Der Streit um das Heizkraftwerk Rostock eskaliert: „Klimawende Köln“ fordert die vorzeitige Abschaltung, die Rheinenergie verteidigt den wirtschaftlichen Nutzen, der den Kölner Bürgern zugutekommt.
Jede Menge KohleStreit um Kraftwerk der Kölner Rheinenergie in Rostock
![Aus einem Kühlturm von einem Kraftwerk steigt Rauch in den Himmel.](https://static.rundschau-online.de/__images/2025/02/04/f6b602f9-213b-47b5-9531-4a9a5d0241a4.jpeg?q=75&q=70&rect=0,173,4000,2250&w=2000&h=1298&fm=jpeg&s=1fa590520ad39d99ed169f4e960784b2)
Das Kraftwerk in Rostock: Um die Laufzeit gibt es Debatten.
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Zwischen der Bürgerinitiative „Klimawende Köln“ und der Rheinenergie gibt es Krach um das Heizkraftwerk Rostock. Die Initiative wirft dem städtischen Energieversorger vor, sie wolle den mit Steinkohle betriebenen Block länger betreiben als eigentlich versprochen. Für sie ist das Heizkraftwerk eine klimaschädliche CO2-Schleuder, die 2021 rund zwei Millionen Tonnen Treibhausgase ausgestoßen hat und möglichst rasch vom Netz gehen sollte. Für die Rheinenergie hingegen ist das vollständig abgeschriebene Kraftwerk ein gutes Geschäft, dessen beträchtliche Erlöse den Kölner Bürgern zugutekommen. Obendrein ist es ein wichtiger Baustein für eine sichere Energieversorgung. So oder so: Es geht um jede Menge Kohle.
In Betrieb ging die Anlage im Rostocker Seehafen 1994, sie ist das einzige Steinkohlekraftwerk in Ostdeutschland. Im Jahr 2011 erwarb die Rheinenergie einen Anteil von 49,62 Prozent, Mehrheitseigentümer ist EnBW mit 50,38 Prozent. Außerdem betreibt der Kölner Energieversorger Heizkraftwerke im Niehler Hafen und in Merkenich.
Die Rheinenergie habe „zugesagt, sich bei EnBW für eine vorzeitige Stilllegung des Kohlekraftwerks Rostock einzusetzen. Jetzt scheint das Gegenteil der Fall zu sein“, betont Renate Heurich von Klimawende Köln. „EnBW plant den Kohleausstieg bis 2028, nun soll das Kraftwerk Rostock aber doch bis 2032 laufen“, sagte sie. Die Initiative verweist auf „enorme Klima- und Umweltschäden“ durch die Verbrennung von Steinkohle sowie „Menschenrechtsverletzungen bei der Kohleförderung“. Mit längeren Laufzeiten für Rostock verstoße die Rheinenergie gegen den 2022 mit „Klimawende Köln“ geschlossenen Kompromiss sowie den anschließenden Ratsbeschluss dazu, kritisiert Heurich (siehe Infotext).
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Rheinenergie weist Kritik zurück
Sie bezweifelt auch, dass das Kraftwerk Rostock in Zukunft profitabel sein werde. Schon 2024 sei es nur noch sehr selten unter Volllast gelaufen, außerdem steige der Preis für CO2-Zertifikate kontinuierlich, „wodurch Steinkohlekraftwerke in Europa noch unwirtschaftlicher werden“. Unter anderem deshalb seien voriges Jahr 16 Steinkohle-Kraftwerksblöcke in Deutschland abgeschaltet worden – darunter die der Stadtwerke von München, Bremen und Hannover, aber auch von großen Energieversorgern wie Steag, Uniper, GKM und Onyx. Die Rheinenergie müsse die Zahlen offenlegen, fordert Heurich.
Die Rheinenergie wies die Kritik zurück. Man habe keine Jahreszahl für die Abschaltung des Kraftwerks genannt, sagte Konzernsprecher Christoph Preuß . „Wir haben kommuniziert, dass nach dem Kohleverstromungsbeendigungsgesetz das Kraftwerk Rostock vermutlich Anfang der 30er-Jahre eine Stilllegungsanordnung zu erwarten hat. Unabhängig davon bewerten wir kontinuierlich die wirtschaftliche Situation, die auch zu einer früheren Stilllegung führen kann.“
Das Kraftwerk Rostock sei im Nordosten Deutschlands die einzige nennenswerte steuerbare Erzeugungseinheit, die auch bei Dunkelflaute und Sturm funktioniere, „weshalb es für die Stabilität des Übertragungsnetzes eine besondere Rolle spielt“. Nach Einschätzung des Übertragungsnetzbetreibers „50hertz“ sei Rostock für den sicheren Betrieb der Stromnetze auf längere Sicht notwendig, so Preuß. „Dies würde bedeuten, dass bei einer Stilllegung die Wahrscheinlichkeit einer Ausweisung als systemrelevantes Kraftwerk und damit einer Überführung in die Netzreserve sehr hoch ist.“ Dann fahre das Kraftwerk unter Regie des Netzbetreibers und diene dazu, in kritischen Wetterlagen, bei denen die erneuerbaren Energiequellen schwächeln, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Rostock trägt beträchtlichen Teil zu Mehreinnahmen bei
Den Vorwurf, es werde Kohle verbrannt, bei deren Förderung es zu Menschenrechtsverletzungen komme, weist die Rheinenergie ebenfalls zurück. Für die Beschaffung der Steinkohle ist EnBW zuständig. Das Unternehmen erklärte auf Anfrage: „Das Heizkraftwerk Rostock bezieht Kohle aus dem US-amerikanischen Abbaugebiet der nördlichen und zentralen Appalachen. Mit dem Produzenten wurden Gespräche zu Umwelt-, Sozial- und Governance-Standards geführt, die wir als EnBW in den Verhaltensgrundsätzen für die verantwortliche Beschaffung für Steinkohle und andere Rohstoffe festgelegt haben.“
Zu den Erträgen des Kraftwerks verweist die Rheinenergie auf seine Geschäftsberichte. Demnach stieg das Jahresergebnis nach Steuern im Jahr 2023 von 168 auf 316 Millionen Euro. Wörtlich heißt es: „Das Ergebnis wird im Wesentlichen getragen vom Kraftwerksbereich.“
Nach Rundschau-Informationen trug Rostock einen beträchtlichen Teil zu diesen Mehreinnahmen bei. Je nach Marktsituation verdient das Kraftwerk an bestimmten Tagen Millionenbeträge. Tatsächlich hat das Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt im Doppelhaushalt 2025/2026 Sondergewinne der Rheinenergie in Höhe von 46 Millionen Euro eingesetzt, um den Hebesatz der Grundsteuer abzusenken. 46 Millionen, die sonst die Bürger und Unternehmen in Köln hätten aufbringen müssen. Ein Großteil dieser Mittel stamme aus den Erlösen von Rostock, heißt es im Rathaus. Die würden in den nächsten Jahren zwar vermutlich weniger. Aber für Köln sei es finanziell eine gute Sache, wenn das Kraftwerk noch eine Weile laufe.
Klimaneutral bis 2035
2021 haben „Klimawende Köln“ und Rheinenergie eine Vereinbarung getroffen, die im Dezember vom Stadtrat beschlossen wurde. Der Versorger sagte zu, bis 2035 komplett klimaneutral zu werden – beim Strom und in der Wärmeversorgung. Zuvor hielt die Rheinenergie dies erst ab dem Jahr 2040 für möglich. Die Bürgerinitiative drohte mit einem Bürgerbegehren und sammelte Unterschriften, sie wollte das Unternehmen zwingen, ab 2030 nur noch Ökostrom zu produzieren.
Am Ende einigte man sich auf den Kompromiss Klimaneutralität bis 2035. Dazu gehört, dass die Rheinenergie seit Januar 2022 alle Privat- und Gewerbekunden nur noch mit Ökostrom beliefert. Ende 2024 beauftragte sie den Maschinenbauer MAN Energy Solutions, im Niehler Hafen die größte Flusswasser-Wärmepumpe Europas zu errichten, die 50.000 Haushalte klimaneutral mit Wärme versorgen soll. (fu)