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Völlig vollWie der Elfte im Elften Köln an seine Grenzen brachte

Lesezeit 4 Minuten
Voll, voller, Zülpicher: Am Elften Elften war das Studentenviertel einmal mehr ganz stark angesagt.

Voll, voller, Zülpicher: Am Elften Elften war das Studentenviertel einmal mehr ganz stark angesagt.

Die Kölner Feierlichkeiten nehmen Dimensionen an wie an Weiberfastnacht. Der Stadtbahnverkehr bricht zusammen, das Handynetz ist im Univiertel am Rande der Kapazität. Dort hat die Stadt ein neues Konzept ausprobiert. Eine Bilanz.

Für Gelassenheit ist es schon in den Mittagsstunden zu spät. „Hier ist Chaos“, schreit ein Sicherheitsmitarbeiter der Kölner-Verkehrs Betriebe (KVB) in der Zwischenebene der Haltestelle Dom/Hauptbahnhof in sein Funkgerät. Dann fordert er genauso eindringlich nach „Verstärkung“. Doch die ist nicht in Sicht. Wenige Minuten später geht nichts mehr. Das Verkehrsunternehmen kapituliert vor den Menschenmassen und stellt in der Innenstadt den Betrieb ein. Am Nachmittag wird der Bahnverkehr auf weiteren Strecken eingeschränkt. Es ist der 11. November. Die Republik feiert in Köln den Auftakt der Karnevalssession.

Keine Überraschung: Die Jugend feiert im Zülpicher Viertel

Vor allem das junge Publikum zieht es ins Studentenviertel, die Zülpicher Straße wird zum erwartbaren Epizentrum der Ausgelassenheit. Alle Wege rund um die Sperrzone im Univiertel führen zum einzigen Eingang im Bereich der Unimensa. Die Route führt die Feiernden durch mehrere Schleusen, an denen Sicherheitspersonal unter anderem das Glasverbot kontrolliert. Die Schleusen und weitere Drängelgitter, durch die sich die bunt verkleideten jungen Leute schlängeln müssen, lockern den Ansturm ein wenig auf und verhindern an vielen Stellen Drängeleien. Ein Drittel mehr Personal und ein Drittel mehr Material als in den vergangenen Jahren wirft das Ordnungsamt dafür in den Ring. „Das Wegeleitsystem ist auch von den Gästen gut angenommen worden, die Menschen haben sich besser verteilt“, bilanziert Stadtdirektorin Andrea Blome.

Viel Einsatz der Ordner war gefragt.

Viel Einsatz der Ordner war gefragt.

Tafel für Feiernde: „Zülpicher Viertel geschlossen“

Als um 11.11 Uhr die neue Karnevalsession eröffnet ist, strömen immer noch Tausende Feierwillige nach Köln. Und Richtung Studentenviertel. Um 12 Uhr zieht nicht nur die KVB die Notbremse, auch die Stadt macht dicht. „Zülpicher Viertel geschlossen“ heißt es auf Videowänden an der Zülpicher Straße. Die Kapazität reicht hier laut Stadt für 15 000 Feiernde auf den Straßen. Am Nachmittag lobt die Stadtdirektorin die „friedliche Stimmung“.

Das Zülpicher Viertel wurde schon früh geschlossen.

Das Zülpicher Viertel wurde schon früh geschlossen.

Weil es dieses Mal nur einen Eingang gibt, können Stadt und Polizei besser überblicken, wie voll es im Epizentrum der Zülpicher Straße ist. Während die Menschen weiter hinten dicht an dicht feiern, ist es ganz vorne dagegen deutlich luftiger. Als die Sperrzone dicht ist, gelangt das Sicherheitskonzept der Stadt an seine Grenzen. Was allerdings weniger am Konzept selbst liegt, sondern ganz einfach an der schieren Masse an Menschen, die von hinten aus allen Richtungen nachrückt. Es ist Freitag, die Sonne scheint und der Feierstau der Corona-Zeit ist noch lange nicht abgebaut. Damit war zu rechnen. Doch auch die LED-Tafeln halten kaum jemanden ab. Die Polizeidurchsagen kurz vor der Einlassstelle können nicht mehr viel ausrichten. Für Abfluss sorgt die Stadt, indem sie eine Absperrung auf dem Zülpicher Wall öffnet, über den die Menschen dann Richtung Aachener Weiher strömen.

An diesem Freitag erlebt die Stadt vorerst den Höhepunkt einer jahrelangen Entwicklung, zu der inzwischen eine ganze Reihe unschöner Exzesse rund um die Zülpicher Straße gehören. Im Jahr 2017 zog die Stadt Konsequenzen, Oberbürgermeisterin Henriette Reker berief einen Runden Tisch ein, an dem sich Karnevalisten, Gastronomen, Sicherheitsbehörden und Vertretungen der Stadtverwaltung trafen. „Alle sind sich einig, dass sich etwas ändern muss“, hatte Reker damals das Treffen begründet. In den Folgejahren baute die Stadt eine Bühne auf den Uniwiesen auf, um auf der Zülpicher Straße für Entlastung zu sorgen, das Festkomitee sorgte für das Programm. Doch dieses Jahr hatte das Ordnungsamt der Stadt ein Gutachten in Auftrag gegeben, um nach neuen Lösungen zu suchen. Nun wird es keine Bühne mehr geben, auch gegen eine alternative Feierfläche hatte sich die Stadt entschieden, um keine zusätzlichen Anreize zu schaffen.

Playboy-Hase und Engel haben keinen Plan B

Der Elfte im Elften scheint Anreiz genug zu sein. Als immer mehr Feiernde erkennen, dass das lange Warten auf einen Einlass ins Univiertel sinnlos ist, verteilt sich der Pulk auch über die nördlichen Uniwiesen bis zum Aachener Weiher. „Wir haben bis hierhin schon anderthalb Stunden gewartet“, sagen drei junge Frauen – Playboy-Hase, Engel und Teufel. Einen Plan B? Gibt es nicht. „Woanders wird es ja wahrscheinlich auch voll sein“, sagt das Häschen.

Stimmt. Auch anderswo sprengen die Massen die Kapazitäten der städtischen Infrastruktur. Die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) müssen die Fahrten der wichtigsten KVB-Linien aus Sicherheitsgründen einstellen. Es wird befürchtet, dass Feierende etwa am Barbarossaplatz die Türen aufdrücken und es so zu einem noch größeren Chaos kommt. Im Sekundentakt müssen die Sicherheitskräfte an den Haltestellen in der Innenstadt die Fahrgäste abweisen: „Es fährt keine Bahn.“

Das Chaos ist komplett, als Feiernde und Betrunkene vom Barbarossaplatz aus den kürzesten Weg Richtung Neumarkt und Dom nehmen wollen. Sie laufen durch den U-Bahn-Tunnel. Bis zum Abend ist nicht abzusehen, wann der Bahnverkehr wieder aufgenommen wird. Taxen werden zum begehrten Fortbewegungsmittel. Doch schon am Nachmittag ist der Taxistand vor dem Hauptbahnhof leer. Vielen Feiernden bleibt zu diesem Zeitpunkt nichts übrig, als zu laufen. Auch wenn das eininigen sichtlich schwer fällt.