Der Ebertplatz in Köln, ein Hotspot für Drogenhandel und Kriminalität, ist der Gastronomin Alexandra Hörsken und vielen anderen Anwohnern schon lange ein Dorn im Auge. Die Probleme sind hartnäckig.
Misere am EbertplatzAnwohner und Behörden suchen Lösungen gegen Kriminalität und Drogen
Belästigte Gäste, bedrohte Mitarbeiter, Müll vor dem Lokal und zerstörtes Mobiliar. Wenn jemand über die Zustände am Eigelstein berichten kann, dann Alexandra Hörsken. Die Gastronomin leitet seit Jahren das Cafe „dreiviertel“ am Eigelstein und erlebt täglich die Auswüchse des Drogenhandels rund um den Platz. „Ich wusste, dass es an dem Ort schwierig werden wird. Aber so krass habe ich es mir nicht vorgestellt“, sagte sie im Gespräch mit der Rundschau. Es beginne schon in der Frühe. Wenn ihre Mitarbeiter morgens das Lokal öffnen, ist der Bereich vor dem Eingang oft vermüllt. Ein Problem: Vor dem Geschäft stehen Bänke und dort lassen sich die Dealer und Konsumenten am Abend und in der Nacht nieder. Manchmal entdecken die Mitarbeiter dann auch zerschlagende Tische.
Eigelstein: Drogenprobleme schon lange ein heißes Thema
Tagsüber würde sich das Klientel manchmal an die Tische setzen, aber nicht bestellen. Zudem würden Gäste beleidigt. Blumen werden auf der Terrasse schon lange nicht mehr gepflanzt. In den Töpfen verstecken die Dealer ihre Drogen. Doch das ist nicht alles: „Einmal kam ein betrunkener Mann in das Geschäft, packte sich zwei Gläser und warf sie auf einen Mitarbeiter“, berichtete die Chefin weiter. Sie habe mittlerweile Angst vor der Gewaltbereitschaft.
Die Drogenproblematik und ihre Auswüchse brennen Alexandra Hörsken schon lange auf den Nägeln – und nicht nur ihr. Das Thema ist am Eigelstein allgegenwärtig. Wie sehr die Zustände die Menschen bewegt, zeigte wieder einmal der Ansturm bei der Versammlung des „Bürgerverein Eigelstein“. Der Verein hatte prominente Gäste eingeladen. Polizeipräsident Johannes Hermanns kam, genauso wie KVB-Chefin Stefanie Haaks und Stadtdirektorin Andrea Blome. Hermanns machte deutlich, wie oft die Polizei an dem Kriminalitätsschwerpunkt im Einsatz ist. Im Jahr 2023 gab es dort fast 1000 Einsätze — dabei ging es um die gesamte Bandbreite der Straßenkriminalität (2022: 685 Einsätze). Die Sorgen der Bürger nehme die Polizei sehr ernst. „Wir haben unsere Präsenzzahlen verdoppelt“, betonte Hermanns. Kürzlich begleitete Hermanns Schulkinder am Ebertplatz auf dem Weg zur Schule und erlebte in den frühen Morgenstunden bereits Drogenhandel.
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Mobile Wache wollen die Behörden nicht
Eltern hatten sich massiv darüber beschwert, dass ihre Kinder dies erleben müssen. Hermanns verwies auf die Erfolge durch die Videoüberwachung auf dem Platz. In 320 Fällen seien Tatverdächtige erfasst worden. Ein mobile Wache, wie sie vehement von den Anwohner gefordert wird, lehnte der Behördenleiter ab: „Videoüberwachung ist die bessere und effizientere Maßnahme. Eine mobile Wache ist nicht das Allheilmittel“. Außerdem seien Streifenwagen von der Wache an der Stolkgasse „extrem schnell da“. Ein Ziel der Polizei müsse es sein, die Lieferketten der Drogen für den Ebertplatz zu unterbinden.
Stadtdirektorin Andrea Blome befasst sich schon länger mit dem Ebertplatz und fasste am Montag ihre Meinung so zusammen: „So kann es nicht bleiben. Der Platz ist städtebaulich tot.“ Die Maßnahmen von Künstlern und Initiativen den Platz zu beleben, hätten nicht gefruchtet. Dann ging Blome auf den Vorschlag des ehemaligen Stadtdirektors Stephan Keller ein. Er hatte nach einer Begehung die Schließung der unterirdischen Passagen ins Gespräch gebracht. Mit diesem damaligen Vorschlag können sich verschiedene Anwohner anfreunden. Es brandete Applaus auf, als Blome von dem alten Vorschlag berichtete. Keller wollte die unterirdische Westpassage „zuschütten“ lassen. Er kündigte den Künstlern, die dort ihre Ateliers haben. Später widerrief die Stadt die Kündigungen. OB Reker pfiff ihren Stadtdirektor damals zurück.
Im Jahr 2018 beschloss der Rat der Stadt eine interimsmäßige Nutzung, die nun bis in Jahr 2025 finanziert ist. Unter anderem sprudelt der Brunnen im Sommer wieder, es gibt einen Gastro-Container, Tanz- und Theateraufführungen. Es steht eine große Holz-Freitreppe auf dem Platz. Die Bespielung sorgt besonders im Sommer für eine spürbare Belebung des Platzes, doch die Drogendealer sind weiter auf und neben dem Platz präsent. Bei aller Wut der Bürger über die Zustände auf dem Platz lenkte Stefan Lehmann vom Kölner Gesundheitsamt den Blick auf die Drogenkonsumenten. „Es ist auch eine Frage von Angebot und Nachfrage. Aus der Breite der Gesellschaft wird am Ebertplatz eingekauft.“ Die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) haben durch die Zustände am Ebertplatz mit zunehmenden Fahrgastbeschwerden zu kämpfen. Auch KVB-Mitarbeiter hätten ein „mulmiges Gefühl“, hieß es unlängst. So gehen die Mitarbeiter ungern am Ebertplatz auf Toilette. KVB-Chefin Haaks dazu: „Sie sollen dort hingehen, wo sie sich wohlfühlen.“ Zu einem Ergebnis kamen die Beteiligten bei der Bürgerversammlung nicht. „Eine einfache Lösung gibt es nicht“, betonte Streetworker Stefan Lehmann.
Chronologie
2017 wird ein 22-Jähriger Opfer einer tödlichen Messerattacke auf dem Ebertplatz. Es ist der vorläufige Tiefpunkt im jahrelangen Niedergang des Platzes, der von offenem Drogenhandel und aggressiven Dealern geprägt ist. Mehr als 15 Jahre lang hat man in Köln schon über eine Neugestaltung des verwahrlosten Platzes mit seinen dunklen Angsträumen und stillgelegten Rolltreppen diskutiert. Pläne für eine Tiefgarage wurden geprüft und wieder verworfen. 2019 stirbt erneut ein Mensch bei einer Auseinandersetzung am Ebertplatz. 2023 wurde ein 16-Jähriger im September bei einer Auseinandersetzung mit einem 24-Jährigen lebensgefährlich verletzt. Der Angriff geschah am helllichten Tag um 11.30 Uhr. Ein Passant hatte den stark blutenden Jugendlichen auf der Platzfläche bemerkt. 5 mal am Tag ist die Polizei durchschnittlich am Ebertplatz im Einsatz. Erst in der vergangenen Woche führten die Sicherheitsbeamten erneut massive Kontrollen an dem Schwerpunkt durch und entdeckten Drogen sowie Bargeld. Es wurden 35 Strafanzeigen geschrieben – allein nur in dieser einen Woche. (ta)