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68er in Köln (4)Klaus Laepple – Galionsfigur der Studentenproteste

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Es spielt noch alles um seinen Augen. Das Spitzbübische wie das Energische. Klaus Laepple brachte in Köln „die Obrigkeit“ gegen sich auf.

Köln – Der junge Mann legt das einnehmendste Lächeln auf, das ihm zur Verfügung steht. Zielstrebig geht er auf die Nonne zu und umarmt die Verdutzte innig. Noch bevor sie so recht realisiert, was da gerade vor sich geht, ist der Medizinstudent schon wieder weg. Er hat, was er wollte. Unbemerkt konnte er der Nonne den Badezimmerschlüssel aus der Tasche ziehen, damit der Patient, der seit Monaten ein Gips tragen musste, endlich zu einem Bad kommt. Das Aufmüpfige liegt Klaus Laepple einfach im Blut. Wo immer er das Gefühl hat, Mächtige setzen sich über das „einfache Volk“ hinweg, wallt es auf.

Damals war es die Nonne in einem Krankenhaus bei Prüm, die sich zur Herrin über die Patienten aufschwang. Kurz danach waren es die Eltern, die wollten, dass ihr Sohn wird, was sie sind: Mediziner. Als er stattdessen an der Universität zu Köln Wirtschaftswissenschaften studierte, da waren es die Ratspolitiker, die glaubten, sie könnten „par ordre du mufti“ die Fahrpreise der Kölner Verkehrs-Betriebe saftig erhöhen. Das war 1966. Das Jahr, in dem Klaus Laepple zur Galionsfigur der „68er-Revolution“ in Köln wurde.

In seinem Blick liegt noch alles drin. Die Augen des nunmehr 78-Jährigen können sowohl von einem spitzbübischen, einnehmenden Lächeln umspielt werden als auch durchdringend blitzen. Das ist es dann aber auch schon, was dem Eingeweihten Indiz für die aufrührerische Natur seines Gegenübers ist. Denn Klaus Laepple, der Torismusfunktionär, passt in keine Schublade. Schon gar nicht in die des Alt-68ers. Und früher war es nicht anders. Als er nach Köln zum Studieren kam, da hatte er in der rheinland-pfälzischen Eifel schon maßgeblichen Anteil daran gehabt, die Junge Union aufzubauen. Die Nachwuchsschmiede der CDU.

Die Regenschirmdemonstration: Bei strömendem Regen und mit aufgespannten Schirmen stellten sich 1966 Studenten am Rudolfplatz der KVB entgegen.

Böse Zungen könnten sagen, das hinderte ja nicht, gegen die Fahrpreiserhöhung von sage und schreibe 52 Prozent für Schüler und Studenten zu protestieren, denn die sei ja von der SPD entschieden worden. Die Sozialdemokraten hatten 1966 unter ihrem Bürgermeister Theo Burauen die absolute Mehrheit im Rat inne. Aber es sagt keiner. Weil alle, die Laepple kennen, wissen, er hätte nicht minder rebelliert, wäre die Erhöhung von der CDU beschlossen worden.

Wobei, die Erhöhung an sich brachte sein revolutionäres Blut „nur“ in Wallung. Gekocht hat es erst, als er am 21. Oktober mit protestierenden Schülern vor dem Kölner Rathaus stand. Weil die noch nicht 21 Jahre alt waren – die damalige Volljährigkeit – hatte Laepple die Demo für sie angemeldet. „Keiner der Politiker hat sich am Rathaus blicken lassen“, erinnert sich Laepple, und aus seinen Augen blitzt es. Stattdessen gab es ein Schreiben, die Protestierenden sollen doch bitte ins Protokoll der Ratssitzung schauen, dort stünden alle Argumente für die Erhöhung drin.

Drei Tage später kam es dann zu der Studentendemo, die Geschichte schrieb. Bei strömendem Regen und mit aufgespannten Schirmen hielt der intellektuelle Nachwuchs am Rudolfplatz die KVB auf. Die sogenannte Regenschirm-Demonstration. Nicht angemeldet. Für SPD, Oberbürgermeister und KVB-Vorstand tat sich in Köln ein Abgrund von Landesverrat auf. Der Rädelsführer war ausgemacht: Klaus Laepple. Die Staatsanwaltschaft ermittelte. Die Verkehrs-Betriebe klagten: Laepple sollte 90 000 DM zahlen. Der Verfassungsschutz klopfte bei Laepples Mutter in der Eifel an. Die Kontakte des Filius zur Sowjetunion mussten geprüft werden. Die Uni gab persönliche Dokumente von Studenten an die Polizei weiter. Schriftproben sollten zeigen, in wie weit die „Burschen“ in die Vorbereitungen der Regenschirmdemonstration verwickelt waren. OB Burauen gab eine Erklärung raus, in der er sich jede Meinungsäußerung von Seiten der Studenten verbat. Die hätten doch noch gar nichts geleistet für die Gesellschaft. Die Lage wurde kafkaesk.

Die KVB gestoppt von Studenten: Aufruhr in Köln. Die Kartenpreise sollten um 52 Prozent für Schüler und Studenten erhöht werden.

Klaus Laepple lehnt sich zurück, er spitzt den Mund. Ein spitzbübischer Zug spielt nun um seine Augen. „Warum hätte ich die Demonstration anmelden sollen, die war doch bereits überall angekündigt und allen bekannt. So hat es mir auch die Polizei bestätigt.“ Eulenspiegel gegen Kafka. Zu Karneval ging er als Strafgefangener. Der Studentenausschuss Asta erklärte sich bereit, notfalls die 90 000 Mark für Laepple zusammenzukratzen. Überflüssig. Die KVB verzichtete schließlich. Allerdings wurde die Fahrpreiserhöhung am Ende durchgedrückt. Laepple sieht den Protest dennoch als Erfolg: Auf viele Jahre habe die KVB keine Preiserhöhung mehr gewagt. Es war ein Schlagabtausch, der zumindest auf studentischer Seite auch humoristische Züge trug. Bis zum 2. Juni 1967. Als Benno Ohnesorg angeschossen in einem Berliner Innenhof starb, veränderten sich die Proteste – auch in Köln.

Und heute? Wie hat die 68er-Generation die Gesellschaft verändert? Wohin hat der Marsch durch die Institutionen geführt? Oder, um die Frage auf Laepple zuzuschneiden: Wie steht es heute um die Arroganz der Mächtigen? Da ist es vorbei mit Zurücklehnen. Vor dem Gespräch mit der Rundschau hat Laepple bei Bernd Petelkau vorbeigeschaut. Der Partei- und Fraktionschef der Kölner CDU, der bei „Hinterzimmergesprächen“ mit anderen Fraktionsspitzen ein Bündel von Positionen in Stadtbetrieben und Verwaltung nach Absprache verteilen wollte und so Mitschuld an einer politischen Krise trägt, wie sie die Stadt seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt hat. „Nichts hat sich geändert“, zischt Laepple durch die Zähne. „Gar nichts.“