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Gemeinsames Gotteshaus?Katholische und evangelische Christen in Köln rücken zusammen

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Die Kirche ST. Blasius

St. Blasius in Meschenich ist bereits ein „Kooperationsprojekt“. Die evangelische Gemeinde nutzt die Kirche mit.

Bereits beim traditionellen Dreikönigsempfang des Katholikenausschusses Köln hat Stiels angekündigt, dass es in den neuen pastoralen Einheiten verstärkt ökumenische Kooperationen geben wird.

Die Bilder von Lissabon werden nicht lange genug vorhalten, um über die Situation an der Basis hinwegzutäuschen. Den 1,5 Millionen jungen Menschen beim Abschlussgottesdienst des Weltjugendtages stehen unter anderem im Erzbistum Köln massenweise Austritte aus der katholischen Kirche gegenüber.

Die einst 35 Seelsorgebereiche sind mittlerweile in zehn pastorale Einheiten zusammengefasst worden. „Wir werden uns in einiger Zeit mächtig umgucken“, prophezeit Gregor Stiels, Vorsitzender des Katholikenausschusses Köln (KA). „Immer weniger Mitglieder, immer weniger Geld - und der Kardinal ist mit seinen eigenen Problemen beschäftigt“, fasst er die Miesere zusammen. Und nun? Den Kopf in den Sand stecken? Nein. Bereits beim traditionellen Dreikönigsempfang des KA hat Stiels angekündigt, dass es in den neuen pastoralen Einheiten verstärkt ökumenische Kooperationen geben wird. Und nun geht dieses Vorhaben in die konkrete Phase über. Das Ziel: „In jedem Veedel eine kirchliche Struktur erhalten“, sagt Stiels.

Auf Unterstützung aus der Bistumsverwaltung hofft Stiels zumindest in absehbarer Zeit kaum. „Keiner weiß mehr, wer zuständig ist“, beschreibt der KA-Vorsitzende die Situation im Generalvikariat. Dort hat sich das Personalkarussell in den vergangenen Monaten rasant gedreht. Eine der weitreichendsten Personalien: Der stellvertretende Generalvikar Markus Bosbach hat sich von Kardinal Woelki entpflichten lassen. Er war zuständig für die Entwicklung der pastoralen Einheiten.

Angesichts solcher Entwicklungen setzt Stiels dann doch lieber auf den sogenannten „Scharnierkreis“. Sieben Personen sitzen in ihm zusammen. Ökumenisch verteilt – eben als Scharnier zwischen den christlichen Kirchen. Neben Stiels ist dort auch der Stadtsuperintendent evangelischen Kirche Köln Bernhard Seiger, aktiv.

Welche Gebäude können in den kommenden Jahren noch unterhalten?

Am Anfang steht eine nüchterne Analyse: Welche Gebäude können in den kommenden fünf bis zehn Jahren noch unterhalten? Eine Frage, die sich beide ehemalige Volkskirchen stellen müssen. Für Stiels steht dabei fest: „Wir werden eine riesige Gelegenheit verpassen, wenn wir diesen Prozess evangelisch und katholisch getrennt fahren.“ Es gehe dabei um nicht weniger als neue pastorale Konzepte, „die wir gemeinsam planen“. Stiels hat auch schon ein Motto, das er dem Projekt voranstellen will: „Wir lassen die Kirche im Veedel“. Ob diese eine Kirche dann im Kataster unter katholisch oder evangelisch geführt wird, ist dann zwar nicht gleichgültig, aber eben zweitrangig. „Jetzt, nach den Ferien, werden wir uns zusammensetzen und das an einer Karte konkret benennen.“

Vorgezogene Beispiele für diese Entwicklung gibt es schon. So in Meschenich, wo die evangelische Gemeinde ihre Thomaskirche aufgegeben hat und in ökumenischer Gemeinschaft in St. Blasius aufgenommen wurde. Doch wie weit können diese Kooperationen gehen? Wo sind konfessionelle Grenzen? „Es geht nicht darum, Identitäten zu verlieren“, sagt Stiels. Die evangelische Tradition des politischen Abendgebetes werde sicherlich genauso eigenständig bleiben wie die Fronleichnamsprozession. „Aber das, was wir gemeinsam tun können, sollten wir auch gemeinsam machen.“

Ein Spaziergang ist dieser Weg sicherlich nicht, dessen sind sich Stiels und seine Mitstreiter sehr wohl bewusst. „Dieser Prozess wird schmerzhaft werden – so oder so“, sagt er. Ob eine katholische oder eine evangelische Kirche geschlossen wird, es bricht auf jeden Fall eine Tradition ab, eine Glaubenshistorie kommt an einen Scheideweg. Deshalb vor der Entwicklung zurückschrecken? Nein: „Auf der Stadtebene haben wir keine Berührungsängste“, sagt der Vorsitzende des Katholikenausschusses. Und an der Bistumsspitze? „Meisner hat immer bekräftigt: Wir machen keine Kirche zu“, erinnert sich Stiels. Da habe man zumindest gewusst, wo er steht. „Wie Woelki das sieht, kann ich hingegen nicht sagen, er äußert sich ja nicht dazu.“ Immerhin, es gibt eine Broschüre, gemeinsam herausgegeben von fünf katholischen Bistümern — darunter Köln — und drei evangelischen Landeskirchen. Ein „ökumenischer Leitfaden“. In weiten Teilen stärkt er Stiels bei seinem Vorhaben den Rücken. Jedoch: „Der wurde nur in einer Stückzahl von 1800 aufgelegt. Da kann man sich schon fragen, wie ernst es die Verantwortlichen damit meinen.“ Egal, Stiels hat keine Zeit zu verlieren. „Schon in zwei bis drei Jahren werden die neuen Notwendigkeiten auf uns zukommen.“


Austrittswelle

2,8Prozent an Mitgliedern hat die katholische Kirche 2022 im Erzbistum Köln verloren. In absoluter Zahl haben 51.345 Menschen ihre Kirche verlassen.

In Köln haben im vergangenen Jahr 20.332 Menschen den Gang zum Amtsgericht unternommen, um den Austritt aus der Kirche zu erklären. Der Austrittstrend hält seit langem an. Die Gesamtzahl deckt sowohl die Austritte aus der katholischen wie auch aus der evangelischen Kirche ab. (ngo)