AboAbonnieren

Premiere der ImmisitzungSelfie beim Abendmahl und Cucurella in Erklärungszwang

Lesezeit 3 Minuten
55 Menschen aus über zwölf Ländern sind Teil der Immisitzung.

55 Menschen aus über zwölf Ländern sind Teil der Immisitzung.

Die Immisitzung feierte Premiere im Bürgerhaus Stollwerck. Warum die Vorbereitung unter erschwerten Bedingungen stattfand.

Gott gibt sich Mühe. Aber es fällt ihm schwer. Sowohl sein Sohn und dessen Jünger als auch Maria stellen seine Geduld auf harte Proben. Erstere, weil sie kein Abendmahl mehr ohne Handys über die Bühne bekommen („Nein, Papa, du musst vom Alten Testament kein Update machen“), letztere, weil sie sich als neue Verkünderin der Willkommenskultur in Deutschland als widerspenstig erweist. Vor dem Hintergrund, dass schon Gottvaters erster Versuch daneben ging: „Eigentlich hatte ich damit ja die Grünen beauftragt, aber die haben das gründlich verbaerbockt.“

Selfie beim Abendmahl: Die Jünger stellten Gottes Geduld auf eine harte Probe.

Selfie beim Abendmahl: Die Jünger stellten Gottes Geduld auf eine harte Probe.

Da geht den Immis die Premiere ihrer 13. Sitzung Donnerstag im Stollwerck wesentlich leichter von der Hand. Für seinen unterhaltsamen (mit Pause und Zugabenteil) dreieinhalbstündigen Mix aus Kabarett, Musik und Puppenspiel hat das Team (55 Menschen aus über zwölf Ländern) 40 Tage lang geprobt. Unter erschwerten Bedingungen: Trumps Amtseinführung ist gerade ein paar Tage her. Wie soll man darauf so schnell reagieren? Da ist ein flammendes Plädoyer von Kamala Harris (Victoria Riccio) für Freiheit und Demokratie, gefolgt vom hemdsärmelig feixenden Country-Cover „Texas Hold’em“ nicht die schlechteste Idee.

Gleich die erste Musiknummer „Am Rhein stehn“ ist ein Volltreffer. Aus dem AnnenMayKantereit-„Tommi“ werden hier die „Immis“ – die Jecken, die alle von woanders herkommen und sich seit 2010 dafür starkmachen, dass Karneval (im besten Sinne) eine multikulturelle Angelegenheit ist. Auch die Kostüme fürs Intro – im Stil der 1920er Jahre mit viel Glitzer und Pailletten – sind klasse. So glamourös haben die Immis noch nie ihren Einstand gegeben. Findet auch das Publikum, um bestens angeleitet von Sitzungspräsidentin Miriam Chebabi alias ImmiMymmi die Erste die Liste der jüngsten Ereignisse beginnend mit Trumps Wiederwahl musikalisch zu kommentieren: „Dreimol null ist null.“

Alles zum Thema Donald Trump

Immisitzung in Köln: Cucurella in Erklärungszwang

Während ein Inder (Gracias Devaraj) und ein Deutscher mit dunkler Hautfarbe (Sunga Weineck) darüber streiten, wer mehr diskriminiert wird: „Als Inder bist du eh’ nicht richtig schwarz“, sieht sich ein Spanier im Erklärzwang. Mit an der Hand klebendem Fußball salbadert Cucurella (Francisco Rodriguez) darüber, wofür er drei Goldmedaillen kassiert hat: „Die dritte ist nicht so wichtig, die ist für die EM.“ Und das sechsarmige indische Dreigestirn sieht sich als ebenbürtig an, was Fastelovend angeht: „Wir haben Karma, ihr habt Kamelle.“

Stichwort Gleichberechtigung: fürs Gebären sind bei den Seepferdchen die Männer zuständig. Die Idee ist gut, wird aber nicht ausgeschöpft: schwangere „Seehengste“ würden viel mehr jammern. Man denke bloß an Männergrippe. Dem Ruck nach rechts setzten die Immis den Song „Human“ entgegen. Den Evgenia Tarutin gesanglich und tänzerisch hinreißend rüberbringt. Großartig: Selda Selbachs türkischer Tanzunterricht beim „Kölschen Halay“. Da steppt der Saal.

Die Puppennummern sind wichtiger Bestandteil der Immisitzung.

Die Puppennummern sind wichtiger Bestandteil der Immisitzung.

Schönste Puppennummer: Wenn „der Franzose“ und „der Dicke“ den Spieß umdrehen. Und ihre Spieler Robby Göllmann und Andreas List stattdessen ranmüssen. Auch solo topp: die Immiband. Bei „Misirlou“ kommt rasant Pulp Fiction-Feeling auf. Genial: wie ein verlorener Schlüssel durch die Mühlen der Kölner Verwaltung gedreht wird. Bis hin zur Ehrenfelder Großraumsperrung. Meinungsfreudig: die „Läck Fööss“, die zu Miss Platnums „Marry me“ gegen Altersdiskriminierung anrappen. Wer am meisten berührt: Miriam Chebabi als Clownin, die dem Schönheitswahn verfällt, um hernach zu entdecken „I am what I am“ (toll gesungen von Victoria Riccio).

Miriam Chebabi als Clownin, die dem Schönheitswahn verfällt.

Miriam Chebabi als Clownin, die dem Schönheitswahn verfällt.

Einziges Knübbelchen: bisweilen überdeckt die Musik den Gesang. Auch der ein oder andere Satz geht akustisch verloren. Das lässt sich aber mit Sicherheit noch in den Griff kriegen.