Ampel-Aus, D-Day-Papier, maue Umfragewerte: Die Liberalen stehen unter Druck. Gelingt der Neustart bis zur Bundestagswahl? Fragen an den Kölner FDP-Abgeordneten Reinhard Houben.
Kölner AbgeordneterSetzt die FDP ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel, Herr Houben?
Herr Houben, Sie selbst haben ja entschieden, Ihre Laufbahn als Abgeordneter zu beenden. Heute wählt die Kölner FDP ihre Kandidaten für die Bundestagswahl 2025. Aber wie groß sind die Chancen, dass es im kommenden Bundestag überhaupt eine FDP-Fraktion geben wird?
Ich bin optimistisch, dass die FDP mit dem Spitzenkandidaten Christian Lindner einen erfolgreichen Wahlkampf führen wird. Und dieser Wahlkampf wird uns auch in den Deutschen Bundestag führen. Ob die Ergebnisse so sein werden wie vor vier und acht Jahren, das weiß ich nicht. Aber ich bin mir sicher, dass es genug Menschen in Deutschland gibt, die der Meinung sind, dass es eine Partei im Parlament braucht, die für eine vernünftige Wirtschafts- und Finanzpolitik steht.
Ihr Parteifreund Gerhart Baum sieht das nicht so gelassen. Er hat gesagt, die FDP sei auf dem Weg zur Selbstzerstörung. Mit den Vorgängen rund ums D-Day-Papier habe sie ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt.
Mich wundert das sehr. Gerhart Rudolf Baum ist noch länger Parteimitglied als ich, und bei mir sind es schon 41 Jahre. Und in dieser Zeit haben wir schon viele schwierige Situationen erlebt. Ich bin auch nicht bei Baum, wenn er meint, die FDP habe sich thematisch zu sehr verengt. Wir sind politisch ein Komplettanbieter. Das hat auch die Arbeit der Bundestagsfraktion in den letzten dreieinhalb Jahren gezeigt.
Direkt nach dem Ende der Koalition hat Christian Lindner dem Bundeskanzler vorgehalten, er habe das kalkuliert herbeigeführt. Ein paar Tage später wird das D-Day-Papier publik. Fragt Baum da nicht zu Recht nach der Glaubwürdigkeit?
Alle drei Fraktionen haben unterschiedliche Szenarien durchdacht. SPD und Grüne haben sich schon im Sommer getroffen und darüber philosophiert, ob sie denn die Koalition weiter vorantreiben wollen oder nicht. Daher weiß ich nicht, warum es schlimm ist, wenn die FDP Szenarien durchspielt. Ich verstehe die moralische Empörung nicht. Auch wenn die Wortwahl in diesem Papier, von dem wir nun wissen, woher es kommt, ganz gewiss nicht meine Unterstützung findet.
Ich stelle mir die Situation eines Wählers vor, der eigentlich der FDP nahesteht. Der sieht: Eine Regierung mit FDP-Beteiligung ist gerade geplatzt. Sieben Jahre zuvor wollte die FDP lieber nicht regieren als falsch regieren. Ältere Semester erinnern sich noch an eine schwarz-gelbe Regierung unter Angela Merkel und an den damaligen FDP-Chef, der vom Kochen eines Froschs sprach. Da könnte sich der Wähler doch fragen: Geht das überhaupt, eine Regierung mit der FDP, oder wähle ich nicht besser die nächsterreichbare Alternative, vielleicht die Union?
Aber ich bitte Sie. Christian Lindner hat ja gesagt, er tritt wieder an und er möchte wieder Finanzminister werden. Ich meine, deutlicher kann man ja nicht zum Ausdruck bringen, dass man wieder in eine Regierung eintreten möchte.
Die Umfragen sehen aber nicht danach aus, dass so etwas rechnerisch möglich sein wird.
Erfahrungsgemäß starten oder wirken Wahlkampagnen erst nach ein paar Wochen. Wegen der Weihnachtspause geht meiner Meinung nach der Wahlkampf am 6. Januar richtig los. Ab Dreikönig müssen wir durchstarten. Und ich bin sehr optimistisch, dass das auch gelingt.
Wenn ich Sie also frage, wo der Neustart der FDP bleibt, dann ist das einfach zu früh?
Der Neustart der FDP ist dadurch entstanden, dass wir eine klare Positionierungsabfrage in der Koalition durchgeführt haben. Wir mussten dann feststellen, dass Sozialdemokraten und Grüne nicht bereit waren und offensichtlich auch nicht bereit sind, die ökonomischen Probleme in Deutschland zur Kenntnis zu nehmen und sich Gedanken darüber zu machen, wie wir sie lösen können. Das war doch im Grunde der Neustart. Resultat war, dass Olaf Scholz Christian Lindner entlassen hat. Die Neuaufstellung der FDP hat doch stattgefunden. Durch das Wirtschaftspapier von Christian Lindner. Und auf Basis dieser Aussage starten wir jetzt einen Wahlkampf.
Dazu gehörte wesentlich der Umgang mit der Schuldenbremse. Warum ist Ihnen das so wichtig? Wir erleben den größten europäischen Krieg seit 1945. Der Generalinspekteur der Bundeswehr warnt, in absehbarer Zeit könne Russland in der Lage sein, Nato-Territorium anzugreifen. Russland wirft ökonomisch alles in die Waagschale, was es hat. Ist das nicht die größte denkbare Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, also wirklich ein Anlass zum Aussetzen der Schuldenbremse?
Dann schauen Sie doch bitte einmal darauf, was in Frankreich los ist. Dort hat man sich nicht drum gekümmert, solide Finanzen im öffentlichen Haushalt zu haben. Ist Frankreich jetzt besser bereit, eine Krisensituation zu meistern? Nein, Deutschland ist besser vorbereitet, weil wir eine seriöse Haushalts- und Finanzpolitik gemacht haben. Und wir haben ja, Stichwort Zeitenwende, einem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro zugestimmt, aber das grundgesetzlich abgesichert, so dass es wirklich nur für Verteidigungsausgaben genutzt wird. Und was unsere bisherigen Koalitionspartner und interessanterweise ja auch die CDU/CSU im Moment wollen, ist: Erst mal die Schuldenbremse auflösen und dann mal gucken, wofür das Geld fließt. Verteidigung, Senkung der Strompreise, soziale Projekte? Jeder sucht sich was aus. Deswegen geht Ihre Frage etwas an der Realität vorbei. Es ist ja nicht so, dass Olaf Scholz gesagt hat, liebe Union, liebe FDP, wir brauchen noch einmal 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr und würden gerne noch einmal so einen Beschluss erreichen. Das wäre ja ein ganz anderer Ansatz.
Würden Sie sich darauf einlassen? Auf ein neues Sondervermögen?
Das weiß ich nicht. So einen Vorschlag hat es ja nicht gegeben.
Sie haben aber eben angedeutet, das könnte ein Ansatz sein.
Es ist nur wichtig, dann auch ganz konkret an Themen zu arbeiten. Und im Moment ist es so, dass jeder, der die Schuldenbremse reformieren, auf gut Deutsch also aufweichen will, jeweils andere Ideen hat, wofür dann das Geld verwendet werden soll. Und auf das dünne Eis sollte man sich nicht begeben. Hätten wir den Bundeshaushalt so beschlossen, wie er aus dem Kabinett gekommen ist, hätten wir eine Investitionssumme gehabt wie noch nie in einem Bundeshaushalt. Übrigens machen wir trotz der Schuldenbremse 55 Milliarden Euro Schulden. Und dem haben wir zugestimmt.
Nun haben Sie gerade angedeutet, dass Sie auch bei der CDU Absetzbewegungen in Sachen Schuldenbremse sehen. Also nochmal, selbst wenn die Mehrheitsverhältnisse es hergeben, glauben Sie, dass Ihre Parteifreunde im Bundestag überhaupt einen Partner finden, mit dem sie ihre Vorstellungen in einer Regierung umsetzen könnten?
Wir lassen uns doch nicht als FDP aus dieser Regierung rausschmeißen, weil wir auf der Schuldenbremse bestehen wollen, um dann in eine neue Regierung einzutreten und dann die Schuldenbremse zu schleifen. Das wäre ja nun politisch wirklich absoluter Irrsinn. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine FDP und eine FDP-Bundestagsfraktion einem Koalitionsvertrag, egal mit wem, zustimmt, in dem die Schuldenbremse geschleift wird.