Köln – Das Leben im roten Bereich ist selten ein Vergnügen. Rot verdeutlicht Gefahr, Überlastung und manchmal auch Ausnahmesituationen. Viele Bereiche der Stadt befinden sich derzeit im roten Bereich, vor allem die Randgebiete nahe der Stadtgrenze, Teile des Bezirks Chorweiler, Brück, Rath-Heumar, Libur und Langel im äußersten Süden gehören dazu.
Rot markiert sind diese Stadtteile im neuen Brandschutzbedarfsplan der Kölner Feuerwehr, es sind alleamt Gebiete, die sich von den Rettern nicht in der vorgesehenen Einsatzreaktionszeit von neuneinhalb Minuten nach Eingang eines Notrufs erreichen lässt. Nur durch den Neubau und die Verlegung von insgesamt fünf Feuerwachen lässt sich die prekäre Lage künftig beheben, so die Quintessenz des Berichts.
Der Stadtrat wird in seiner Sitzung am 10. November über den Modernisierungskatalog der Feuerwehr abstimmen. „Um für alle Menschen in Köln die bestmögliche Sicherheit gewährleisten zu können, haben wir ein optimiertes Standortkonzept entwickelt. Mit der Fortschreibung des Brandschutzbedarfsplans legen wir die strategische Ausrichtung der Feuerwehr Köln für die Zukunft fest“, wirbt Stadtdirektorin Andrea Blome für die Zustimmung der Politik und stellt klar: „Wir müssen jetzt die Weichen stellen, um auch weiterhin bestmöglich für die Sicherheit der Menschen in unserer Stadt sorgen zu können“.
Bei der Feuerwehr bündeln sich seit Jahren mehrere ungünstige Entwicklungen. Viele Wachen sind in die Jahre gekommen und genügen nicht mehr den aktuellen Anforderungen. „Sofortigen Handlungsbedarf“ weist der mehr als 200 Seiten starke Feuerwehr-Bericht für die Innenstadt-Wache in der Agrippastraße, für die Wachen 7 (Porz) und 8 (Ostheim) sowie für das Katastrophenschutzzentrum in Longerich aus. Für die Bauphase in der Innenstadt hat die Feuerwehr bereits ein Interim gefunden – die alte Kaufhof-Zentrale in der Leonard-Tietz-Straße. Diese soll dann zur Feuerwache umgebaut werden.
Ein weiteres Problem: der Personalmangel im Einsatzdienst, der sich zuletzt selbst durch eine aufwendige Imagekampagne nicht hatte beheben lassen. Derzeit sind 141 Stellen unbesetzt, die Situation droht sich durch eine große Pensionierungswelle in den kommenden Jahren zu verschärfen.
Neue Wache in Kreuzfeld und in Lövenich
Neue Feuerwachen sollen im Norden und Süden der Stadt entstehen. Im geplanten Stadtteil Kreuzfeld soll eine Wache gebaut werden, ebenso wird ein neuer Standort in Lövenich gesucht, denn die Wache in der Richard-Wagner-Straße gilt als „baufällig“. Die jahrelang favorisierte Zusammenlegung der Wachen Lindenthal und Lövenich an einem neuen Standort ist jedoch vom Tisch. Ebenso sollen Neubauten für die Wachen Porz und Ostheim beschlossen werden, im äußersten Süden ist zudem ein neuer Standort geplant, weil dort in den kommenden Jahren einige Neubaugebiete entstehen.
Dr. Christian Miller, Direktor der Kölner Berufsfeuerwehr
„Akuter Bedarf zu handeln“
Baufällige und zu kleine Feuerwachen. Personalnot. Zu lange Anfahrtswege. Muss man sich Sorgen um die Feuerwehr machen?
Nein, Sorgen muss sich niemand machen. Dennoch stehen wir vor enormen Herausforderungen. Im Personalbereich sind dies der Nachwuchsmangel, die demografische Entwicklung und die zunehmende Belastung durch steigende Einsatzzahlen. Die Stadt wächst, jetzt sind wir an einem Punkt, das Netz der Feuerwachen weiterzuentwickeln. Nun haben wir akuten Handlungsbedarf.
Kinder geben als Berufswunsch oft Polizei oder Feuerwehr an. Was muss passieren, damit das im Erwachsenenalter auch noch so ist?
Viele junge Menschen suchen nach Sinn und Perspektive. Da können wir als Feuerwehr denke ich gute Angebote machen. Bislang waren die Möglichkeiten der Feuerwehr, sich auf dem Nachwuchsmarkt zu präsentieren, limitiert.Das haben wir jetzt geändert und eine eigene Arbeitgebermarke entwickelt. Wir haben massiv in Kommunikation investiert und die Zugangswege zur Feuerwehr verändert. Für Schulabsolventinnen und -absolventen gibt es jetzt die sogenannte Stufenausbildung, um ohne Berufsausbildung bei der Feuerwehr einzusteigen.
In den 1970er Jahren ist die Kölner Feuerwehr mit Lautsprecherwagen durch die Stadt gefahren, um Eigenwerbung zu betreiben. So weit sind Sie noch nicht?
Nein, aber wir gehen gezielt in die Schulen, um die Kinder pädagogisch Feuerwehr erleben zu lassen. Unterstützt werden wir dabei von der Universität Köln. Und es gibt ein Schulprojekt für die achten und neunten Klassen, wo sich viele junge Menschen Gedanken über ihre Zukunft machen. Voriges Jahr haben wir ein Personalentwicklungskonzept auf den Weg gebracht.
Haben andere Feuerwehren in Deutschland ähnliche Probleme?
Ja, zunehmender Verkehr und Städtewachstum bringen in allen Ballungsgebieten ähnliche Herausforderungen mit sich. In Köln kommt ein großes Risikopotenzial hinzu, durch den Verkehrsknotenpunkt, den Rhein, den Chemiegürtel.
Nach neuneinhalb Minuten soll das erste Feuerwehrfahrzeug am Einsatzort eintreffen. Die Vorgabe macht das Land. Eine realistische Zeit?
Die Zeitvorgabe bemisst sich danach, wie lange ein Mensch in einer Brandwohnung überleben kann. Wir sprechen von der Reanimationsgrenze. Je schneller wir sind, desto größer die Überlebenschance der Menschen. Zuletzt haben wir einige Menschen aus akuter Lebensgefahr gerettet. Wir haben unseren Anspruch optimiert, die neuneinhalb Minuten geben uns gute Chancen, Leben zu retten.
Welche Rolle spielt der Verkehr?
Die Verkehrsdichte nimmt in der Stadt zu, Verkehrsraum wird knapper, auch Baustellen spielen eine Rolle. Deshalb sind wir in den vergangenen Jahren langsamer geworden. Wir reagieren jetzt im Einsatzleitsystem mit der Schnellsten-Fahrzeug-Strategie. Der Leitrechner kann in der letzten Ausbaustufe die Verkehrslage bei der Alarmierung berücksichtigen.
Welche Wachen werden als nächstes saniert oder gebaut?
Die Feuerwache 1 in der Innenstadt als zentraler Standort wird derzeit entwickelt. Die Feuerwachen 7 und 8 werden folgen, die Porzer Wache ist viel zu klein, die Containerwache in Ostheim muss ohnehin neu gebaut werden.
In Köln soll die Feuerwehr mit zehn Retterinnen oder Rettern spätestens neuneinhalb Minuten nach der Alarmierung am Unglücksort sein. Spätestens nach 14,5 Minuten sollen Einsatzleiter und sechs weitere Kräfte vor Ort sein. Nur der Führungsdienst konnte die Zeitvorgabe zuletzt weitestgehend einhalten.
Zum Teil führen die Verantwortlichen die Probleme auf technische Neuerungen zurück. Weil die neue Einsatzleitsoftware Ignis Plus noch nicht fehlerfrei funktionierte, mussten die Disponenten die Notrufe teils telefonisch oder per Funk an die Wachen weitergeben. Dies habe zu einem durchschnittlichen Zeitverlust von 25 Sekunden geführt.