Auch 2025 verzichtet die Stadt auf weitere Regulierungen für die E-Scooter-Anbieter. Ein Grund dafür ist eine Vision der Stadt.
E-Scooter in KölnWie die Stadt das Chaos auf den Straßen in den Griff kriegen will
Erst sollte eine Ausschreibung die tausenden E-Scooter auf den Kölner Straßen in geordnete Bahnen lenken, dann ein Interessenbekundungsverfahren. Beide Pläne sind mittlerweile verworfen, letzterer nun schon zum zweiten Mal. Über fünf Jahre sind seit der Zulassung der E-Scooter mittlerweile vergangenen. Und noch immer ist auf den Straßen kein stadtweites Konzept zu erkennen, wie die elektrischen Tretroller für alle verträglich in eine Großstadt wie Köln integriert werden können. Ein Rückblick auf die Entwicklung der vergangenen Jahre und ein Blick auf die Vision der Stadt.
Wie ist die aktuelle Situation?
Aktuell bieten vier Unternehmen ihre E-Scooter in Köln zum Verleih an. Gerade erst fusionierten die Anbieter Tier und Dott, Experten halten weitere Zusammenschlüsse, aber auch komplette Rückzüge für wahrscheinlich. Der Markt befindet sich nach einer starken Wachstumsphase unter einem hohen Konsolidierungsdruck, sagte der Rundschau zuletzt auch der Vorsitzende des Branchenverbands Plattform Shared Mobility, Martin Becker.
Für viele Kölnerinnen und Kölner sind die E-Scooter mittlerweile zu einem ernstzunehmenden Verkehrsmittel geworden, für ebenso viele sind sie weiterhin ein Dorn im Auge. Vor allem, weil Roller immer wieder Gehwege oder Hauseingänge blockieren, in Gewässern oder Gebüschen landen. Seitdem die Stadt in der Altstadt verpflichtende Abstellflächen eingerichtet hat, hat sich das Bild zumindest dort stark gebessert.
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Wie haben sich die Pläne der Stadt entwickelt?
Um das Leih-Angebot der E-Scooter zu regulieren, war lange Zeit eine Ausschreibung des E-Scooter-Angebots im Gespräch. Damit hätte die Verwaltung einen oder mehrere Anbieter auswählen können, die ihre E-Scooter nach den Bedingungen der Stadt anbieten würden. Im Frühjahr 2023 wich die Stadt von diesem Plan wieder ab. Das Ausschreibungs-Verfahren sei zu „umfangreich, personal- und zeitintensiv“, so die Begründung. Der neue Plan: ein Interessensbekundungsverfahren. Damit hätte die Stadt zumindest die Möglichkeit, eine Gesamtmenge an Fahrzeugen festzulegen. Möglich ist dabei auch, Mengen für einzelne Stadtbereiche festzulegen. Doch auch darauf verzichtet die Stadt nun bereits zum zweiten Mal.
Warum verzichtet die Stadt auf das Verfahren?
Nachdem die Stadt die Pläne für 2024 verworfen hatte, erfolgte nach dem ersten Halbjahr 2024 eine erneute Prüfung. Mit dem Ergebnis, dass die Stadt an dem bisherigen Vorgehen festhält. In einer Mitteilung an den Verkehrsausschuss nennt Verkehrsdezernent Ascan Egerer dafür zwei Gründe. Zum einen nähere sich die Zahl der zugelassenen E-Scooter der angestrebten Grenze von maximal 10.000 Fahrzeugen. Für 2024 sind 10.800 Roller zugelassen. Die Stadt hoffe, der Markt reguliere sich von alleine, sagte Martin Becker vom Branchenverband im Sommer. „Auf der anderen Seite dieser Denkweise steht aber das Fehlen einer Gesamtstrategie“, sagte er. Ein Teil einer solchen Gesamtstrategie könnte nun das im September vom Verkehrsausschuss beschlossene „Raumbuch Mobilstationen“ sein, das Egerer als zweiten Grund für den Verzicht auf ein Interessenbekundungsverfahren anführt.
Was ist das „Raumbuch Mobilstationen“?
Das „Raumbuch Mobilstationen“ ist ein Projekt des Amtes für nachhaltige Mobilitätsentwicklung. Die sogenannten Mobilstationen sollen Mobilitätsangebote räumlich verknüpfen und ein stadtverträgliches Verkehrsverhalten fördern. Alle Stadtbahn-, S-Bahn-Haltestellen und Bahnhöfe im Kölner Stadtgebiet sollen laut Raumbuch zu Mobilstationen aufgewertet werden. Teil der Stationen sind Abstellflächen für private Fahrräder und Lastenräder, aber auch für sogenannte Sharing-Angebote, unter die auch die Leihroller fallen. Dazu kommen Stationen in Quartieren und gesonderte Flächen nur für Shared Mobility und Fahrräder.
Wie soll das Endergebnis aussehen?
Aktuell arbeitet die Stadt in Bezug auf die Leih-E-Scooter mit einer Mischung aus festen Parkzonen und Freefloating-System. In der Altstadt können die Nutzer E-Scooter nur an festgelegten Stationen zurückgeben. Außerhalb der Innenstadt gilt das Freefloating-System, bei dem die Rückgabe überall erfolgen darf. Die Ausnahme sind Grünflächen oder Bereiche an Gewässern. Während Egerer in seiner Mitteilung von einem „angestrebten reinen stationsgebundenen System“ spricht, sieht das Raumbuch vom Grüngürtel stadtauswärts und abseits der Ausfallstraßen keinen Stationszwang vor. Ein Stationszwang könne laut Raumbuch ohnehin erst eingeführt werden, sobald das Netz der Mobilstationen ausreichend dicht ist.
Warum reduziert sich die Zahl der E-Scooter?
Im Sommer 2021 hatte die Zahl der E-Scooter in Köln mit etwa 17.500 ihren Höhepunkt erreicht. 2022 beantragten die Anbieter nur noch 14.500, 2023 nur noch 12.500. 2024 sind es laut Stadt 10.800. Dafür dürften vor allem die Sondernutzungsgebühren verantwortlich sein. Die Stadt erhebt standortabhängig zwischen 7,10 und 10,80 Euro pro Monat und Roller, das entspricht etwa 85 bis 130 Euro im Jahr. Seit der Einführung der Gebühren im Sommer 2022 gehen die Anbieter dagegen vor. Auch andere Städte verlangen Gebühren, allerdings deutlich geringere als Köln. Die Anbieter sprechen von einer „Abwehrregulierung“.
Wie wehren sich die Anbieter gegen die Gebühren?
Sie wählten den Rechtsweg. Im vergangenen Jahr hatte das Oberverwaltungsgericht eine pauschale Festsetzung einer Jahresgebühr für rechtswidrig erklärt. Diese mussten Unternehmen vorher beispielsweise auch für Roller zahlen, die nur für fünf Monate unterwegs waren. Seitdem erhebt die Stadt Köln eine monatliche Gebühr. Aktuell läuft beim Oberverwaltungsgericht in Münster eine Normenkontrollklage der E-Scooter-Anbieter gegen die Gebührenhöhe der Stadt. Die Anbieter fordern die gleiche Gebührenhöhe, die für Leih-Fahrräder gilt, also zehn Euro pro Jahr.
„Raumbuch Mobilstationen“
9,2 Millionen Euro könnte die Einrichtung des geplanten Mobilstationsnetzes laut einer Kalkulation im „Raumbuch Mobilstationen“ maximal kosten. Nicht unerhebliche Teile der Kosten seien förderfähig, heißt es. Zur Finanzierung sollen unter anderem aber auch die Sondernutzungsgebühren der Sharing-Angebote beitragen.
1220 Mobilstationen soll das Netz etwa beinhalten: 50 in der City, circa 600 in der inneren Kernstadt, etwa 360 in der äußeren Kernstadt und rund 205 im Außenbereich. Unterschieden wird zwischen drei verschiedenen Mobilstations-Typen: Stationen an Haltestellen, Stationen in Quartieren und gesonderte Flächen für Shared Mobility und private Fahrräder. An insgesamt 100 Standorten sieht das Konzept Fahrradsammelgaragen vor.
26 Mobilstation gibt es laut Stadt bereits in Köln, die der Definition im Raumbuch entsprechen. Im Altstadt-Bereich gibt es eine Vielzahl von Shared-Mobility-Fläche, die aber formal noch nicht dem Standard des Raumbuchs entsprechen. Dort gibt es vor allem Stellplätze für E-Scooter, teilweise fehlen aber Plätze für Bikesharing und Lastenräder.
Realisierung im Zeithorizont 2030+
Im Raumbuch ist von der „Realisierung aller Mobilstationen im Zeithorizont 2030+“ die Rede. Ob tatsächlich alle Mobilstationen bis 2030 fertiggestellt werden, hänge von vielen Faktoren ab, unter anderem von Entscheidungen der Politik. Die Stadt teilt mit: „Die Verwaltung erarbeitet gemeinsam unter Federführung den Stadtwerken und der KVB ein Umsetzungs-, Finanzierungs- und Betriebskonzept für das angestrebte Mobilstationsnetz und wird dieses nach Fertigstellung den politischen Gremien zur Beschlussfassung vorlegen.“ Losgelöst davon arbeite die Verwaltung parallel an der Planung und Umsetzung weiterer Mobilstationen gemäß Raumbuch .
Das Raumbuch verfolgt neben der besseren Verknüpfung zwischen den Verkehrsmitteln eine Vielzahl an Zielen: Mehr Teilhabe von Menschen ohne Pkw, Lücken schließen im ÖPNV-Netz, überlastete Netzabschnitte entlasten, aber auch die Ordnung der sogenannten Feinmobilität, also Verkehrsmitteln, die kleiner als Pkw sind. Das Netz aus Abstellflächen sorge dafür, „dass E-Scooter und andere Sharing-Fahrzeuge dort an Stationen gebündelt werden und nicht im Weg stehen oder liegen“.
Das Mobilstationsnetz ist Teil der Kölner Stadtstrategie „Kölner Perspektiven 2030+“