KVB-Chefin im Interview zum 9-Euro-Ticket„Nachfolgeticket muss bezahlbar sein“
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Köln – Am Donnerstag ist es vorbei: Das 9-Euro-Ticket läuft zum September aus. Was hat es in Köln gebracht? Hat es der KVB geholfen oder eher geschadet? Das fragte Ingo Schmitz die Vorstandsvorsitzenden der KVB, Stefanie Haaks
Wie viele 9-Euro-Tickets hat die KVB letztlich verkauft?
Wir haben in den Monaten Juni bis August insgesamt knapp 850.000 Tickets zum Preis von 9 Euro verkauft. Hinzu kommen die etwa 300.000 Stammkunden, deren Tickets in diesem Zeitraum monatlich auch nur mit neun Euro berechnet wurden.
Dabei ist auffällig, dass sich bei den frei verkauften Tickets in den einzelnen Monaten nur geringe Unterschiede ergeben haben: Der Juni machte gut 35 Prozent der 850.000 Tickets aus, der Juli 33 Prozent und der August 32 Prozent. Das ist interessant, denn bei der anfänglichen medialen Präsenz des 9-Euro-Tickets und mit den langen Wochenenden am Anfang des Aktionszeitraumes, hätte man eine schwächere Abnahme in den Folgemonaten vermuten können. Im Juli und August waren viele Kölner ja auch im Urlaub.
Das zeigt die große Relevanz der KVB für Köln. In unserem Verkehrsgebiet wohnen ungefähr 1,1 Millionen Menschen.
Interessant ist auch, dass die Kundencenter und privaten Verkaufsstellen sowie die Automaten eine große Rolle spielen. Hier wurden gut 60 Prozent der 850.000 Tickets verkauft. Es zeigt sich also, dass die nichtdigitalen Vertriebswege nach wie vor für eine große Kundengruppe entscheidend sind. In den Kundencentern hatten wir teils Personen mit Sprachbarrieren oder auch ältere Menschen, aber auch solche, die sich einfach noch unsicher waren. Und wir hatten auch einige Kunden, die ein 9-Euro-Ticket zum Verschenken gekauft haben.
Was sich aber auch zeigte: Am Anfang dominierte der Verkauf über die Kundencenter und Vertriebsstellen klar, mit der Zeit haben die Kunden dann auch stärker an den Automaten gekauft. Das zeigt, dass die Kunden im System sichererer wurden.
Bundesweite Erhebungen besagen, das Ticket sei weitestgehend für „Freizeitverkehr“ eingesetzt worden. Deckt sich das mit Ihren Erkenntnissen?
Auch wir haben festgestellt, dass es bei uns, im innerstädtischen Verkehr, keine wesentliche Fahrgastzunahme gegeben hat. Nur punktuell waren einige Linien stärker belastet. Zugleich kam es aber zu einem deutlichen Zulauf, bis hin zur Überfüllung, auf längeren Verbindungen im regionalen und überregionalen Schienenverkehr. Insbesondere zu Beginn der Angebotsphase fanden viele Fahrten im Freizeitverkehr statt. Das haben wir im Juni auch auf den Linien 16 und 18 zwischen Köln und Bonn gespürt, weil es – z. B. mit Konzerten – mehr Angebote für die Freizeit gab und zugleich durch Baumaßnahmen Verbindungen im Eisenbahnverkehr ausgesetzt wurden.
Glauben Sie, Kunden der ermäßigten Tickets für ein Abo gewinnen zu können?
Der Preis alleine ist nicht ausschlaggebend. Das 9-Euro-Ticket hat vor allem Bestandskunden subventioniert und kann für diese auch als Dankeschön für ihre Treue interpretiert werden. Ob es wirklich im innerstädtischen Verkehr zu echten Neukundeneffekten gekommen ist, dazu werden wir die Auswertung der Marktforschung des VDV und auch unsere eigenen Erhebungen nutzen.
Alle Ergebnisse liegen voraussichtlich im Oktober vor. Eines ist aber aus meiner Sicht klar: Für einen Umsteigeeffekt auf Bus und Bahn sind neben der Einfachheit im Zugang insbesondere das Fahrplanangebot und die Qualität des ÖPNV die entscheidenden Einflussgrößen. Das heißt: Wenn es für meine Verbindung nicht das richtige Angebot gibt, werde ich auch nicht dauerhaft umsteigen. Wir haben ein gutes Angebot im Vergleich zu anderen Verkehrsgebieten, aber wir gehen trotzdem nicht davon aus, dass wir im Abo-Bereich relevant Kunden hinzugewonnen haben.
Fürchten Sie, Abonnenten könnten abspringen, wenn nun wieder der volle Preis für das Monatsticket fällig wird?
Nein, das glaube ich nicht. Die Stammkunden hatten ja bereits vor dem 9-Euro-Ticket eine höhere Zahlungsbereitschaft. Es sollte auch nicht übersehen werden, dass ein Großteil unserer rund 300.000 Stammkunden bereits mit den preiswerten und immer verbundweit gültigen Schüler-, Azubi-, Semester- und JobTickets unterwegs ist. Natürlich ist das 9-Euro-Ticket noch deutlich preiswerter. Der ausschließliche Preisvergleich mit unserem MonatsTicket, dem teuersten Abo-Ticket im VRS, beschreibt aber nicht die reale Situation.
Ziel der Politik war es, mit dem 9-Euro-Ticket den Kunden eine zeitweilige finanzielle Entlastung zu geben – ähnlich wie mit dem Tankstellenrabatt. Das heißt nicht, dass der öffentliche Nahverkehr auf einmal günstiger erbracht werden kann. Der öffentliche Haushalt hat die Differenz beglichen. Nun darf es niemanden überraschen, dass das eigentliche Tarifsystem noch gilt. Wir begrüßen aber ausdrücklich die politischen Ziele, den ÖPNV attraktiver zu gestalten und finanziell zu unterstützen. Daher sind wir sehr gespannt, zu welchem Ergebnis diese Diskussionen im politischen Raum führen werden.
Als Zwischenlösung haben wir, der Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen, eine Abo-Aktion gestartet, die bis zum Ende des Jahres läuft. An den Wochenenden gelten die Mitnahmemöglichkeiten der Abo-Tickets für ganz NRW, in den Herbstferien sogar an allen Tagen. Abo-Kunden können somit ohne Mehrkosten Erwachsene, Kinder und Fahrräder dann auf allen Wegen im Nahverkehr in NRW mitnehmen.
Wenn sie Für und Wider abwägen, wie bewerten sie dann das 9-Euro-Ticket?
Das 9-Euro-Ticket wurde von den Kunden gut angenommen. Es ist ein sehr einfaches Angebot, was sicherlich ein deutlicher Pluspunkt ist. Kritisch finde ich die überaus starke Subventionierung, die meines Erachtens das falsche Signal setzt. Die Leistung des ÖPNV kann nicht zum Quasi-Nulltarif zu haben sein, und am Ende gleicht der Steuerzahler die Differenz aus. Dabei brauchen wir gerade jetzt Finanzmittel für den Ausbau unserer Angebote, um unsere Kunden vor allem mit einem attraktiven Angebot zu überzeugen.
Darüber hinaus bin ich auf die Ergebnisse der umfangreichen Marktforschung unseres Branchenverbandes VDV und unserer eigenen Erhebungen sehr gespannt. Diese müssen aber zunächst vollständig ausgewertet werden.
Es liegt nicht in Ihrer Hand, aber wenn es ein Anschluss-Ticket geben würde, wie müsst es aus Ihrer Sicht aussehen?
Ein Nachfolgeticket muss einfach und bezahlbar sein für alle Beteiligten. Hierzu bestehen derzeit zahlreiche Diskussionen auf der politischen Ebene, die sich alle in einem Rahmen von 29 bis 69 Euro pro Monat – je nach Nutzungsraum – bewegen. Aufgrund der notwendigen gesetzlichen Anpassungen wäre das eventuell keine zeitnahe Lösung. Trotzdem kann ein solches Angebot sicherlich umgesetzt werden. Wir müssen an dieser Stelle aber darauf hinweisen, dass das 9-Euro-Ticket in den Monaten Juni bis August nur bei uns bereits ein Minus von über 40 Millionen Euro gegenüber der bisherigen Planung ausgemacht hat. Der Betrag wird dankenswerter Weise durch den bestehenden Rettungsschirm ausgeglichen, aber unser Konzern und unsere Stadt kann sich eine solche Subvention dauerhaft nicht leisten. Da bedarf es anderer Finanzierungsmodelle. Ich bin mir gar nicht so sicher, ob die Lösung unbedingt in einem bundesweit einsetzbaren Dauerticket liegt. Ich glaube, wir müssen für die Bürger und Bürgerinnen vor Ort eine leichte und flexible zu einem attraktiven Preis anbieten.
Meine Idee seit über zwei Jahren ist ein sogenanntes 100- oder 120-TagesTicket-Angebot im Jahresabo, ggf. ausschließlich als JobTicket, aber da liegt die Expertise und Zuständigkeit bei unserem Verbund.
Die KVB soll das Rückgrat der Verkehrswende sein. Der Betrieb steht damit vor einer großen finanziellen Aufgabe. Wo immer am Ende das Geld für ein rabattiertes Ticket herkommt, sollte es nicht besser in die Infrastruktur für die Verkehrsbetriebe fließen?
Absolut. Das Angebot, die Anschlusszuverlässigkeit und damit die Qualität des ÖPNV sind entscheidend für die Kunden. Über 20 Prozent der durch den VDV in Metropolen Befragten gaben an (so ein erstes Ergebnis), das 9-Euro-Ticket nicht gekauft zu haben, weil die Fahrzeuge zu voll sind oder es zu viele Störungen gibt.
Auch wenn dies eventuell vorrangig auf den Regionalverkehr bezogen war, sind wir der Meinung, dass zuerst das Angebot und die Kapazitäten ausgebaut werden müssen. Deshalb arbeiten wir, zusammen mit der Stadt Köln, am Ausbau unseres Liniennetzes. Nur mit diesem sind dichtere Takte und neue Verbindungen möglich. Deshalb beschaffen wir neue Fahrzeuge und unterhalten unsere Infrastruktur, was für die Qualität des ÖPNV sehr wichtig ist. Hierfür darf das Geld auf keinen Fall reduziert werden, um z. B. rabattierte Tickets anbieten zu können. Dann wäre die Verkehrswende nicht im gewünschten Maße möglich.