Köln – Wochenlang hatten sie sich auf diesen Tag vorbereitet. An den richtigen Worten wurde gefeilt, am Bühnenauftritt. Doch am Tag vor dem Sessionsbeginn fiel der routinemäßige Coronatest bei Sven Oleff (45), dem designierten Prinzen, positiv aus. „Keiner träumt davon, in einer Coronasession Prinz zu sein“, hatte Oleff unlängst rückblickend geäußert. Gemeint hatt er die vergangene Session , in der das Dreigestirn schon einmal das Ornat tragen durfte. Nun erlebt das Trifolium einen Fehlstart in seine zweite Session, in der alles anders werden sollte. Köln feiert. Und das Dreigestirn schaut zu.
Seit Mai Training für die Bühnenauftritte
Mit der pandemiebedingten Entscheidung, ein Trifolium gleich für zwei Jahre im Ornat zu belassen, hat das Festkomitee für ein Novum gesorgt. Die Ehrenrunde soll Entschädigung sein für eine Session auf Distanz, für unzählige Videobotschaften, die das Dreigestirn in seiner Hofburg aufgezeichnet hat, ohne jemals einen tosenden Sitzungssaal von innen zu erleben. Nun werden sich Prinz Sven Oleff, Bauer Gereon Glasemacher (32) und Jungfrau Gerdemie (Dr. Björn Braun/38) erst mit Verspätung den Jecken präsentieren. „Es war die große Sorge, dass der Zauber verloren geht, dass ich keine Aufregung und Vorfreude mehr spüre. Aber das ist nicht so“, sagte der designierte Prinz, der im richtigen Leben eine Sanitär- und Heizungsfirma leitet. Das Dreigestirn muss sich irgendwie mit dem Sessionsmotto trösten: „Alles hät sing Zick“. Und die Zeit des designierten Trifoliums wird nun öffentlich erst bei der Proklamation am 7. Januar im schicken Gürzenich beginnen.
Das Schicksal will es, dass die Tollitäten auf dem vorläufigen Höhepunkt der vierten Corona-Welle nun zum Zuschauen verdonnert sind. „Die Session wird eine Gratwanderung“, vermutete Bauer Gereon Glasemacher schon bevor die Hiobsbotschaft vom positiven Coronatest des Prinzen Festkomitee und Dreigestirn erreichte. „Es werden viele Augen auf Köln gerichtet sein, für uns wird das emotional ein besonderer Moment werden“, hatte er vermutet. Als Wirtschaftspsychologe eines Softwareunternehmens weiß er, wie die Dinge wirken und wahrgenommen werden können. Spätestens jetzt weiß die ganze Republik wie brüchig die Kölner Feierfreude ist.
Glasemacher ist ein durchaus handfester und ergebnisorientierter Typ. Sechsmal pro Woche treibt er Sport, meist stemmt er im Fitness-Studio Gewichte in die Höhe. „Ich bewege blankes Eisen, da gibt es nichts schönzureden“, meint er. Noch hat er Zeit für viel Sport, er und seine Frau Ann Katrin erwarten Nachwuchs - die Hälfte der Schwangerschaft ist rum. „Es wird ein kleiner Bauer“, sagt sie. Auch für sie ist das Ziel der Rosenmontagszug, gerne würde sie ihren Mann auf dem Wagen begleiten. „Mal sehen, was dann noch geht“, sagt sie.
Bereits seit Mai arbeitet das designierte Trifolium an seinem Bühnenprogramm für den Sitzungskarneval. Weil die Session lang ist, haben sie verschiedene Darbietungen einstudiert, das alles im Jubiläumsjahr der Altstädter, die vor 100 Jahren gegründet wurden. Zuletzt hatten sie Tanztraining bei Biggi Fahnenschreiber, der inzwischen 90 Jahre alten Ex-Ballett-Tänzerin und Immer-noch-Choreographin. Die Zeiten, in denen das Dreigestirn nur zum Winken auf der Bühne stand, sind spätestens seit der Gesangseinlage von Wicky Junggeburth (Einmol Prinz zo sin) im Jahr 1993 Geschichte. Vorige Session gehörte ein Auftritt bei einer Karnevalssitzung im Autokino zu den emotionalen Höhepunkten des Trifoliums. „Da konnten wir zumindest erahnen, was auf einer Bühne möglich ist“, sagt Björn Braun, die Jungfrau.
Auf der Bühne wird Braun Gerdemie genannt – auf eigenen Wunsch. Eine Hommage an Gerdemie Basseng, einstiges Mariechen der Altstädter, sie gilt als Erfinderin der Hebefiguren im Kölner Karneval. „Mich wird vermutlich niemand heben können“, gibt der Vater zweier kleiner Söhne zu bedenken. Zu Hause hat er hin und wieder schon Karneval. Der vierjährige Sohn werfe munter Legosteine durchs Kinderzimmer und rufe Kamelle, erzählt der Experte für Arbeitsrecht, das Klettergerüst sei zur „Altstädter-Burg“ umfunktioniert worden. Ein klarer „Schnitt“ zwischen der Corona-Session und der am heutigen Donnerstag beginnenden Ehrenrunde sei ihnen wichtig gewesen, sagen die Tollitäten unisono. „Wir haben bislang nicht Karneval gefeiert, sondern Brauchtum gelebt“, sagt Prinz Sven Oleff. Er brenne auf die neue Session, meint er. Die Vorfreude muss nun noch länger anhalten.
Spendenaktion
400 Auftritte wird das Kölner Dreigestirn in der Session absolvieren – das sind so viele wie in den Jahren vor der Pandemie auch. Bislang gebe es kaum Absagen, auch zahlreiche Seniorenheime haben das Dreigestirn eingeladen und wollen mit ihren Bewohnerinnen und Bewohnern Karneval feiern.
In dieser Session will das Dreigestirn bei seinen Auftritten erneut Geld für einen karitativen Zweck sammeln. In der vergangenen Karnevalszeit waren mehr als 130 000 Euro zusammengekommen, unterstützt wurde der Verein Traube, der sich ehrenamtlich um Trauerbegleitung von Kindern und Jugendlichen kümmert. Dieses Mal will sich das Trifolium der Altstädter einen neuen Spendenzweck überlegen. (tho)