Seit dem 1. März ist Julia Pedersen die neue Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Köln. Kaja Hempel sprach mit ihr über ihre Aufgaben, die aktuelle Lage in der Gleichberechtigung und Pläne für die Stadt.
Kölner GleichstellungsbeauftragteMein Gesamtziel ist, Köln zur Vorzeigestadt Europas zu machen
Das Land Bayern hat das Gendern offiziell untersagt. Die CDU Köln hat bereits im vergangenen Jahr auf einem Parteitag beschlossen, nicht zu gendern. Frau Pedersen, wie stehen sie zu der Verwendung grammatischer Geschlechter und was bedeutet Gendern für das Thema Gleichstellung?
Ich finde diesen Begriff Gendern irritierend, denn das würde implizieren, dass wir aktuell in der deutschen Sprache neutral sprechen. Das stimmt ja nicht. Wir gendern ganz stark zugunsten des männlichen Geschlechtes. Für mich ist es also eher Entgendern, was wir hier als Gendern bezeichnen und ich bin der Ansicht, dass es sehr wichtig ist, dass wir das tun. Auch, dass man auf Begrifflichkeiten in Berufen achtet. Viele sagen noch immer Feuerwehrmann und Krankenschwester, was natürlich stereotype Rollenverteilung wieder heraufbeschwört oder in unseren Gedanken verfestigt, die weder zeitgemäß sind, noch irgendwen im Thema Fachkräftemangel in die Zukunft führen. Insgesamt ist Sprache das, was unsere Gedanken prägt, und wenn wir inklusiv denken wollen, müssen wir unsere Sprache inklusiv gestalten.
Welche Themenbereiche fallen insgesamt unter den Begriff der Gleichstellung?
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Die Aufgaben im Amt für Gleichstellung sind aufgeteilt in interne und externe Gleichstellung. Mein Team und ich als Gleichstellungsbeauftragte müssen bei Personalentscheidungen wie Neueinstellungen oder Beförderungen zustimmen oder zumindest einbezogen werden und wir kümmern uns um die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf der städtischen Mitarbeitenden, um einige Beispiele zu nennen. Viele denken bei Gleichstellung immer noch, es gehe nur darum, Frauen zu stärken, da ist das Väternetzwerk, das es bei der Stadt Köln gibt, ein gutes Beispiel, um ein anderes Bewusstsein dafür zu schaffen. Ein Projekt der externen Gleichstellung ist beispielsweise „Edelgard“, das wir mitbetreuen, um die Sicherheit für Frauen im öffentlichen Raum zu verbessern. Auch bieten wir Veranstaltungen an und machen Kampagnen rund um Aktionstage wie den Internationalen Frauentag, den Weltmädchentag oder die Orange Days. Aktuell arbeiten wir zudem am dritten Gleichstellungsaktionsplan mit dem Schwerpunktthema reproduktive Rechte.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Ein Punkt der immer genannt wird, ist der „Gender Pay Gap“. Wie sieht das in Köln aus, verdient eine Beigeordnete so viel wie ein Beigeordneter oder eine KVB-Fahrerin genauso viel wie ein KVB-Fahrer?
Bei allem, was über den TVöD (Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst) geregelt ist, haben wir natürlich eine starke Reglementierung. Das heißt, dass alle, die auf einer gleichwertigen Stelle sitzen, auch gleich bezahlt werden. Die Frage im öffentlichen Dienst ist allerdings häufig, wie jemand eingruppiert ist. Also werden die immer noch von Männern dominierten Berufsbereiche vielleicht tendenziell immer noch besser bezahlt als die von Frauen dominierten Bereiche? Das ist ja dann eher dieser Gender Pay Gap.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf steht aktuell unter Druck durch die Änderungen der Bundesgesetze. Wie sehen Sie es, dass Eltern ab April nur noch einen Monat gemeinsam Elterngeld erhalten und sich somit Zeit für das gemeinsame Kind nehmen können?
Ich verstehe, was der Gedanke dahinter war, dass Väter mehr Elternzeit nehmen und die Carearbeit besser aufgeteilt wird zwischen den Eltern. Ich weiß nur nicht, ob diese Regelung zu diesem Ziel führt. Ich befürchte, dass Erstens vielleicht die Bereitschaft von Vätern oder Arbeitgebern nicht so groß ist, so etwas zu unterstützen und dann noch mehr an Müttern hängen bleibt. Und zum Zweiten ist auch da der Gender Pay Gap ausschlaggebend. Als ich selbst in Elternzeit gegangen bin, verdiente mein Mann zu dem Zeitpunkt mehr als ich. Das beeinflusst dann am Ende wesentlich, wer wieviel Carearbeit übernimmt und dafür im Job Stunden reduziert.
Wer nimmt denn in Köln mehr Elternzeit? Mütter oder Väter?
Definitiv Mütter. Tatsächlich geht der Trend bei den Vätern stark nach oben, aber Männer nehmen insgesamt immer noch sehr viel kürzere Elternzeit. Also im Schnitt vier Monate und Frauen im Schnitt 15 Monate.
Gibt es eigentlich ein Stillzimmer im Stadthaus?
Es gibt Eltern-Kind-Büros in vielen Ämtern, in denen man dann theoretisch auch stillen könnte. Ich würde mir wünschen, dass man Still- und Pumpzimmer sowie Eltern-Kind-Büros, wenn man Liegenschaften neu bezieht oder neu baut, von Anfang an mitdenkt und es eine zentrale Stelle gibt, die bei der Einrichtung berät und an die sich Mütter und Väter wenden können mit Fragen wie: Wo gibt es was? Wo kann ich mich hinwenden, wenn ich beispielsweise mein Kind mitbringe, weil die Kita heute zu ist? Das Bündnis BerufsLeben hat auch Spiele-Koffer, die man da anfragen kann für unterschiedliche Altersgruppen.
Und wie sehen sie die immer wieder dramatisch dargestellte Situation mit Kita und Schulplätzen in Köln in Bezug auf das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf?
Nach gerade einem Monat habe ich noch keinen Überblick über alle gleichstellungsrelevanten Themen, die es bei der Stadt Köln gibt, aber ausreichend Kita- und Schulplätze sind für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf natürlich essenziell.
Gender Mainstreaming für Chancengleichheit
Man hört oft den Begriff Gender Mainstreaming. Was können sich unsere Leserinnen und Leser darunter vorstellen?
Gender-Mainstreaming kann man schön an einem Beispiel aus einer Kleinstadt in Schweden erklären. Das Thema: Schneeräumung. In der Stadt wurde überlegt: Gibt es Themen, die Frauen und Männer unterschiedlich betreffen? Dabei kam raus: Die meisten Männer fahren Auto, die meisten Frauen Fahrrad oder gehen zu Fuß. Trotzdem wurden erst die Straßen geräumt und danach die Fuß- und Radwege. Obwohl man mit dem Auto auf Schnee besser fahren kann und zu Fuß und mit dem Fahrrad eher Verletzungsgefahr besteht.
Also werden jetzt die Rad- und Fußwege zuerst vom Schnee befreit?
Das wäre sinnvoll. Und um solche Erkenntnisse zu erlangen, müssen wir Daten erheben. Das verbraucht auch Ressourcen, das ist mir bewusst, aber es lohnt sich systematisch zu schauen, was haben wir für Themen und können wir jedes dieser Themen auf Daten runterbrechen, die wir dann per Geschlecht – zunächst mal binär, vielleicht in der Zukunft auch noch non-binär – trennen können, um zu sehen, was man ändern kann, damit wir für alle Geschlechter Chancengleichheit schaffen.
Denken Sie, in Zukunft wird es mehr um die non-binären schlechter gehen?
Aus meiner Sicht ja. Wir müssen weg von diesem reinen binären Denken, aber auf eine Art und Weise, die niemanden zurücklässt, also auch Frauen nicht zurücklässt und nichts wieder kaputt macht von dem, was wir schon erreicht haben. Es muss darum gehen, alle gleichzeitig mitzunehmen und anzuerkennen, dass wir uns nicht alle einem binären Geschlecht zuordnen können oder wollen. Bei der Stadt Köln tut das Amt für Integration und Vielfalt sehr viel, gerade was non-binäre Geschlechter angeht.
Seit rund 40 Jahren wird in Köln Gleichstellungsarbeit betrieben. Wenn Sie auf diese Zeit blicken, wie sehen sie den Wandel der Aufgaben und hätten Sie möglicherweise an einem Punkt in der Vergangenheit etwas anders gemacht?
Ich hätte in den Zeiten, in denen meine Vorgängerinnen gewirkt haben, nichts anders gemacht. Lie Selter als deutschlandweit erste Frauenbeauftragte, so hieß das damals noch, und ihre Nachfolgerinnen haben alle wertvolle Arbeit geleistet, für die ich sehr dankbar bin. Jede hat eigene Akzente gesetzt.
Gibt es Themen, die Ihnen derzeit Sorgen bereiten und wo sehen Sie Potenzial?
Soweit ich das nach gerade mal einem Monat beurteilen kann, sehe ich uns bei vielen Themen sehr gut aufgestellt. Potenzial liegt für mich im systematischen Gender Mainstreaming, wenn man nachhaltig etwas verändern will. Mein Gesamtziel ist, Köln zur Vorzeigestadt Europas zu machen beim Thema Gleichstellung.