Rabbiner Yechiel Brukner wird die Synagogen-Gemeinde in Köln verlassen und nach Israel zurückkehren. Mit seiner Frau Sarah hatte der 67-Jährige bereits bei der Eheschließung vor 41 Jahren ausgemacht, dass ihre Heimat später einmal dauerhaft Israel sein werde.
Rabbiner verlässt Kölner Synagogen-Gemeinde„Es ist Zeit, nach Hause zu kommen“
„Meine Familie und ich sind hier mit offenen Türen und Herzen empfangen worden“, sagt Yechiel Brukner und fügt hinzu: „Die Kölner sind einfach so – mit viel Wärme, Lächeln und Aufrichtigkeit.“ Mit diesen Worten erinnert sich der jüdische Geistliche an den Beginn seiner Amtszeit als Gemeinde-Rabbiner der Synagogen-Gemeinde vor knapp sieben Jahren. Nun sei es an der Zeit, „um nach Hause zu gehen“, wie es seine Frau Sarah bereits Ende Oktober getan hat: nach Israel. Im Gespräch mit der Kölnischen Rundschau erzählt Brukner, dass er mit seiner Frau bereits bei der Eheschließung vor 41 Jahren ausgemacht hatte, dass ihre Heimat später einmal dauerhaft Israel sein werde. „Für einen jüdischen Menschen ist es existenziell wichtig, in Israel zu sein“, betont der 67-Jährige.
Bis die Kölner Gemeinde, die bis ins Jahr 321 nachweisbar und damit älteste jüdische Gemeinde nördlich der Alpen ist, einen neuen Gemeinde-Rabbiner gefunden hat, wird Brukner viel zwischen Israel und Köln pendeln. „Die Synagogen-Gemeinde steht fest auf Kölner Boden und betet Richtung Jerusalem“, sagt er über diese Verbindung. Es liegt an Brukner selbst und dessen Arbeit und Wirken, dass dies auch innerhalb der Gemeinde bei vielen Mitgliedern so empfunden wird.
Im schweizerischen Montreux Pädagogik studiert
„Ich wollte dazu beitragen, jüdische Identität zu stärken, in allen Altersgruppen. Das Judentum in Deutschland ist kein Ideal, sondern ein Faktum“, beschreibt er rückblickend eine seiner wesentlichen Aufgaben als Geistlicher in einer der zahlenmäßig größten jüdischen Gemeinden Deutschlands. Aus seiner Sicht gebe es das wahre Judentum nur in Israel. Dies sei aber eben nicht für jeden möglich und erreichbar. „Deshalb dürfen wir diese Menschen nicht allein lassen, sondern sie müssen gefördert, begleitet, gestärkt werden“, sagt Brukner. Durch seine jahrzehntelangen pädagogischen Erfahrungen als Lehrer, zudem als deutschsprachiger, in Israel ordinierter Rabbiner sei es „fast schon meine Pflicht gewesen, hierzulande zu arbeiten“. Einen starken Rückhalt habe er dabei immer durch seine Frau, die sechs gemeinsamen Kinder sowie mittlerweile 26 Enkelkinder erfahren.
Rabbiner Brukner stammt wie sein Vorgänger Jaron Engelmayer aus Zürich. Dort habe er zwar eine gut behütete Kindheit und Jugend gehabt, doch sei er „im Unterbewusstsein, leider bis heute“ stets von dem Gefühl begleitet worden, als Jude in einer nicht-jüdischen Umgebung nicht erwünscht zu sein. Nach dem Abitur studierte er im schweizerischen Montreux. Dort verband er das Tora- sowie Talmud-Studium mit dem Pädagogikstudium. Als Lehrer war er in Israel, in der Schweiz und in München tätig. Über eine Einladung von Engelmayer kam Brukner mit der Synagogen-Gemeinde Köln in Berührung und war „gleich vom besonderen Charme der Gemeinde verzaubert“. Doch nicht nur innerhalb der Gemeinde mit dem jüdischen Gotteshaus an der Roonstraße, dem Wohlfahrtszentrum in Ehrenfeld sowie den Begegnungszentren in Porz und Chorweiler hat er nachhaltig gewirkt. Denn auch seine Frau Sarah hat sich in vielerlei Hinsicht engagiert und sehr spezifische Impulse gegeben, um die jüdische Identität und das Leben zu stärken. Durch ihr menschenzugewandtes, unprätentiöses und authentisches Auftreten haben sich Brukner und seine Frau auch in der Stadtgesellschaft als gefragte und gern gesehene Gesprächspartner eingebracht.
Antisemitische Vorfälle zum Anfang seiner Dienstzeit
Knapp ein Jahr nach seinem Dienstbeginn war der Rabbiner mehrfach bei Straßenbahnfahrten in Köln antisemitischen Schmähungen und Beleidigungen ausgesetzt gewesen. Die Gemeindeverwaltung verpflichtete ihn infolgedessen, einen Dienstwagen zu nutzen, den er eigentlich nicht nutzen wollte. „Ich hätte es niemals erwartet, dass in Deutschland nach der Shoah überhaupt wieder antisemitische Töne und Taten möglich sind; das hat mich schockiert.“ Brukner und seine Frau gehören zur zweiten Generation nach der Shoah. „Dieser Tatsache sind wir uns sehr bewusst und sie hat uns geprägt.“ Brukners aus Polen stammender Vater hat als einziges Mitglied einer zahlenmäßig großen Familie das Konzentrationslager Buchenwald überlebt, alle anderen wurden ermordet, unter anderem in Auschwitz. Die antisemitischen Vorfälle gegenüber dem Gemeinde-Rabbiner hatten auch weit über Köln hinaus zu einer breiten öffentlichen Wahrnehmung und Berichterstattung geführt. Brukner hatte daraufhin viel Zuspruch und Solidaritätsbekundungen erhalten, für die er immer sehr dankbar sein werde. Seit diesen Erfahrungen habe er sich sehr wachsam bewegt. Aber verunsichern lasse er sich nicht. „Ich trage selbstverständlich weiter in aller Öffentlichkeit meine Kippa“, sagt er. „Ich insistiere darauf, dass jeder so rumlaufen kann, wie er es will – ob das nun mit Ohrring in der Nase ist oder eben mit Kippa auf dem Kopf.“
Um gegen Antisemitismus vorzugehen, müsse viel stärker in Schulen mit den jungen Menschen über Israel, das Judentum und die Juden gesprochen werden. „Durch solch einen intensiven Dialog, in dem auch antisemitische Vorurteile offen angesprochen werden, bin ich überzeugt, dass wir viel für das gesellschaftliche Miteinander erreichen können.“ Eine besondere Rolle und Verantwortung komme dabei aus seiner Sicht dem Interreligiösen Dialog zu, der beitragen könne, Antisemitismus abzubauen und Brücken zu bauen. In Köln habe er beispielsweise im regelmäßigen Austausch mit Vertretern der Kirchen, namentlich Weihbischof Rolf Steinhäuser sowie Stadtdechant Robert Kleine von katholischer Seite sowie Stadtsuperintendent Bernhard Seiger von evangelischer, sehr nachhaltige Kontakte aufbauen können.
Blickt mit Dankbarkeit auf die Zeit in Köln zurück
Trotz der Zunahme antisemitischer Übergriffe blickt Brukner mit viel Freude und Dankbarkeit auf seine Kölner Zeit zurück. Mit dem ihn auszeichnenden feinen Sinn für Humor greift der stets optimistisch gestimmte Rabbiner einen Ausdruck des berühmten israelischen Schriftstellers Ephraim Kishon auf und betont „auch im Namen meiner entscheidend besseren Hälfte“ zum Abschluss seiner Zeit am Rhein: „Trotz der persönlich erfahrenen und seitdem immer offener auftretenden antisemitischen Erscheinungen in Köln und in Deutschland, die natürlich wachsam und sensibel beobachtet und behandelt werden müssen, überwiegen für meine Frau und mich die positiven Erfahrungen.“
Daneben würde das Negative ganz klein. „Das gilt nicht nur für unsere Begegnungen mit Vertretern der Stadt oder anderen Institutionen, sondern insbesondere im Alltag – die Kölner sind einfach nett und hilfsbereit. Sie werden uns in Israel stets in dankbarer Erinnerung begleiten.“