunter hätten sich nahezu 200 ohne gültigen Fahrschein befunden. „Manche haben, nachdem sie erwischt wurden, direkt das Geld gezückt. Da habe ich mich gefragt, warum haben die sich nicht gleich ein Ticket gekauft. Mir scheint, Schwarzfahren ist auch ein bisschen Volkssport“, gibt die Christdemokratin zu bedenken.

Würde die Anzeige als Androhung wegfallen, würde sich die Quote der Schwarzfahrer sicherlich noch weiter nach oben verschieben, ist sich De Bellis sicher. Auch sei der Verzicht auf eine Anzeige das falsche Signal an die Ehrlichen, die, die bezahlen.

KVB will an Anzeige festhalten

Argumente, die wiederum bei der KVB ein positives Echo finden. Ein Sprecher des Betriebs sagt: „Wir bleiben derzeit bei unserer langjährigen Praxis im Umgang mit Fahrgästen, die ohne gültigen Fahrschein unterwegs sind. Wer dreimal innerhalb eines Jahres oder vier Mal innerhalb von zwei Jahren auffällt, gegen den wird Anzeige erstattet. Dabei darf der letzte Vorgang allerdings nicht länger als drei Monate zurückliegen. Das heißt, wir gehen mit diesem Thema durchaus sensibel um.“ Die KVB erbringe mit ihrem Bus- und Bahnbetrieb eine Leistung, für die die Fahrgäste bezahlen müssen. „Eine Anzeige bietet uns die Möglichkeit, das erhöhte Beförderungsentgelt (EBE) einzuklagen, wenn Fahrgäste dieses wiederholt nicht zahlen. Gäbe es diese Möglichkeit nicht, hätte das erhebliche Einnahmeverluste zur Folge. Und der „Abschreckungseffekt“, den eine drohende Anzeige hat, wäre nicht mehr vorhanden. Schließlich geht es auch um die Akzeptanz der großen Mehrheit der zahlenden Fahrgäste“, sagt der Sprecher