Kölns neue Mitte: Neben dem Fernbahnhof in Kalk gehören auch eine begrünte Radverbindung auf dem Gleisbett sowie der Bau von neuen Wohnbau-Quartieren zur Vision.
Projekt Neue Mitte KölnVerein will den Kölner Hauptbahnhof nach Kalk verlegen
Wie wird aus einer Vision eine Idee und aus einer Idee ein handfestes Projekt? Diese Frage haben sich wohl die Mitglieder des Vereins Neue Mitte Köln gestellt, als sie im Mai 2021 mit ihrer Idee an die Öffentlichkeit gingen, den Hauptbahnhof als neuen Fernbahnhof nach Kalk und den ÖPNV in der gesamten Innenstadt unter die Erde verlegen zu wollen. Mittlerweile gibt es zu dieser Vision einen Katalog an Kriterien, die Basis für eine Machbarkeitsstudie sein wird. Ab Herbst soll sie entwickelt werden. Der Verein hat diese Kriterien in einer Vorstudie mit dem Wuppertal Institut erarbeitet.
Zahlreiche Auswirkungen auf Stadt, Wirtschaft und Gesellschaft
Das Nachhaltigkeitsinstitut ist eine Art Forschungskonglomerat, das global agiert. Neben viel Literaturrecherche haben die Verantwortlichen Thorsten Koska und Anja Bierwirth mit dem Institut 18 Expertinnen und Experten gefragt. Zu diesen Experten gehören Personen mit Fachwissen aus unterschiedlichen Teilen Deutschlands, aber auch lokale Partner, die sich mit der Situation in Köln auskennen.
Neben dem Fernbahnhof in Kalk gehören auch eine begrünte Radverbindung auf dem jetzigen Gleisbett sowie der Bau von neuen Wohnbau-Quartieren an heutigen Bahnschnittstellen zu der Vision des Vereins und des Kölner Architekten Paul Böhm. So wie eine „Parkstadt Nord“ am Mediapark, dort wo heute der Betriebsbahnhof der Deutschen Bahn ist. Wie sich diese Maßnahmen auf das Leben in der Stadt auswirken, dafür hat die Vorstudie nun eine Grundlage entwickelt, um diese Auswirkungen greifbar zu machen.
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Wie lange dauert der Weg zum Bahnhof?
Das Ergebnis ist eine Aufteilung in fünf sogenannte Wirkungsdimensionen. Mobilität und Verkehr, Ökologie, Ökonomie, Stadtraum und Gesellschaft. Ein Beispiel: Das Wirkungsfeld Stadtverkehr wird in verschiedene Kriterien unterteilt, unter anderem die Erreichbarkeit für die Verkehrsträger per Auto, ÖPNV oder dem Fahrrad. Die Indikatoren, also praktisch die Messwerte, um diese Erreichbarkeit zu analysieren, sind neben Reisezeit und der zeitlichen Erreichbarkeit eines zentralen Ortes auch die Häufigkeit des Umsteigens, aber auch das Verhältnis der Reisezeit im Vergleich zur gleichen Strecke mit dem Auto.
Paul Böhm ist auch Vorsitzender des Vereins. Zu dem Kriterienkatalog erklärt er: „Wir haben einen Handlungsrahmen bekommen, um professionell und zielgerichtet die Umsetzungs- und Wirkungsstudie zu bestreiten.“
Dafür hat der Verein 60.000 Euro bezahlt. Zudem waren Verein und Institut fast ein Jahr länger mit der Vorstudie beschäftigt als geplant. Die im Juni 2022 beauftragte Studie sollte im April 2023 fertig sein, mittlerweile ist März 2024. Die Ehrenamtlichen, aber auch die Forschungsexperten hatten die Komplexität des Projekts, das mehr oder minder den gesamten Nah- und Fernverkehr auf der Schiene in Köln neu ordnen will, unterschätzt. Der Aufwand wird jedoch nicht weniger.
Die Machbarkeitsstudie, die mit Umsetzungs- und Wirkungsstudie einen neuen Namen bekommen hat, soll im vierten Quartal 2024 starten, die Ausschreibungen dafür schon jetzt. Insgesamt soll die Studie zwei Jahre dauern und 1,4 Millionen Euro kosten. Der Verein mit 30 Mitgliedern stemmt das über Spenden. Zusagen für rund 400.000 Euro sind laut Geschäftsführer Thomas Müller bereits eingegangen.
„Wir wollen die Akzeptanz dieses Projekts in der Bevölkerung stärken“, erklärt Böhm. Dafür muss sich der Verein parallel professionalisieren. Eine neue Webseite verdeutlicht die Ideen, die die neue Mitte Köln bieten soll. Es gibt mittlerweile Räumlichkeiten an der Aachener Straße, die der Verein nutzen kann.
Was dafür wichtig ist, erklärt Anja Bierwirth, Leiterin des Forschungsbereichs Stadtwandel im Wuppertal Institut: „Nachhaltigkeit ist immer ein Kompromiss. Entscheidend wird es sein, dass alle gesellschaftlichen Gruppen auf diesem Weg mitgenommen werden.“
Von einer handfesten Idee ist der Traum der neuen Stadt noch weit entfernt. Aufwand und Kosten für so ein Projekt will sich bei den vielen stockenden Großprojekten in Köln derzeit wohl niemand ausmalen.