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Wegen SchulplatzvergabeEtwa 200 Eltern und Kinder demonstrieren im Kölner Rathaus

Lesezeit 4 Minuten
Wütende Eltern und Schüler protestierten gegen das Losverfahren um die begehrten Schulplätze.

Wütende Eltern und Schüler protestierten gegen das Losverfahren um die begehrten Schulplätze.

Mit einem lautstarken Protest wollen Eltern und Kinder ihrem Ärger Luft machen. Viele Eltern fürchten, dass ihre Kinder keinen Platz mehr an einer Schule in der Nähe erhalten werden.

Dass Eltern und Schüler vor dem Rathaus gegen die Bildungsmisere, fehlende Schulplätze und marode Schulen demonstrieren, ist in Köln seit Jahren häufig zu erleben. Doch so laut und so wütend wie zur Sitzung des Schulausschusses am Montagnachmittag fällt der Protest selten aus. Rund 200 Eltern und ihre Kinder machen ihrem Unmut nicht nur draußen auf dem Theo-Burauen-Platz Luft. Sie ziehen auch ins Rathaus selbst, wo sie mit Trillerpfeifen ohrenbetäubenden Lärm erzeugen und lautstark skandieren: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut.“

Anlass für die Wut-Demo ist die erneut hohe Zahl abgelehnter Kinder an weiterführenden Schulen. Wie berichtet, haben dieses Jahr 493 Viertklässler keinen Platz an ihrer Wunschschule erhalten. Ihnen drohen eine Zuteilung im Losverfahren, weite Schulwege quer durch die halbe Stadt sowie die Trennung von ihren Grundschulfreunden.

Mit der ganzen Familie zur Demo.

Ganze Familien kamen zur Demonstration vor dem Rathaus

Dementsprechend groß ist der Frust bei den betroffenen Kindern und Eltern, die auf ihren Transparenten Slogans wie „Stoppt den Tombola-Wahnsinn“, „Schüler sind keine Nieten“ und „Bildung darf kein Glücksspiel sein“ präsentieren.

Ungewissheit über die Zukunft der Kinder

Kristina (42) und Bastian (43) sind aus Ossendorf zum Rathaus gekommen, weil ihre Tochter Linnea (9) am Montessori-Gymnasium in Bickendorf abgelehnt wurde.   Jetzt wisse man nicht, was werde, sagt Kristina. Sie sorgt sich, dass Linnea künftig weite Wege mit dem Bus zurücklegen muss, statt selbstständig mit dem Fahrrad zur Schule zu fahren. Außerdem werde sie von ihren Freundinnen getrennt.

„Die Stadt hat beim Thema Schulbau geschlafen“, ist die Mutter überzeugt. Wenn Kinder geboren werden, sei doch leicht auszurechnen, ab wann wie viele Schulplätze benötigt werden. Und es sei ein Unding, dass „viele Schulen in einem desolaten Zustand sind“.

Amélie (45) und Dieter (48) aus Sülz protestieren mit Tochter Fenna (9) am Rathaus. „Wir sind verzweifelt. Meine Tochter   wurde am Elisabeth-von-Thüringen-Gymnasium abgelehnt. Und auch die anderen Schulen in der Nähe sind voll ausgelastet, deshalb befürchten wir, dass man Fenna quer durch die Stadt schicken will auf die andere Rheinseite“, sagt Amélie. Sie will ihre 9-jährige Tochter nicht alleine mit der KVB durch Köln fahren lassen. Sie täglich zur Schule zu begleiten, würde jedoch einen Riesenaufwand für die Eltern bedeuten. „Wir sind beide voll berufstätig. Wie soll das gehen?“

„Stadt sollte die Basics leisten“

Sebastian (42) aus Nippes demonstriert gemeinsam mit seinem Sohn Bo (10), obwohl der Filius einen Platz am Leonardo-da-Vinci-Gymnasium sicher hat. „Aber mein bester Freund Emil wurde abgelehnt. Dabei wollten wir doch in eine Klasse gehen“, sagt Bo. „Wir sind aus Solidarität hier. Es hätte uns ja genau so treffen können“, meint der Vater. Er kritisiert, das Verfahren zur Schulplatzvergabe sei intransparent, die Kommunikation der Stadt schlecht. Und er betont: „Bevor die Stadt irgendneue Großprojekte startet, sollte sie erst mal die Basics leisten: Genug Schulplätze schaffen und die vorhandenen Schulen in Ordnung bringen.“

Der Ausschuss lädt Eltern und Kinder ein, die Sitzung auf der Besuchertribüne zu verfolgen – dort reichen die Stühle nicht, so groß ist der Andrang. „Mich macht das sehr betroffen“, kommentiert Oliver Seeck (SPD) die Anwesenheit der vielen   abgelehnten Schüler. Der Ausschussvorsitzende Helge Schlieben (CDU) versichert: „Die Verwaltung wird versuchen, für jedes Kind die beste oder die zweitbeste Lösung zu finden.“

Schuldezernent Robert Voigtsberger zeigt Verständnis für den Unmut der Eltern und Schüler. Das Problem seien die fehlenden Schulplätze, hier seien in der Vergangenheit die Weichen falsch gestellt worden. „Es bleibt eine Herkulesaufgabe, diese Versäumnisse zu korrigieren.“ Die Stadt arbeite daran, mehr Schulplätze zu schaffen, für 2024 seien zwei Gymnasien und vier Gesamtschulen in Gründung. Falls Eltern auch in der zweiten Auswahlrunde keinen Schulplatz für ihr Kind bekämen, sollen sie sich an die Schulverwaltung wenden, sagt Voigtsberger. Man versuche, eine Lösung zu finden.


Proteste vor und im Rathaus

200 Eltern und Kinder demonstrierten erst draußen und zogen dann mit Transparenten und Trillerpfeifen ins Rathaus. Von der Besuchertribüne aus fragte ein Schüler den Schulausschuss: „Wo ist eigentlich Frau Reker?“ Worauf Schuldezernent Robert Voigtsberger erklärte, dass er hier als Beigeordneter die Oberbürgermeisterin vertrete. Er betonte, die Zahl der abgelehnten Schüler gehe zurück, neun von zehn hätten ihre Wunschschule bekommen. Ein anderer Schüler merkte an, dass die Stadt derzeit ja für viel Geld die Oper saniere, und fragte, warum dann kein Geld für den Schulbau da sei. Der Ausschussvorsitzende Helge Schlieben (CDU) entgegnete: Der Mangel an Plätzen liege jetzt nicht am Geld, aber vor zehn Jahren sei zu wenig in den Schulbau investiert worden.

Wo ist eigentlich Frau Reker?
Ein Schüler wollte am liebsten direkt mit der Oberbürgermeisterin sprechen.

SPD-Ratsherr Oliver Seeck kritisierte, das Bündnis aus Grünen, CDU und Volt habe wiederholt Vorschläge zur Schaffung von Gesamtschulplätzen abgeblockt, zuletzt bei der möglichen Umwandlung einer Hauptschule in Neubrück. Dort hätten 108 Gesamtschulplätze eingerichtet werden können, das hätte Druck von den Gymnasien genommen.