Um ein paar Sekunden zu gewinnen, steigen Menschen immer wieder über die Kupplung der Bahnen. Nun bahnt sich eine Lösung an.
Verkehr in KölnTödliche Gefahrenstelle Kupplung - was die KVB nun dagegen tut
Sie führen sicherlich nicht die Unfallstatistik der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) an. Aber Unfälle im Kupplungsbereich der Stadtbahnen gehören oftmals zu den schrecklichsten, die sich im Zuständigkeitsbereich der KVB ereignen. Meist ist Alkohol im Spiel. Oder es ist einfach nur Leichtsinn, der Menschen dazu verleitet, über das Verbindungsstück zwischen zwei Wagen zu steigen. Um ein paar Sekunden zu gewinnen wird das ganze Leben aufs Spiel gesetzt. Denn fährt die Stadtbahn in dem Moment an, in dem der Übersteiger sich auf der Kupplung befindet, ist die Gefahr groß, unter die Räder zu geraten. Entsprechend schwer und zumeist tödlich verlaufen solche Unfälle. Und immer wieder flammte danach die Diskussion auf, die KVB müssten den Kupplungsbereich ihrer Bahnen überwachen oder zumindest besser schützen. Nach vielen Jahren solcher Diskussionen bahnt sich nun eine endgültige Lösung für diese Gefahrenstelle an — allerdings anders, als sie mal vorgesehen war.
Sollten nicht Kameras kommen?
Ein Kamerasystem sollte die Lösung sein. Zwar hatten sich die KVB lange dagegen gesträubt, den Zwischenbereich per Video überwachen zu lassen. Das Hauptargument: Die Verantwortung für das Leichtsinnige Verhalten weniger werde so auf die Fahrer abgewälzt. Denn zwangsläufig würde bei jedem Kupplungsunfall die Frage aufkommen: Hat der Fahrer das nicht auf dem Bildschirm gesehen? Der hat aber gerade bei der Abfahrt aus der Haltestelle schon Augen zu wenig, um alle Gefahrenbereiche im Blick zu haben.
Doch 2018 gingen dem damaligen KVB-Vorstandsvorsitzenden Jürgen Fenske die Argumente gegen ein solches Überwachungssystem aus. An nur einem Wochenende ereigneten sich gleich zwei tödliche Kupplungsunfälle. Fenske kündigte die Nachrüstungen der Stadtbahnen mit Kameras an. Doch als 2020 ein weiterer grausamer Unfall dieser Art im Bereich des Barbarossaplatzes ereignete, gab es die Kameras immer noch nicht. Noch nicht einmal mehr von Nachrüstung war die Rede. Nach diesem Unfall kündigte ein Sprecher an, neu anzuschaffende Bahnen werden für ein Kamerasystem vorgerüstet sein.
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Wurde an einer anderen Lösung gearbeitet?
Nun sind die KVB gerade im Begriff, ihren vollständigen Fuhrpark zu erneuern, und eine Reihe neuer Bahnen sind auch schon bestellt. Werden diese die versprochene Vorrüstung haben? Die Antwort des Betriebes erstaunt. Zwischenzeitlich haben die KVB ein Gutachten zu Kupplungsüberwachung in Auftrag gegeben. Das Ergebnis liege seit März 2021 vor, sagt eine Sprecherin. So viel kann vorweg genommen werden: Kameras wird es nicht geben.
Wurde Lösungsansätze untersucht?
Unter anderem untersuchten die Gutachter alle möglichen Arten von baulichem Schutz des Kupplungsbereiches. So wurde getestet, ob der Zwischenbereich durch Ketten, Faltbälge , Schilder oder Gitter vor dem Übersteigen geschützt werden kann. Doch laut Sprecherin hätten sich alle fest montierten Vorrichtungen an der Bahn spätestens bei Kurvenfahrten als nicht praktikabel herausgestellt. Zudem: „In allen denkbaren Situationen wurde festgestellt, dass diese ein bewusstes Übersteigen nicht verhindern können.“ Ein Gitter am Bahnsteig würde zudem voraussetzen, dass die Bahnen immer so auf den Punkt halten, dass dieses Gitter auch zuverlässig den Kupplungsbereich absperrt. Im laufenden Betrieb kann das nicht gewährleistet werden.
Ist ein technisches System ausgeschlossen?
Aber: „In der Abwägung der Möglichkeiten zeigte sich, dass eine Überwachung des Kupplungsraums mit technischen Mitteln eine praktikable Möglichkeit darstellt.“ 100-prozentige Sicherheit böte aber auch das nicht, denn funktionieren könne ein solches System nur, wenn der Fahrer noch vor Abfahrt ein Warnsignal bekommt.
Dennoch gibt es nun eine Lösung des Problems, allerdings ist die aufgrund neuer Gegebenheiten vielschichtiger als einst vorgesehen.
Für welche Bahnen wird die Gefahr wie gebannt?
Da gibt es mittlerweile die neuen Hochflurbahnen der KVB – zurzeit 29 Stück. Sie verkehren auf den Linien 3, 4, 5, 13, 16, 17 und 18. „Sie haben an der Frontseite eine weit vorgeschobene Schürze. Die Kupplung ist weitgehend durch die Karosserie verdeckt. Sind zwei dieser Bahnen gekoppelt, bietet der Kupplungsraum kaum Platz, um zwischen den Wagen hindurchkommen zu können. Die Kupplung ist bei Hochflurbahnen zudem rund 70 Zentimeter hoch. Diese Höhe ist nicht leicht zu überspringen“, erklärt die Sprecherin.
Dazu werden Hochflurbahnen bestellt, die durchgängig sein werden. Zur Kapazitätserweiterung können sie mit einem Mittelstück verlängert werden. Das wird nicht mehr angekuppelt, sondern regelrecht eingesetzt in die Bahn. Diese Modulbauweise wollen die KVB unter anderem auf der chronisch überlasteten Linie 18 nutzen. Einen Kupplungszwischenraum gibt es bei diesen Modulen nicht mehr.
Kommen werden noch die sogenannten Langzüge, die der Betrieb auf der ebenfalls vollkommen ausgelasteten Linie 1 einsetzen möchte, um mehr Fahrgäste aufnehmen zu können. Sie bestehen aus zwei Elementen. Einer durchgängigen 60 Meter langen Bahn – ohne Kupplung. Die kann separat eingesetzt werden. 60 Meter sind auch die jetzigen Bahnen lang. Verlängert werden können sie allerdings mit einem 30 Meter langen Element. Dann entsteht aber wieder ein Zwischenraum mit einer Kupplung, die durchaus überstiegen werden kann. „In diesem Fall erfolgt die Überwachung durch Ultraschallsensoren. Sobald der Sensor durch eine Bewegung aktiviert wird, schaltet sich ein Kamerabild beim Fahrer auf“, erklärt die Sprecherin.
Tödliche Unfälle im Kupplungsbereich
2018 stieg ein 25 Jahre alter Mann aus Süddeutschland am Zülpicher Platz über eine Bahnkupplung und starb dabei. Er befand sich im Juni mit seiner Fußballmannschaft auf Saisonabschluss in Köln und wollte seine Vereinskameraden auf dem gegenüberliegenden Bahnsteig erreichen. An diesem Tag starb auch ein 55-Jähriger an der Moltkestraße als er in den Kupplungsbereich kippte.
2019 legte ein 20-Jähriger eine lebensgefährliche Aktion hin. Der junge Mann hatte die Bahn verpasst, hatte sich dann an der Aachener Straße auf die letzte Kupplung geschwungen und war mehrere hundert Meter mitgefahren. Dass gerade ein Streifenwagen hinter der Bahn fuhr, hatte der 20-Jährige wohl nicht gesehen. Die Beamten schalteten ihre kleine Kamera am Fenster des Streifenwagens an und filmten die Tat. Später stoppten die Polizisten den „Surfer“. Er sagte: „Ich wollte zum Sport und das Training nicht verpassen.“
2020 hatte sich an Rosenmontag ein Drama am „Barbarossaplatz“ am Rande des feuchtfröhlichen Treibens am Rande der Zülpicher Straße abgespielt. Der „Zoch“ war fast vorbei und es ging wieder in die Kneipen. Manche junge Feiernde wollten allerdings den Heimweg antreten; so auch eine 20-Jährige aus Dortmund. Auf dem Bahnsteig fiel die junge Frau und geriet dann in den Kupplungsbereich der Linie 15. „Die Frau ist ohne Fremdeinwirkung gefallen“, sagte ein Behördensprecher. Sie war alkoholisiert. In diesem Fall wurde auch gegen Gaffer ermittelt, die Bilder vom Tatort gemacht hatten.