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Parteitreffen gut besuchtSeit den großen Demonstrationen treten in Köln verstärkt neue Mitglieder in Parteien ein

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Menschen demonstrieren in Köln.

Gegen Ausgrenzung und für Vielfalt wurde bei den Demonstrationen im Januar Position bezogen.

Die Rundschau fragte bei den Kölner Parteien nach, wie sich diese Welle der Anteilnahme auf die politische Arbeit in der Stadt auswirkt.

Im Januar 2024 ging ein Ruck durch die Gesellschaft. In ganz Deutschland zog es Hunderttausende auf die Straße, die für ihre politische Überzeugung und gegen rechtsextremes Gedankengut demonstrierten. Auch in Köln versammelten sich Zehntausende auf dem Heumarkt und an der Deutzer Werft. Die Rundschau fragte bei den Kölner Parteien nach, wie sich diese Welle der Anteilnahme auf die politische Arbeit in der Stadt auswirkt.

Die Kölner CDU berichtet von direkter Resonanz: „Nach der Demonstration an der Deutzer Werft gegen Rechtsextremismus am 21. Januar hatten wir in den darauffolgenden Tagen 40 Neuanträge.“ Durch die Eintrittswelle erholen sich auch die Mitgliederzahlen der Christdemokraten. 2023 hatte eine Aufräumaktion des neuen Parteivorstands dafür gesorgt, dass die Mitgliederzahl um rund 450 größtenteils „Karteileichen“ bereinigt werden musste. Zum 1. Januar 2023 hatte die Kölner Union 4300 Mitglieder, somit lag die Zahl nach der Bereinigung unter 3900. Am 20. Februar berichtete Geschäftsführer Bastian Ebel von 4150 Mitgliedern ein deutlicher Zuwachs. „Wir versuchen, jedes Neumitglied direkt persönlich nach Eingang des Antrags zu erreichen. In diesen Gesprächen stelle ich fest, dass die Menschen ein verstärktes Interesse an Politik haben. Ihnen ist nicht egal, was sich auf der Welt oder vor ihrer Haustür tut. Das ist eine schöne Entwicklung, denn die Gesellschaft ist insgesamt politisierter, und die Menschen möchten sich mehr einbringen“, so Ebel.

Die Grünen sind seit Jahren auf Wachstumskurs

Die Kölner SPD ist nicht nur die mitgliederstärkste Partei in Köln, sondern auch der personell größte SPD-Unterbezirk in Deutschland, noch vor Dortmund. Ende 2022 hatten die Genossen in Köln 5089 zahlende Mitglieder. Ein Jahr später waren es 4940, zurzeit sind es 4982. Seit Jahresanfang seien 49 Personen unterschiedlichsten Alters neu in die Partei eingetreten, sagte Geschäftsführer Frank Mederlet.

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Die Grünen als drittgrößte Partei in Köln sind seit Jahren auf Wachstumskurs und stehen kurz vor der Marke von 3000 Mitgliedern. Aktuell gehören dem Kreisverband 2998 Personen an. Ende 2023 hatten 2847 Kölnerinnen und Kölner ein grünes Parteibuch, ein Jahr zuvor waren es 2882 Mitglieder. Parteisprecherin Elisabeth Huther berichtet: „Wir haben begleitet von den Demonstrationen und Protesten im Januar ein gesteigertes Interesse an unserer Parteiarbeit erlebt, das sich vor allem auch in Neubeitritten niederschlägt.“ Auf der ersten Kreismitgliederversammlung des Jahres habe es einen Teilnahme-Rekord mit rund 180 Personen gegeben. Für das Neumitglieder- und Interessierten-Treffen im Februar hätten sich mehr als 100 Personen angemeldet.

Seit Jahresanfang habe man neue Mitglieder aller Altersstufen in den grünen Kreisverband aufgenommen, so Huther. „Zwischen 17 und 77 ist alles dabei. Einen Schwerpunkt sehen wir bei den 30- bis 40-Jährigen. Jedes fünfte Neumitglied ist aber über 60 Jahre alt.“

AfD: Kein negativer Effekt durch die Demonstrationen

Der Kölner Kreisverband der Alternative für Deutschland (AfD) hat Stand 21. Februar 225 Mitglieder, plus weitere Anträge zur Freigabe durch den Landesverband, bestätigte Christer Cremer auf Rundschau-Anfrage. Der Kreisverbandsvorsitzende erklärte: „Wir können keine negativen Effekt durch die Demonstrationen erkennen. Die Mitgliedereintrittswelle hat mit den Diskussionen um das Heizungsgesetz gestartet.“ Die AfD habe seit Ende 2022 rund 60 Mitglieder dazugewonnen.

Auch die Kölner FDP berichtet von vielen Eintritten, aber auch Austritten im vorigen Jahr. Zahlen nennt sie keine. Sprecher Joachim Krämer stellt eine zunehmende Teilnahme am politischem Geschehen aber nicht nur anhand der Mitgliederzahlen fest. „Wir sehen in den vergangenen Monaten vermehrtes Interesse vieler Mitglieder, sich stärker in die Partei einzubringen. Dies zeigt sich zum Beispiel durch zahlreiche Besuche von parteiinternen Veranstaltungen“, so der stellvertretende Parteichef der Kölner Liberalen.

Die Kölner Linke berichtet ebenfalls von einem Mitgliedszuwachs. „Im Zeitraum vom 31. Oktober bis 31. Dezember 2023 sind 91 Neumitglieder in Köln eingetreten. Seit Ende vergangenen Jahres sind auch weiterhin viele Neumitglieder hinzugekommen“, sagte Kreissprecher Marius Vogel.

Im Juni wird ein neues Europaparlament gewählt

Die jüngste im Stadtrat vertretene Partei ist Volt. 2017 in Reaktion auf den Brexit als erste paneuropäische Partei gegründet, hat Volt in Köln derzeit 295 Mitglieder. Das sind fast genauso viele wie Ende 2023 und ein Jahr zuvor. Ein Wachstum sei derzeit nicht feststellbar, so ein Sprecher. Dass die Mitgliederzahlen stagnieren, führt er auf den Umstand zurück, dass seit längerem keine Wahlkämpfe geführt wurden.

Das wird sich bald ändern. Am 9. Juni wird ein neues Europaparlament gewählt. Damit steht nicht nur Volt ein heißer Wahlkampf bevor. Rund 15 Monate später finden in Köln Kommunal- und Oberbürgermeisterwahlen statt. Die Frage ist, inwieweit sich das derzeitige Engagement für die Demokratie in der Wahlbeteiligung niederschlagen wird. Bei der letzten Kommunalwahl 2020 sank sie auf 51,4 Prozent. Bei der Europawahl 2019 gaben zwei von drei Kölner Wahlberechtigten (64,6 Prozent) ihre Stimme ab.