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„Man bekommt Muttergefühle“Mara Bergmann kümmert sich um Entenküken

Lesezeit 5 Minuten

„Ihre“ Enten besucht Mara Bergmann regelmäßig am Aachener Weiher und am Clarenbachkanal. Früher hat ihr Vater die Rolle des Entenpapas übernommen.

Köln – Wir treffen uns am Clarenbachkanal in Lindenthal – auf der Suche nach Mara Bergmanns Enten.

Wie viele zählen Sie denn zu „Ihren“ Enten?

Auf meiner Dachterrasse sind in diesem Jahr zehn Babys geschlüpft. Die Entenmama – eigentlich ist sie eine Aachener-Weiher-Ente – hat bereits zum sechsten Mal auf der Terrasse gebrütet. In den letzten fünf Jahren war mein Vater der Entenpapa und hat sich um die kleine Familie gekümmert. Er ist kurz nach Silvester gestorben. In diesem Jahr mache ich das zum ersten Mal alleine.

Wie kommt die Ente auf Ihre Dachterrasse?

In den Parks sind so viele freilaufende Hunde und andere Tiere, dass sie wohl einen ruhigen und sicheren Platz zum Brüten gesucht hat. Unsere Wohnung ist im sechsten Stock, mitten in der Stadt. Es gibt dort sogar einen kleinen Teich, den hat mein Vater angelegt, als ich noch ein Baby war.

Normalerweise leben die Enten aber am Kanal?

Hier und am Aachener Weiher. Nach knapp acht Wochen habe ich die Babys zusammen mit der Entenmama zum Kanal gebracht und in die Freiheit entlassen. Kurz bevor sie fliegen lernen. Denn das machen sie normalerweise über dem Wasser. Ich wollte nicht, dass sie es von der Dachterrasse aus versuchen.

Zwei Enten schwimmen uns im Kanal entgegen.

Hallo, meine Entenbabys!

Die Enten fangen an zu schnattern und klettern aus dem Wasser.

Ich bin total erstaunt: Woran haben Sie die Enten erkannt?

Viele von ihnen haben eine weiße Zeichnung am Hals. Und sie erkennen meine Stimme. Manchmal sogar schon das Quietschen meines Fahrradständers. Hallo, meine Entenbabys! Ich nenne sie immer noch Entenbabys, obwohl sie schon ausgewachsen sind.

Sind das Männchen oder Weibchen?

Das kann man noch gar nicht so genau sehen. Experten erkennen das an der Schnabelfarbe, aber ich bin mir da nicht so sicher. Wer Ente ist und wer Erpel sieht man am besten, wenn die Tiere ihr neues Gefieder bekommen – das Outfit für erwachsene Enten quasi. Sie mausern sich so ab der zwölften Woche.

Sie holt Futter aus der Tasche.

Ist das spezielles Entenfutter?

Ja, aus dem Raiffeisenmarkt. Ich musste dazu erstmal recherchieren. Ich hatte Angst, dass das ein Mastfutter sein könnte, und ich aus Versehen Wok-Enten großziehe.

Gehen Sie denn schon mal Peking-Ente essen?

Nein, ich esse seit ich 17 Jahre alt bin kein Fleisch mehr, nur Fisch. In den Konflikt komme ich deswegen zum Glück gar nicht. Ich habe mich früher übrigens nie wirklich für Geflügel interessiert. Im Biounterricht fand ich das Thema Vögel eher nicht so spannend. Das kam erst durch meinen Vater.

Die Enten sind also so etwas wie Ihr Erbe?

Wir haben meinen Vater auf Melaten begraben. Es ist nur Zufall, aber mir ist beinahe der Atem weggeblieben, als mir aufgefallen ist, dass sein Grab nur einen Steinwurf vom Kanal und den Enten entfernt ist. Das ist schön und gleichzeitig rührend. Ich nehme die Aufgabe auch deshalb so ernst, weil ich glaube, Papa würde sich freuen, wenn er sieht, dass es den Enten gut geht und sich jemand um sie kümmert. Er hat sie auch alle paar Tage besucht, so wie ich es jetzt mache.

Wir verlassen den Kanal und gehen in Richtung Aachener Weiher.

Was sind Enten für Tiere?

Enten haben ein Rudelverhalten – fast wie Lemminge. Sie kopieren sich gegenseitig: Wenn eine etwas macht, machen es alle anderen nach. Ich glaube trotzdem, dass sie sehr schlau sind. Und sie haben ihre ganz eigene Sprache. Bei einem Warnschnattern suchen sie schnell das Weite, bei einem anderen Schnattern bleiben sie stehen und bewegen sich keinen Millimeter mehr, damit der Greifvogel sie nicht sieht. Bis die Gefahr vorüber ist. Ich habe sie irgendwann eingeteilt in Kategorien: Kampf-Enten, Tauch-Enten und Dusch-Enten.

Dusch-Enten?

Wenn ich meine Pflanzen gegossen habe, dann haben sich die Enten angestellt, um unter den Strahl zu kommen – wie vor einer Duschkabine.

Sieben Enten schwimmen schnatternd auf uns zu. Offensichtlich haben sie Mara Bergmann erkannt.

Entenbabys, hallo!

Ich sehe hier so viele Enten, für mich sehen sie tatsächlich alle gleich aus . . .

(lacht) Ich habe sie ja jeden Tag gesehen und lange beobachtet. Ich habe keine Kinder, aber man bekommt wirklich Muttergefühle. Ich habe einen richtigen Beschützerinstinkt entwickelt. Eines der zehn Küken wurde in den ersten Tagen gefressen, vermutlich von einem Raubvogel. Ab diesem Moment habe ich höllisch aufgepasst. Wenn ich Termine hatte, habe ich sie verschoben oder Familie oder Freunde gebeten, aufzupassen. Ich hatte sechs verschiedene Entensitter, bis ein Freund mir geholfen hat, ein schützendes Netz über die Terrasse zu spannen.

Haben Sie den Enten keine Namen gegeben?

Bei meinem Vater hieß die Mutter einfach nur „Ente“ – den Babys hat er keine Namen gegeben. Ich wollte ihnen auch keine geben. Weil ich sie nicht behalten kann und weil es Wildenten sind. Das sollen sie auch bleiben.

Welche ist die Mutter?

(zeigt auf eine Ente) Die Dritte von links. Sie ist ein bisschen grauer als die anderen. Wenn ich ihren Babys etwas zu fressen gebe, hält sich Mama Ente im Hintergrund, quietscht aber trotzdem vor Freude. Sie ist sehr bescheiden. Ich glaube, dass sie gemerkt hat, dass mein Vater nicht mehr da ist. Dafür ist sie jetzt immer in dem Netz gelandet, das ich auf der Terrasse gespannt habe. Und hat dort gechillt wie in einer Hängematte. Das hat ihr gefallen.

Wie oft bekommen Enten eigentlich Nachwuchs?

Im letzten Jahr hat eine Ente sogar zweimal Küken bekommen. Wer weiß, vielleicht passiert es in diesem Jahr noch mal.

Zur Person

1982 wurde Mara Bergmann in Köln geboren. Sie studierte in Dortmund Journalistik und absolvierte ein Volontariat beim ZDF. Dort berichtete sie u.a. als Reporterin von der Fußball-WM 2006 und der EM 2008.

Bis 2015 arbeitete sie als Reporterin beim ZDF-Wirtschaftsmagazin „Wiso“ sowie als Moderatorin der Kölner WDR-Lokalzeit.

Derzeit moderiert sie vor allem bei Events, wie zum Beispiel für die Messe „Boot“. (wes)