Über 12.000 Goth-Fans kommen jährlich beim Amphi Festival zusammen. Die Rundschau ist in ihre Welt abgetaucht.
Grufties im TanzbrunnenDie „schwarze Familie“ strömt nach Köln – Was bedeuten die dunklen Kostüme?
Die Schleusen des Himmels öffnen sich. Regen prasselt auf Beton, Springerstiefel plätschern in Pfützen und schwarz-weiße Schminke verläuft in Gesichtern. Eine dunkle Flut an gefallenen Engeln sucht Unterschlupf im Tanzbrunnen. „Willkommen auf der dunklen Seite von Köln“, ruft Jasmin mit ausgestreckten Armen euphorisch in die schwarze Menge. Kurz danach präsentiert die 34-jährige Berlinerin stolz die 17 Festivalbändchen an ihren Handgelenken, um zu zeigen, dass sie schon seit 2007 das Amphi Festival besucht. Jedes Jahr aufs Neue erwartet sie die Veranstaltung in Deutz mit großer Vorfreude, für sie sei es „ein großes Familientreffen der schwarzen Szene“. Sie fühle sich geborgen an einem Ort, wo es nur schwarze Schafe gibt.
Beim Amphi Festival kamen am vergangenen Wochenende über 12.500 Mitglieder der selbsternannten „schwarzen Familie“ zusammen, um düstere Musik zu feiern. Vor 18 Jahren fand das Festival erstmals am Tanzbrunnen statt und kehrt seitdem jährlich wieder. Über 40 Bands aus Genres wie Gothic und Synthipop oder Elektro treten dort auf.
Besonders „Eisbrecher“, aus der Strömung „Neue Deutschen Härte“, und die deutsche Synthie-Pop-Band „And One“ wurden sehnlichst vom Publikum erwartet. So unterschiedlich die Musikstile auch sein mögen, sie werden alle durch einen düsteren Grundtenor verbunden. Genau diese Liebe zur düsteren Musik ist es, was das heterogene Publikum eint.
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Zur „schwarzen Szene“ gehören dutzende Splittergruppen
Die „schwarze Szene“ findet ihren Ursprung in der Dark Wave und Post-Punk Bewegung der Achtziger. Traditionell ist die Subkultur eng mit der Gothic-Szene verbunden, vor allem im Hinblick auf den Kleidungs- und Musikstil. So trifft man auf dem Festival auf viele traditionelle Grufties. Sie tragen häufig Trauerkleidung oder mittelalterliche Trachten, kombiniert mit zerrissenen Strumpfhosen und Netzhemden. Silberschmuck, Nieten und Rüschen setzen weitere Akzente. Die Gesichter sind blass und voller Piercings, die Augenbrauen abrasiert und schwarz nachgemalt.
Die Selbstdarstellung mithilfe von schwarzer Ästhetik ist jedoch schon lange nicht mehr nur auf Goths beschränkt. Mittlerweile ist der Begriff „schwarze Szene“ zu einem Sammelbegriff für dutzende Splittergruppen geworden, die sich gleichermaßen für Themen wie Romantik, Tod oder Mystik begeistern. Wichtig ist nur, dass die Farbe Schwarz im Zentrum der Inszenierung steht.
Dass auch bunt im Schwarzen möglich ist, beweisen die Kostüme des Ostfriesen Jan und der Berlinerin Vera. Die beiden Cyber Goths heben sich durch Neonfarben und futuristische Accessoires von der schwarzen Masse ab. „Wir müssen die Fahne hochalten“, ruft Vera scherzhaft. Sie machen einen eher kleinen Teil der Szene aus. Trotzdem betont Jan, dass er sich akzeptiert fühlt. Das sei anders in seinem Heimatdorf, wo man „sofort schief angeguckt und beschimpft wird“, wenn man sich andersartig kleidet.
Ganz ähnlich denkt Frauke aus Kassel. Sie betont: „Obwohl wir so düster aussehen, ist es im Kopf sehr bunt“. Sie hat den Eindruck, dass das Amphi Festival viel „familiärer, kuscheliger und persönlicher“ ist als andere Festivals der Szene, darunter das „Wave-Gotik-Treffen“ in Leipzig oder das „M’era Luna Festival“ in Hildesheim. Das bestätigt auch der Frankfurter Markus Königstein: „Auch wenn viele böse aussehen, alle sind nett hier“.