Synagogen-Vorstand Abraham Lehrer hat seine Teilnahme abgesagt, Kritik kommt auch von anderer Seite. Die Kundgebung am Sonntag soll stattfinden.
Friedens-Kundgebung in Köln„Arsch huh“ verteidigt Kundgebung nach scharfem Protest

Gemeinsame Bewegung: Arsch-huh-Jubiläum in der Arena 2022.
Copyright: Meike Böschemeyer
Nein, eine Absage kommt nicht infrage, daran lässt Harald Engel, Sprecher der AG Arsch huh, keinen Zweifel. Die Kundgebung für Frieden in Israel soll wie geplant am Sonntag um 15 Uhr am Aachener Weiher stattfinden, obwohl der Zentralrat der Juden, die Deutsch-Israelische-Gesellschaft und auch die Kölner Synagogengemeinde zum Teil harsche Kritik am Format der Veranstaltung üben. Am Donnerstag wurde das Kölner Bündnis gegen rechts von der Absage des Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden, Abraham Lehrer, überrascht, der als Redner auftreten sollte.
Die Antwort von Arsch huh fällt besonnen aus. Den Kern der Diskussion verpackt das Bündnis am Freitag in seiner Stellungnahme in eine Frage: „Kann man gegen den schrecklichen und bedrohlich zunehmenden Antisemitismus in Deutschland erfolgreich kämpfen, ohne zumindest zu versuchen, den muslimischen Teil unserer Bevölkerung mit ins Boot zu holen?“ Genau dieses Ziel hat sich Arsch huh gesetzt, Abraham Lehrer hatte unter anderem mit dem Hinweise auf die „schwierige Rednerliste“ auf seine Teilnahme verzichtet. „Wir bedauern das außerordentlich“, heißt es bei Arsch huh. Zugleich wird die Hoffnung formuliert, Lehrer möge sich vielleicht „doch noch für eine Teilnahme entscheiden.“

Abraham Lehrer bei der NRW Solidaritätskundgebung am 8. Oktober.
Copyright: Thomas Banneyer
Zu den Rednern soll am Sonntag auch Aiman A. Mazyek vom Zentralrat der Muslime gehören. „Er hat die Muslime und Moscheegemeinden in Deutschland mehrfach aufgefordert, sich eindeutig gegen Antisemitismus in unserem Land zu positionieren“, begründet Arsch huh die Einladung. Doch beim Zentralrat der Juden stehen die Zeichen momentan nicht auf Versöhnung: „Nach dem Massaker vom 7. Oktober 2023 ist es zudem nicht an der Zeit, auf jeder Ebene eine ausgleichende Veranstaltung zu erzwingen. Es ist Zeit für eindeutige Solidarität mit Israel“, sagt Lehrer.
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Wer begreifen möchte, warum die Arsch huh AG, zu der die bekannten Kölner Musikgruppen gehören, zu diesem Zeitpunkt der Auseinandersetzungen in Israel ein Friedenszeichen setzen will, muss die Eröffnung der Ausstellung „Schalom und Alaaf. Jüdinnen & Juden im Kölner Karneval“ im Kölner NS-Dokumentationszentrum berücksichtigen. Dort äußerte Aaron Knappstein, Präsident der Kölschen Kippa Köpp, dem einzigen jüdischen Karnevalsverein der Stadt, den Wunsch, der Karneval möge sich klarer zu Israel bekennen. „Präsenz zeigen ist wichtig. Auch aus dem Karneval heraus passiert das immer noch zu wenig“, hatte er geäußert.
Miljö: „Wir sehen die Demo als einen Aufruf zu Verständigung und Dialog“
Der Aufruf zur Friedenskundgebung am Sonntag ist somit zu einem großen Teil als Antwort von Arsch huh auf diese Kritik zu verstehen. Das Bündnis hatte sich zu einem kollektiven Friedensaufruf entschlossen und explizit die Belange Israels in den Vordergrund gerückt. „Für uns sind das Existenzrecht und die Sicherheit Israels eine dauerhafte Verpflichtung“, heißt es im Aufruf zur Kundgebung. In seiner Stellungnahme schreibt das Bündnis nun: "Dazu gehört für die deutsche Gegenwart unser Bemühen, ein breites Bündnis gegen Rassismus und Antisemitismus zu schmieden. Wie schwer das ist, wird uns nun schmerzhaft bewusst.“
An der Kundgebung werden Musiker von Brings teilnehmen, von Erdmöbel und Miljö, ebenso die „Arsch huh“-Band - einige Gruppen hatten wegen Auftritten auf eine Teilnahme verzichtet. Die Mitglieder von Miljö sehen die Veranstaltung am Aachener Weiher als Aufruf zum Miteinander: „Wir sehen die Demo als einen Aufruf zu Verständigung und Dialog. Terror, Krieg und Gewalt bringen unfassbares Leid für Menschen, egal auf welchem Teil dieser Erde sie geboren wurden“, teilt die Gruppe auf Anfrage der Rundschau mit.
„Ich finde, wir müssen das unbedingt machen. Der Kampf gegen Antisemitismus muss aus der Zivilgesellschaft heraus kommen.“
Mit dabei ist auch Kabarettist Jürgen Becker, der nicht Teil der Arsch-huh-Initiative ist, aber mehrfach bei Kundgebungen auf der Bühne stand. Es sei nicht beabsichtigt gewesen, das Leid der jüdischen Bevölkerung zu vergleichen mit der Lage der Palästinenser. „Nazi-Deutschland hat sechs Millionen Juden ermordet. Trotz dieses in der Geschichte beispiellosen Verbrechens gibt es heute eine Deutsche Botschaft in Tel Aviv und eine Israelische Botschaft in Berlin. Also muss es möglich sein, dass auch Israelis und Palästinenser, Juden und Muslime wieder friedlich zusammenleben. Im Nahen Osten - und hier in Köln. Dafür den „Arsch huh“ zu kriegen ist unsere Pflicht.“ Die Kritik habe er als etwas unfair empfunden. „Ich finde, wir müssen das unbedingt machen. Der Kampf gegen Antisemitismus muss aus der Zivilgesellschaft heraus kommen.“
Auffallend ist, wer nicht, bei der Veranstaltung dabei ist. Künstler wie Kasalla, Höhner oder Bläck Fööss finden sich nicht auf der Liste der Teilnehmenden. Sie haben mit Blick auf zahlreiche Konzerte und Weihnachtsspecials abgesagt. BAP-Chef Wolfgang Niedecken wird ebenfalls nicht dabei sein.
Das sagen die Parteien
Der Kritik an Arsch huh schloss sich am Freitag die FDP-Ratsfraktion an. „Wir als FDP können die Entscheidung von Herrn Lehrer vollkommen nachvollziehen“, sagt Ralph Sterck, Fraktionsvorsitzender der Liberalen im Kölner Stadtrat. Der Aufruf verkenne, dass ein Großteil der israelischen Opfer jüdischen Glaubens sind und somit klarer Judenhass die Grundlage dieser Anschläge ist. Weiter nehme „Arsch huh“ die Hamas als Quelle für die Anzahl der Opfer auf palästinensischer Seite, ohne dies kritisch zu hinterfragen. Es werde in dem Aufruf nicht erwähnt, dass die Hamas den Konflikt begonnen habe und Israel sich verteidigt.Der vorgelegte Aufruf sei „leider nur enttäuschend und inakzeptabel“. Es sei traurig, dass eine in der Kölner Stadtgesellschaft so angesehene Institution unsere jüdischen Mitbürgerinnen und -mitbürger dermaßen brüskiere. „Wir als FDP stehen fest an der Seite Israels und aller Jüdinnen und Juden in Deutschland. Judenhass ist inakzeptabel, und wir werden entschlossen gegen jede Form von Antisemitismus vorgehen.“
Die Veranstaltung komme viel zu spät und weise keine klare Haltung auf, sagte der CDU-Fraktionschef im Stadtrat, Bernd Petelkau. „Gerade in dieser Situation kann und darf es kein ,Ja, aber' geben. Als Kölner CDU-Fraktion verurteilen wir den barbarischen Terrorakt der Hamas aufs Schärfste. Wir stehen unmissverständlich an der Seite Israels. Unsere volle Unterstützung gilt Abraham Lehrer, dessen Entscheidung, nicht an der Kundgebung teilzunehmen, absolut richtig und konsequent ist.“
Info zur Kundgebung
Arsch huh, Sonntag, 3. Dezember, von 15 bis 17 Uhr am Aachener Weiher. Es wirken mit: Arsch Huh Band, Gerhart Baum, Jürgen Becker, Brings, Carolin Emcke, Erdmöbel, Charly Klauser, Aiman A. Mazyek, Miljö, Wilfried Schmickler.