Festkomitee-Chef zu Demo und Karneval„Stolz auf die Stadt Köln und ihre Menschen“
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Eine Session mit vielen unerwarteten Wendungen geht zu Ende. Simon Westphal sprach mit Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn über...
…die Friedensdemonstration:
„Was wir da vorhatten, mussten wir in wenigen Tagen aus dem Boden stampfen. Es gab so viele Fragezeichen. Der Spirit dieses Tages hat mich schon früh erfasst. Ich habe gesehen, wie viele Menschen in die Stadt gefahren sind. Und den Platz, der sich so schnell gefüllt hat. Das hat mich dann schon berührt. Selbst so ein routinierter Mensch wie Peter Brings wurde nervös, weil er mit dieser Dimension nicht gerechnet hat. Die Leute waren friedlich und rücksichtsvoll. Niemand wollte in der ersten Reihe stehen wie sonst am Rosenmontag. Das war eine so tolle Stimmung, die sich den ganzen Tag durchgezogen hat. Ich bin auf die Stadt und die Menschen echt stolz.“
„Wir haben in den vergangenen beiden Jahren so viele Pläne realisiert, die wir dann wieder verwerfen mussten. Das ist unglaublich. Wir haben im November noch einen normalen Rosenmontagszug geplant. Dann kam Omikron und plötzlich ging gar nichts mehr, später wieder ein bisschen. Für das, was wir immer wieder neu geplant haben, gab es keine Erfahrungswerte. Nicht nur für das Festkomitee war das extrem herausfordernd, sondern für alle Vereine. Die vielen Pläne und Ideen haben zu ganz neuen Entwicklungen des Karnevals geführt. Manches davon wird sich bestimmt in den kommenden Jahren wiederfinden.“
…das Dreigestirn:
„Das Dreigestirn musste sich in den unterschiedlichen Phasen der Pandemie immer wieder neu erfinden. Die drei haben es vortrefflich gemeistert, in dieser schweren Situation immer wieder den richtigen Ton zu treffen. Sie haben bis zum Schluss abgeliefert und die Menschen im Herzen berührt. Das hat über weite Teile den Karneval getragen, auch im letzten Jahr. Auch als Veranstaltungen nur digital stattfanden, war das Dreigestirn da. Immer, egal wie schlimm es war. Das war eine wichtige Konstante, die für Köln viel geleistet hat.“
…den Sitzungskarneval:
„Im November war von der Omikron-Wand die Rede. Politiker und Virologen haben gesagt, die Einschränkungen rund um Veranstaltungen werden sich drastisch verändern, am Ende werde kaum etwas möglich sein. Deswegen haben wir gerne das Angebot des Rettungsschirms für die Gesellschaften unterstützt.
Sessionsbilanz
2 Sessionen hat noch nie ein Kölner Dreigestirn das Ornat tragen dürfen – doch wegen der Corona-Pandemie hatte das Festkomitee zu besonderen Maßnahmen gegriffen. Dennoch haben Prinz Sven I., Bauer Gereon und Jungfrau Gerdemie von den Altstädtern aufgrund von Quarantäne, Pandemie und Krieg keine Sessionseröffnung und keinen Rosenmontagszug erlebt. Auch das hat es noch nie gegeben. Das Dreigestirn hat dennoch vielfach Präsenz gezeigt, Stellung bezogen und alle Widrigkeiten tapfer ertragen. Respekt!
Mit einem Millionenverlust rechnet das Festkomitee nach dieser Session, weil sämtliche Einnahmequellen wie Kartenverkauf für Sitzungen und Rosenmontags-Tribünen entfallen sind. Unzählige Stunden hat vor allem Festkomitee-Vize Dr. Joachim Wüst (Foto) in sein Ehrenamt investiert, um bei Politikern für die Berücksichtigung des Karnevals im „Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen“ zu kämpfen. Mit Erfolg. Anschließend investierte er noch einmal ähnlich viel Zeit bei der Beratung der Vereine für die richtige Antragstellung.
20.000 Besucher hat der Kostümhändler Deiters zu seinen 30 Karnevalsveranstaltungen begrüßt. Dem Geschäft hat es genutzt: Der Umsatzrückgang habe dieses Mal bei etwa 40 Prozent gelegen, vorige Session bezifferte das Unternehmen den Verlust noch auf 90 bis 95 Prozent. (tho)
Dass die Einschränkungen in dem Ausmaß gar nicht eingetroffen sind, wusste da niemand. Dann haben einige Unternehmen, aber auch Vereine, begonnen, im kleinen und stetig wachsenden Umfang Veranstaltungen durchzuführen. Die kommerziellen Anbieter waren dabei nicht unbedingt wirtschaftlich erfolgreich. Vielleicht kann ein Unternehmen das gut wegstecken. Für einen Verein ist es aber schwierig, wenn nicht genug Karten verkauft werden. Deswegen war das ein großes Wagnis. Jeder Verein hat ein bisschen Karnevalsgefühl verbreitet – und wenn er nur seine Mitglieder mitgenommen hat. Das war allemal mehr als im letzten Jahr.
…seine Quarantäne an Weiberfastnacht:
„Wir hatten geplant, das Video von Steffen Baumgart zu covern, in dem er aus der Quarantäne das Spiel seiner Mannschaft verfolgt. Wir hatten alles vorbereitet. Ich hatte seine Kappe da, das Setting war ähnlich vorbereitet wie sein Wohnzimmer. Und dann sind wir morgens aufgewacht, und der Krieg hat die Welt verändert. Der Donnerstag bei mir im Home Office war dann davon geprägt, dass ich einerseits die Nachrichten aus der Ukraine verfolgt habe. Andererseits habe ich den Vorstand und das Dreigestirn immer mit den neusten Entwicklungen versorgt, damit sie adäquat reagieren konnten.“
…einen Rosenmontagszug im Stadion:
„Es stand alles bereit, alles war dekoriert und aufgebaut. Und dann mussten wir auf den letzten Metern noch mal völlig neu denken. Das war schon verrückt. Dass der Zug irgendwann noch mal ins Stadion kommt, ist eher unwahrscheinlich. Ich glaube, dass der Rosenmontagszug fest mit der Innenstadt verbunden ist. Die Menschen sehnen sich danach. Der Weg nach Müngersdorf raus wäre sehr weit und auch nicht so emotional. Wir haben ja für das nächste Jahr den Plan, mit dem Zug den Rhein zu überqueren. Da werden wir wieder ganz neue Bilder sehen.“
…die Persiflagewagen in der Stadt:
„Wir sind am Montagabend mit dem Vorstand die Wagen abgegangen. Es herrschte immer noch eine tolle Stimmung, viele Menschen waren draußen. Es hat mir schon damals als Zugleiter immer wehgetan, dass man die Wagen nur so kurz gesehen hat und dass sie direkt nach dem Zug wieder abgerissen wurden. In den letzten 15 Jahren hatten Besuchergruppen danach immerhin die Möglichkeit, die Wagen beim Festkomitee zu besichtigen. In den nächsten Wochen werten wir aus und verarbeiten, was wir alles gemacht haben. Dann werden wir sehen, ob wir Elemente aus diesem Jahr auch ins nächste Jahr mitnehmen können.“
„Wir freuen uns schon jetzt auf die nächste Session. Unser Herz hängt am Karneval und an den Menschen, die ihn mit uns organisieren, den Kindern und den Tanzgruppen. Ich würde mir so wünschen, dass das alles wieder seine Wertschätzung erfahren würde. Auf der Bühne, mit Publikum, mit vollem Schwung, ohne Einschränkungen durch eine Pandemie. Es gibt ja ein ganzes Festjahr. Auch die Gesellschaften werden sich Mühe geben. Die große Ausstellung im Gürzenich wird bestimmt ein Highlight. Da können wir Karneval erklären und fühlbar machen.
…das Jubiläumsmotto:
„Das Motto gibt es natürlich schon. Aber jetzt ist nicht der richtige Moment dafür. Wir werden in den nächsten Wochen einen passenden Zeitpunkt finden, an dem wir es veröffentlichen.“