Der Trend „Waldbaden“ ist in Köln angekommen. Die zertifizierte Kursleitung Melinda Gnaß erklärt, was es damit auf sich hat.
Trend erreicht KölnSo funktioniert das „Waldbaden“ im Königsforst
Verwundert schweift der Blick eines Spaziergängers in den Wald neben ihm. Er kneift die Augen zusammen, schaut genauer hin. Auf einer kleinen Lichtung im Königsforst stehen tatsächlich sieben Frauen mit geschlossenen Augen in einem Kreis. Seinem Gesichtsausdruck zufolge, schließt er auf einen Hexenzirkel. Doch der Mann kann beruhigt sein: Was er sieht, ist ein Kurs im „Waldbaden“ des Kölner Unternehmens „Waldluftleben“ und hat nichts mit dunkler Magie zu tun, sondern ist wissenschaftlich belegt.
Wer sich im „Waldbaden“ übt, springt nicht in einen Pool: Für knapp 44 Euro erwartet die Teilnehmenden ein dreistündiges Programm an Achtsamkeitsübungen und geführten Meditationen, um Stress zu reduzieren. „Waldbaden“ habe seinen Ursprung in Japan, erklärt Melinda Gnaß, Gründerin von „Waldluftleben“. Dort ist die Praxis seit den Achtzigern bekannt und wird „Shinrin Yoku“ genannt: „Das heißt so viel wie ‚Eintauchen in die Waldatmosphäre‘ “, sagt Gnaß.
Noch leicht skeptisch nehmen die Kursteilnehmenden an einem Samstag-Vormittag im Königsforst ein graues Sitzkissen entgegen. Nach der „Erdung“, die stehend im Kreis stattfindet, sollen sie sich nun einen Platz unter den Bäumen suchen und für 10 Minuten erneut die Augen schließen. „Geräusche sammeln“ lautet der Auftrag. Spätestens als die Kursleiterin für die nächste Aufgabe Lupen austeilt, weicht Skepsis jedoch allmählich kindlicher Faszination. Sie sollen damit Moos aus der Nähe betrachten. „Wie Landschaften aus einem Fantasy-Film“, stellt eine Teilnehmerin verblüfft fest.
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Oft werde „Waldbaden“ fälscherweise mit Esoterik in Verbindung gebracht, erklärt Gründerin von „Waldluftleben“ Melinda Gnaß. „Viele denken, dass man dabei nur Bäume umarmt“, sagt sie schmunzelnd. Dabei sei das Gegenteil der Fall: „Hinter Waldbaden steckt ein wissenschaftlicher Ansatz.“ Dass der Wald positiv auf Körper und Geist wirke, wisse man intuitiv. Heute zeigen Forschungsergebnisse, dass dieser Effekt keine Einbildung ist.
Das Geheimnis der Waldatmosphäre liege in den sogenannten „Terpenen“, also den Duftstoffen, mit denen Bäume kommunizieren, erklärt Gnaß. Menschen können diese ätherischen Öle über Lunge und Haut aufnehmen. Dort beeinflussen sie das vegetative Nervensystem und sorgen so für eine geringere Ausschüttung von Stresshormonen. Auch das Immunsystem wird durch Terpene gestärkt.
„Was auf körperlicher Ebene passiert, wenn man im Wald ist, finde ich enorm“, sagt Gnaß fasziniert. Grund dafür seien nicht nur die Terpenen, sondern auch der Rest des Waldes: „Die feuchte Luft beugt Atemwegserkrankungen vor, der Waldboden ist gelenk- und rückenschonend.“ Selbst die Farbe der Blätter sei wohltuend: Grün wirke beruhigend auf den Menschen und lindere Schmerzen.
Etablierte Praxis in Japan
„In Japan wird Waldbaden vom Arzt verschrieben“, erklärt Gnaß. Dort finden zur Gesundheitsprävention ganze Betriebsausflüge in den Wald statt. Hierzulande gäbe es deshalb viel aufzuholen: „Waldbaden hat Potential, die Medizin in Deutschland neu zu denken. Es zeigt, dass man vielleicht nicht immer sofort Tabletten braucht.“
Die Unternehmerin gründete „Wladluftleben“ nach einem Studium in Betriebswirtschaftslehre und angewandter Nachhaltigkeit. Dafür machte sie wie alle Kursleiter des Unternehmens eine Ausbildung an der „Akademie für Waldbaden und Gesundheit“ in der Nähe von Mannheim. Sie wünscht sich, dass Krankenkassen zukünftig Kosten für „Waldbaden“-Kurse übernehmen, so wie es bei Yogastunden der Fall ist. Die seien zu Beginn schließlich auch nur ein Trend gewesen, der sich gegen Vorurteile durchsetzen musste, findet Gnaß.
Unterschiede zum Spaziergang
„Teurer Waldspaziergang“ laute eines davon. „Der größte Unterschied ist, dass es beim Waldbaden nicht darauf ankommt Strecke zu machen, sondern in den Moment einzutauchen“, sagt die Gründerin. „Dabei helfen die Achtsamkeitsübungen, die würde man beim Spaziergang ja auch nicht machen.“ Wer spaziert habe meist vieles im Kopf: „Wir sind oft gedanklich abgelenkt, planen unseren nächsten Einkauf oder hören einen Podcast. Die Fülle der Natur bleibt uns dann verborgen.“ Weil Waldbaden keine Anstrengung mit sich bringe, habe es den Vorteil, dass die Kurse auch für ältere Menschen, Kinder oder beeinträchtige Personen geeignet seien.
Wieder am Startpunkt des Kurses, einem Café am Waldesrand angekommen ist die Stimmung im Kurs ausgelassen. „Waldbaden“ sei zwar auch alleine möglich, eine Gruppe mache es jedoch einfacher sich fallen zu lassen und die Aufgaben auch wirklich durchzuziehen, erklärt Gnaß. Nach einer Tasse Tee und einem Stück Baumkuchen verabschiedet sich die erste Teilnehmerin: „Danke für den entspannten Start ins Wochenende!“