AboAbonnieren

Interview

Ost-West-Achse in Köln
„Genehmigung für Langzüge ist fraglich“

Lesezeit 6 Minuten
Einen ersten test mit Langzügen zwischen Neumarkt und Heumarkt hat es schon gegeben. Doch Professor Stölting hat Bedenken.

Einen ersten test mit Langzügen zwischen Neumarkt und Heumarkt hat es schon gegeben. Doch Professor Stölting hat Bedenken.

Tunnel oder oben bleiben: Die Positionen vieler Ratsfraktionen zur Ost-West-Achse stehen fest – Wie sieht es ein Verkehrs-Ingenieur?

Es ist eine der größten verkehrspolitischen Entscheidungen für Köln der vergangenen 20 Jahre: Wird zwischen Heumarkt und Aachener Weiher ein Stadtbahntunnel gebaut oder wird die Achse oberirdisch ertüchtigt? Ingo Schmitz sprach darüber mit Dr.-Ing. Volker Stölting, Professor an der TH Köln für Schienenverkehr und öffentliche Verkehrssysteme.

Die Entscheidung zur Ertüchtigung der Ost-West-Achse soll voraussichtlich im Oktober im Stadtrat fallen. Tunnel oder oberirdischer Ausbau: Was wäre aus Ihrer verkehrstechnischer Sicht sinnvoller?

Das ist leider keine Eins- oder Null-Entscheidung. Ein wichtiges Ziel ist es, schnell mehr Kapazitäten auf dieser Stadtbahntrasse zu schaffen. Mit einem Tunnel ist das natürlich nicht zu erreichen, weil der eine lange Bauzeit hat. Es ginge schneller, den gesamten Straßenraum zwischen Aachener Weiher und Heumarkt so umzubauen, dass mehr Stadtbahnen dort verkehren können. In einem ersten Schritt müssten dort die bestehenden 60 Meter Stadtbahnen eingesetzt werden und die Zahl der Züge pro Stunde verdichtet werden auf einen Fünf-Minutentakt je Linie. Der zweite Schritt wäre die rechtliche Klärung, ob dort auch 90 Meter lange Bahnen fahren können. Sollten dann die Kapazitäten im Zuge der Verkehrswende immer noch nicht reichen, wäre in einem dritten Schritt zu überlegen, mittel- oder langfristig eine Zusatztrasse zu bauen oder tatsächlich eine Tunnellösung anzustreben.

Dr.-Ing. Volker Stölting.

Dr.-Ing. Volker Stölting.

Welche Hürden müssen denn genommen werden, sollen auf der Ost-West-Achse 90 Meter lange Stadtbahnen fahren?

Die Betriebsordnung für Straßenbahnen sagt ganz klar, 75-Meter-Bahnen sind das Maximum – zumindest dort, wo Fußgänger queren und Autos im gleichen Verkehrsraum fahren. Längere Bahnen sind nur zugelassen auf abgetrennten Fahrstrecken.

Das bedeutet, auf der Ost-West-Achse, so wie wir sie heute kennen, ist der Einsatz von 90-Meter-Bahnen nicht einfach so umzusetzen?

Dafür braucht es eine Ausnahmegenehmigung, und ich bin mir nicht sicher, ob die Bezirksregierung die erteilt, denn so etwas gibt es in unserer Region bisher nicht.

In Deutschland schon?

Ja, beispielsweise in Hannover gibt es 100-Meter-Bahnen. Allerdings nur im besonderen Verkehr, wie zu Messen oder Großveranstaltungen. Dafür gibt es dann zwei Strecken, die besonders hergerichtet sind. In Köln hingegen scheint mir vor allem mit Blick auf den Neumarkt, wo viele Fußgänger queren, fraglich, ob es eine Genehmigung für einen Langzug geben wird.

Im Tunnel hingegen sind lange Bahnen unproblematisch?

Im Tunnel können 100-Meter-Bahnen fahren, da die Bahnsteige dort 100 Meter lang sind – dort sind wir vollkommen unabhängig.

Sie haben als Argument gegen den Tunnel den Zeitfaktor beim Bau genannt. Gibt es noch andere Argumente gegen den Tunnel?

Da ist natürlich auch der Kostenfaktor. Der Tunnel ist die teuerste aller Lösungen. Ein weiterer entscheidender Nachteil ist, alle Fahrgäste müssen sehr weit nach unten gehen. Wir sehen das heute bereits an der Haltestelle Heumarkt, die liegt sehr tief. Auch die Haltestellen am Neumarkt und am Rudolfplatz müssten sehr tief liegen, um die Linien 3 und 4 sowie 12 und 15 zu unterfahren. Für die Fahrgäste bedeutet das mindestens 4 bis 5 Minuten, bis sie unten ankommen. Für mobilitätseingeschränkte Personen ist der Zugang noch zeitintensiver.

Der Fahrzeitgewinn wäre für den Fahrgast nicht spürbar.
Dr.-Ing. Volker Stölting über die Tunnellösung

Die KVB argumentiert für den Tunnel, er bringe einen Fahrzeitengewinn von vier Minuten, der wäre damit dahin?

Der Fahrzeitgewinn wäre für den Fahrgast nicht spürbar. Betrieblich hat die KVB natürlich durch den Tunnel Vorteile, denn die Bahnen können dort völlig unabhängig fahren, es gibt dort nichts, was ihnen in die Quere kommen könnte.

Können in einem Tunnel dadurch mehr Bahnen fahren?

Im Tunnel darf nur auf Signal gefahren werden. Durch die damit notwendigen Abstände kann nur eine begrenzte Anzahl von Bahnen im Tunnel verkehren. Und diese Anzahl ist nicht größer als die, die oberirdisch auf Sicht fahren dürfen.

Sie sagen selbst, im Tunnel kommt den Bahnen nichts in die Quere. Oberirdisch aber sehr wohl auf der Ost-West-Achse. Die KVB argumentiert mit täglichen Unfällen, durch die dort die Bahnen ausgebremst werden.

Ob das bei einer oberirdischen Lösung so bleibt, hängt davon ab, welche städtebaulichen Ziele die Stadt Köln beim Ausbau der oberirdischen Trasse setzt. Heute gibt es dort viel Durchgangsverkehr, von der Deutzer Brücke kommend bis zum Aachener Weiher. Dieser Durchgangsverkehr hat dort eigentlich nichts zu suchen. Der Verkehr zu den Parkhäusern hingegen geht in Ordnung, denn die Innenstadt soll ja erreichbar bleiben. Aber dafür brauchen wir nicht so viel Raum. Bei guter städtebaulicher Planung ist es hinzubekommen, dass es möglichst wenig Konfliktpunkte zwischen MIV und Stadtbahn gibt.

Die Tunnelbefürworter machen einen neuralgischen Punkt auf der Achse geltend, der gegen den oberirdischen Ausbau spreche: der Kreuzungspunkt zwischen Stadtbahnen und Autoverkehr an der südöstlichen Seite des Neumarktes. Ist das der Knackpunkt der oberirdischen Lösung?

Nicht, wenn die Umfahrung des Neumarktes durch den Pkw-Verkehr herausgenommen wird. Ich würde den MIV komplett auf die südliche Seite der Stadtbahntrasse legen, so dass diese Querung an diesem Punkt nicht mehr existiert.

Bei der Länge und Tiefe dieses Tunnels, bei den Artefakten, die dort wahrscheinlich im Erdreich liegen und bei dem voraussichtlich langwierigen Genehmigungsverfahren: zehn bis 20 Jahre.
Dr.-Ing. Volker Stölting über die Tunnellösung

Wie lang würde es denn nach Ihrer Erfahrung dauern, den Tunnel auf der Ost-West-Achse zu bauen?

Bei der Länge und Tiefe dieses Tunnels, bei den Artefakten, die dort wahrscheinlich im Erdreich liegen und bei dem voraussichtlich langwierigen Genehmigungsverfahren: zehn bis 20 Jahre.

Das heißt, wie bei den 90-Meter-Bahnen auf einer oberirdischen Trasse sehen Sie auch bei dem Tunnel Unsicherheiten bei der Genehmigung?

Ja. Das rechtliche Verfahren für einen Tunnel, der unter Wohnbebauung her und knapp an historischen Bauten vorbei führt ist nicht einfach.

Es gibt also keine einfache Lösung?

Was man sehr gut machen könnte wäre, mehr Bahnsteige zu bauen, nochmals zwei am Heumarkt und am Neumarkt. Dann gäbe es die Möglichkeit den Fahrgastwechsel, also das Ein- und Aussteigen, zu beschleunigen. Das gibt den Spielraum, um den Takt auch bei 60 Meter langen Bahnen weiter zu verdichten.

Zahlen zur Ost-West-Achse

56 Anhänge hat die Vorlage zum Variantenentscheid für die Ost-West-Achse. Damit ist sie eine der umfangreichsten Vorlagen in der Nachkriegsgeschichte des Kölner Stadtrates.

29 Meter tief liegt der tiefste Bahnsteig am Rudolfplatz, wenn die Tunnelvariante umgesetzt würde.

2,5 Kilometer lang ist die Achse, die der Variantenentscheid mit seiner Planung abdecket.

70 Sekunden Aufzugsfahrtzeit braucht es bei der Tunnelvariante am Heumarkt bis zur unterste Bahnsteigebene 3, inklusive Zwischenstopp.

8 Bäume müssten bei der oberirdischen Variante am Neumarkt gefällt und 93 würden neu gepflanzt. Für den Tunnel müssten am Neumarkt ebenfalls 8 Bäume weg aber 122 würden neu gepflanzt.

190 Millionen Euro kostet die oberirdische Lösung , 1 Milliarde Euro der Tunnel.