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„För de Iwigkeit“So schön war der Kölner Rosenmontag im Jubiläumsjahr

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ROMO

Ein toller und ein langer Zug: Erst gegen 20.45 Uhr kam die Prinzengarde als einer der letzten Wagen in der Südstadt an.

Der Kölner Rosenmontagszug überquert zum Jubiläum erstmals den Rhein und Hunderttausende Jecke säumen die Straßen, drei Wagen wurden bis zum Schluss geheim gehalten.

Vielleicht kam es noch nie so sehr auf die richtige Perspektive an wie im Rosenmontagszug des Jahres 2023. Zum Jubiläum des Kölner Karnevals haben Festkomitee und der Haussender WDR den Ottoplatz in Deutz in eine jecke Arena verwandelt, die Kameras schwenken über den historischen Deutzer Bahnhof, Deutzer Brücke, Dom und Rheinpanorama, ein Hubschrauber liefert Bilder, die sich allesamt als Postkartenmotiv eignen könnten. „Mer sin widder do. Feiert den Rosenmontagszug“, ruft Zugleiter Holger Kirsch den Menschen auf den Tribünen am Ottoplatz zu. Sie schauen direkt auf Abbruchbagger und Bauruine des LVR – auch eine Perspektive dieses Zuges.

Für den Ruf der Stadt Köln

Vielleicht kam es auch noch nie so sehr auf die Außenwirkung des Kölner Karnevals an wie dieses Mal. Die Zugpremiere im Rechtsrheinischen beschert dem Festkomitee zur 200-Jahr-Feierden ersehnten Kontrast zu den aggressiven und betrunkenen Jung-Jecken rund um die Zülpicher Straße, der Schattenseite des Brauchtumsfests. An diesem Rosenmontag verströmt Köln das Flair einer jecken Metropole – in Deutz stehen die Menschen so dicht gedrängt auf der Deutzer Freiheit und der Neuhöfferstraße, dass die Zugänge zum Zugweg gesperrt werden müssen. Das gleiche Bild zeigt sich auf der Deutzer Brücke, wo der Wind ordentlich pfeift – aber immerhin scheint die Sonne.

Einer der bis zuletzt geheim gehaltenen Motto-Wagen beschäftigt sich mit dem Mullah-Regime im Iran.

Einer der bis zuletzt geheim gehaltenen Motto-Wagen beschäftigt sich mit dem Mullah-Regime im Iran.

Mit knapp neun Kilometern ist der Jubiläumszug so lang wie noch nie, 12 500 Teilnehmende dürfen mitlaufen und sich für ihre ehrenamtliche Arbeit belohnen. Und dann sind da noch Hunderttausende Menschen, die den Zugweg säumen, am Mittag wird auch die Severinstraße wegen des großen Zulaufs sicherheitshalber gesperrt. So großer Andrang wie in diesem Jahr hat lange nicht mehr geherrscht. „Die kölschen Jecken sind der Wahnsinn. Wie schnell die Bereiche im Rechtsrheinischen und im Vringsveedel dicht sein würden, konnte niemand erwarten“, bilanziert Kirsch. Das Ziel an der Severinstorburg erreicht die Spitze gegen 15 Uhr, eine Stunde später als geplant. Zu dieser Zeit ist das Dreigestirn der Roten Funken mit Prinz Boris I., Bauer Marco und Jungfrau Agrippina noch nicht mal losgefahren.

Eine Panne für den Prinzen

Beinah erlebt Köln nach zwei Jahren ohne Rosenmontagszug einen Zug ohne Prinz. Weil sich an der Aufstellfläche im Tanzbrunnen ein Wagen der Prinzen-Garde festfährt, stecken Prinzen-Garde-Präsident Dino Massi und auch der Wagen von Prinz Boris I. fest und fahren schließlich mit einem Abstand von mehr als zehn Minuten dem enteilten Narrenfeld hinterher. Natürlich ist es längst dunkel, als der Prinz die romantisch illuminierte Severinstraße erreicht und sich in der Südstadt feiern lässt, wo die Roten Funken Heimspiel haben.

Und er kütt doch: Der Prinz ließ auf sich warten.

Und er kütt doch: Der Prinz ließ auf sich warten.

Ein echter Gewinn sind die zehn Großfiguren, die zum Jubiläum gebaut wurden und von Studierenden der Sporthochschule bewegt werden. Sie winken, beugen sich über die Masse und bewegen sich zum Takt der Musik. Insgesamt 26 Persiflagewagen sind in der Wagenbauhalle des Festkomitees am Maarweg entstanden, drei davon waren bis Montagfrüh geheim gehalten worden. Die Mottos der vergangenen 200 Jahre bilden den roten Faden zur Betrachtung der Weltlage. Unter dem Leitspruch „Nix bliev wie et es“ reißen iranische Frauen einem mit blutigem Säbel bewaffneten Sittenwächter das Gewand bis auf die Unterhose vom Leib. Und zum Thema „Strauß bunter Ideen“ überreichen die Taliban den Menschen in Afghanistan eine mit Kerzen dekorierte Bombe.

So politisch   und bissig wie in diesem Jahr war der Kölner Zug lange nicht. Doch auch die kölschen Themen kommen nicht zu kurz. Oberbürgermeisterin Henriette Reker verschenkt die Zülpicher Straße mit all ihren karnevalistischen Nebenwirkungen nach Düsseldorf. Und das kölsche Bärbelchen sperrt die Schweinepriester der katholischen Kirche, die in der Tat als Säue dargestellt werden, hinter Gitter – auch das ist ein Motivwagen dieses Zuges. Auf einem Wagen zu „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ fahren der israelische Botschafter Ron Prosor als auch Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, mit.

Der Aufwand für diesen Zug ist immens, vor mehr als drei Jahren haben die Planungen begonnen, Sicherheitskonzepte wurden erstellt und die Zahl der Sicherheitskräfte erhöht werden. Ob sich das gelohnt hat? Alles eine Frage der Perspektive.