Auf dem Heumarkt hat das designierte Dreigestirn der Stattgarde Colonia Ahoj am Vormittag seinen ersten öffentlichen Auftritt. Wer sind die künftigen Karnevals-Kapitäne? Eine Begegnung.
Stattgarde Colonia AhojDreimol Kölle ahoj - So tickt das neue Kölner Dreigestirn
Ihm ist noch nie etwas passiert, 40 Jahre lang nicht. Von Verletzungen beim Skifahren ist René Klöver (59) bislang stets verschont geblieben, dennoch hat er sich selbst ein „Skiverbot“ für seinen Kurzurlaub im Dezember in Garmisch-Partenkirchen auferlegt. „Wenn genau jetzt etwas schiefgehen würde, könnte ich mir das nicht verzeihen“, sagt er. Schließlich wird der passionierte Sportler Anfang Januar von Oberbürgermeisterin Henriette Reker im Gürzenich zum Prinz Karneval proklamiert. Und ein Gipsbein wäre da eher hinderlich.
Erstmals stellt die 2003 gegründete Stattgarde Colonia Ahoj das Dreigestirn, entsprechend groß war der Jubel nach der Bekanntgabe durch das Festkomitee im Sommer. „Ich hatte mein Handy anschließend zwei Tage lang in den Flugmodus gestellt und war erstaunt über die große Zahl der Glückwünsche“, berichtet Klöver, der als Berater in der Chemieindustrie arbeitet und sich mit Polyurethanen noch besser auskennt als mit Polonaisen. Am 3. März wird die Session mit dem Rosenmontagszug recht spät ihren Höhepunkt erreichen, acht Wochen lang darf das Trifolium durch die Säle ziehen und die Zeit im Ornat genießen. „Vielleicht bleibt dadurch mehr Zeit für persönliche Begegnungen. Denn wir wollen zugänglich, offen und vor allem authentisch sein“, kündigt der designierte Prinz an.
Karneval in Köln: Hippiehaftes Motto
Für die bevorstehende Karnevalssession hat das Festkomitee das hippiehafte Motto „FasteLOVEnd – Wenn Dräum widder blöhe“ ausgerufen und der Liebe in all ihren Ausprägungen einen Teppich aus Konfetti ausgelegt. Prinz, Bauer und Jungfrau lieben Männer, was in der heutigen Zeit im Allgemeinen und in Köln als selbst ernanntes Epizentrum der Toleranz im Besonderen kaum einer Erwähnung wert wäre. Die Lebenserfahrungen des designierten Dreigestirns sprechen eine andere Sprache. „Wir hatten mit der Stattgarde auch im Karneval nicht überall offene Türen“, gibt Michael Samm (62), der designierte Bauer, zu bedenken. René Klöver hat mit seinem „Outing“ das Ende seiner Fußballkarriere bei den Amateuren von Bayer Leverkusen abgewartet. Und Hendrik Ermen (45) sagt, „es gibt Situationen, in denen man nicht händchenhaltend durchs Veedel läuft.“
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Nun dürfen sie die wichtigsten Figuren des Kölner Karnevals verkörpern. „Das Amt ist eine Verantwortung“, stellt Ermen fest, der fast täglich joggen geht und die Gartenarbeit schätzt. Zur Familie gehören auch drei Hühner, die regelmäßig frische Eier legen, aus denen die designierte Jungfrau und Ehemann Frank Ermen nicht nur Rührei, sondern gelegentlich auch Eierlikör herstellen – das Kultgetränk bei Busfahrten der maritim angehauchten Stattgarde.
Als das Festkomitee die drei Stattgardisten standesgemäß auf einem Schiff der Köln-Düsseldorfer vorstellt, öffnet Ermen die Flasche und schenkt ein. „Das hätte Marlis bestimmt auch so gemacht“, ist er sich sicher. Marlis, das ist die vor vier Jahren gestorbene Marie-Luise Nikuta, die im Karneval als „Mottoqueen“ zur Institution wurde und auch das Vereinslied der Stattgarde komponiert hat. Ihr zu Ehren wird sich Ermen als Jungfrau Marlis proklamieren lassen. Zur Vorbereitung auf die Bühnenauftritte hat das Dreigestirn Tanztraining bei Biggi Fahnenschreiber (93) absolviert. Weil Hendrik Ermen riesiger Abba-Fan ist, dürfte für ihn in den Sälen vermutlich die Tanz-Hymne „Dancing queen“ häufiger gespielt werden als das übliche „Oh, wie bist Du schön“.
Auf der Nordseeinsel Norderney haben Bewerbung und Konzept der Stattgardisten Form angenommen. Michael Samm betreibt dort eine Immobilienverwaltung für Ferienwohnungen. „Als noch nicht bekannt war, dass wir das Dreigestirn sind, hatten wir eine regelrechte Phobie entwickelt, uns zu treffen. Wir sind sogar getrennt von der Insel abgereist“, erzählt Stamm belustigt. Die Geheimhaltung ist nun nicht mehr nötig.
Zu Beginn der Karnevalssession wird das Trifolium noch Anzug tragen. Erfahrung im Ornat hat bislang nur Bauer Michael, denn vor 20 Jahren war er als Mitglied der KG Regenbogen Sellerieprinz der Närrischen Marktfrauen in Düsseldorf. „Aber das war kein Vergleich zum Dreigestirn in Köln“, stellt er fest. Sogar auf Norderney hätten neulich Urlauber aus Euskirchen in seinem Büro gestanden und gesagt: „Da ist ja der Bauer“, berichtet er. Im Gegensatz zu Prinz und Jungfrau ist er nicht verheiratet, hat zurzeit auch keinen Lebenspartner. „Aber das könnte sich ja in der Session vielleicht ändern“, meint er. Immerhin ist es die Session der Liebe.
Kölner Dreigestirn: Auf der Suche nach besonderen Momenten
Schon als 17-Jähriger durfte er im Kölner Rosenmontagszug mitgehen, damals als Trommler bei der Spielgemeinschaft Altenpförde. „Ich war schon immer ein Trommlerjunge“, sagt Samm, der auch in der Bordkapelle der Stattgarde das Schlagwerk bedient. Statt Trommel darf er nun das Bauernornat tragen, allein der mit 125 Pfauenfedern geschmückte Hut wiegt 2,4 Kilogramm. Irgendwann will er sich auch ein Ohrloch stechen lassen, weil alle ehemaligen Bauern des Dreigestirns einen speziellen Ohrring tragen. Und er gehört jetzt dazu.
René Klöver, der designierte Prinz, wünscht sich in der Session Momente wie diese: Als die Stattgarde einst einen Auftritt in einem Wohnheim für ältere Menschen hatte, wollte er sich förmlich von einer Dame verabschieden, die bereits ihren 104. Geburtstag erlebt hatte. Also reichte er ihr die Hand. „Sie sah mich an und sagte nur: Kriege ich kein Bützje? Diese Momente sind unbezahlbar“, sagt Klöver. Bald kann er viele solcher Momente sammeln.