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Letzter Tag in BerlinZwei Kölner nehmen Abschied vom Bundestag

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Handwerker bauen den Plenarsaal im Deutschen Bundestag für die konstituierende Sitzung des 21. Deutschen Bundestag und die neue Legislaturperiode um.

Handwerker bauen den Plenarsaal im Deutschen Bundestag für die konstituierende Sitzung des 21. Deutschen Bundestag und die neue Legislaturperiode um. Die Sitzverteilung im neuen Bundestag wird nach den Beratungen im Ältestenrat neu aufgebaut. 

Wenn an diesem Dienstag der neu gewählte Bundestag erstmals zusammentritt, sind die bisherigen Abgeordneten nicht mehr im Amt: Für zwei Kölner das Ende einer Ära.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Reinhard Houben und der Sozialfachmann Matthias W. Birkwald, die ihre Wahlkreise in der Stadt haben, sind keine Parlamentarier mehr.

Der Liberale Reinhard Houben hatte sich darauf eingestellt. Seit 2017 saß er im Bundestag, zuvor hatte er sich jahrelang ehrenamtlich im Stadtrat engagiert. Dass die Ampel-Koalition früher als geplant zu Ende gegangen ist, wühlt ihn nach wie vor auf. „Ich habe intern immer betont, dass wir darauf achten müssen, wie es ankommt, wenn man früher aussteigt“, erklärte Houben gegenüber der Rundschau: „Ich bin ja Kaufmann und als solcher davon überzeugt, dass man einen Vertrag, den man unterschrieben hat, auch einhält.“

Houben kritisiert Union

Dass Christian Lindner „die Reißleine gezogen“ habe, findet Reinhard Houben richtig: „Aber man hätte in den Wochen vorher die Debatte anders führen müssen. Die Ampel-Koalition ist an 15 Milliarden Euro gescheitert, jetzt gibt die Union 500 Milliarden Euro aus ohne mit der Wimper zu zucken und verkauft das auch noch als seriöse Wirtschaftspolitik.“

Der leidenschaftliche Politiker will nun in den Ruhestand gehen. Er freut sich, dass es ihm und seiner Fraktion gelungen sei, einige FDP-Themen umzusetzen. Als Beispiel nennt er die Handelsverträge Ceta und Mercosur. Gerne hätte er noch daran mitgewirkt, auch mit Indien und Indonesien solche Abkommen abzuschließen: „Wir leben ja vom Export. Durch die Veränderung der gesamtpolitischen Lage hat das nochmals eine neue Bedeutung bekommen.“

Außerdem sei er stolz, so Houben, dass es „der so oft gescholtenen Ampel-Koalition“ gelungen sei, die Krise nach dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine zu bewältigen: „Heute verdrängt man gern, dass die Gefahr bestand, dass wir mangels Energie im Winter im Kalten sitzen und die Industrie ihre Produktion einstellen muss.“

FDP-Politiker will studieren

Im Ruhestand will sich Houben ehrenamtlich als Senior-Experte einbringen und an der Kölner Universität Geschichte studieren. „Aber ich will nicht passiver Gasthörer sein, sondern auch einen Bachelorabschluss machen“, erzählte Houben: „Ich finde es schade, dass das offenbar schwierig ist: Man muss begründen, warum man das unbedingt braucht. Das werde ich aber versuchen.“

Reinhard Houben (FDP)

Mitglied der FDP bleibt er, obwohl er mit seiner Partei zuweilen hadert. „Ich habe meine politischen Mandate im Stadtrat und im Bundestag immer unter der Marke FDP errungen“, meint Reinhard Houben: „Für mich ist es eine Frage des politischen Anstands, dass man auch in schlechten Zeiten in der Partei dabeibleibt. Es gibt halt nur eine liberale Partei in Deutschland, und das ist die FDP – mit all ihren Stärken und manchmal leider auch Schwächen.“

Matthias W. Birkwald von den Linken nutzte unterdessen den Montag, um sein Büro im Bundestag in Berlin auszuräumen: Eine spezielle Espressomaschine aus den 1990er Jahren, einige persönliche Dinge aus seinem Schreibtisch und mehrere Bilder nimmt er mit nach Köln.

Birkwald empfindet Wehmut

Für ihn geht es nun ums „Loslassen“, erklärt Birkwald: „Ich verlasse den Bundestag auch mit ein bisschen Wehmut. Aber ich hatte mich lange darauf vorbereitet, mich nun ins Privatleben zurückzuziehen und deshalb bewusst nicht wieder kandidiert. Den Freundeskreis, der übrig geblieben ist, muss ich auch endlich mal wieder pflegen.“ 15 Jahre war Birkwald Abgeordneter für Köln, zuvor hatte er bereits 15 Jahre lang im Bundestag in Bonn für eine Abgeordnete gearbeitet.

Bundesweit ist Matthias W. Birkwald vor allem für seine Expertise in Sachen Rente bekannt geworden, als Fachmann über Fraktionsgrenzen geschätzt. Von 2014 bis zum Schluss war er einer der parlamentarischen Geschäftsführer seiner Fraktion und später der Gruppe. Zeitweise war er der Abgeordnete mit den meisten Zwischenrufen im Parlament.

Matthias W. Birkwald (Linke)

Dass die Bundestagswahl vorgezogen wurde, hat Birkwald „sehr sauer“ gemacht. Zum einen, weil der ursprüngliche Wahltermin im Herbst der Tag seines 64. Geburtstags war. Zum anderen sorgt sich Birkwald um die Mitarbeiter seines Büros und der Bundestagsgruppe. „Vor allem viele Ältere hatten sich darauf eingerichtet, mit Überbrückungsgeld bis zur Rente versorgt zu sein“, erklärt Birkwald: „Jetzt müssen einige von ihnen Bürgergeld beantragen.“ Mitglied bei „Die Linke“ will Birkwald im Ruhestand bleiben: „Ich habe mit viel Bauchgrummeln schwierige Zeiten mit meiner Partei durchgestanden“, sagt er: „Bis auf weiteres bleibe ich dabei und beobachte die weiteren Entwicklungen.“