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Serie zu 200 Jahre Kölner KarnevalWie aus Held und Hanswurst das  Dreigestirn wurde

Lesezeit 6 Minuten
Abbildung von „Held Carneval“ Emilio Cianola aus dem Jahr 1823. Damals fand der erste Rosenmontagsumzug am Neumarkt statt, die Abbildung entstand im Jahr 1824

Abbildung von "Held Carneval" Emilio Cianola aus dem Jahr 1823. Damals fand der erste Rosenmontagsumzug am Neumarkt statt, die Abbildung entstand im Jahr 1824.

Der Kölner Karneval feiert Jubiläum, denn vor 200 Jahren wurde das „Festordnende Comité“ gegründet. Wir blicken zum Auftakt unserer Serie auf die Anfänge des Karnevals und die Entstehung des Dreigestirns zurück.

Beim Anblick der Jungfrau im Rosenmontagszug des Jahres 1823 am Neumarkt kennt die Begeisterung des Literaten Christian Samuel Schier kaum Grenzen. „Doch sieh! Was nahet dort, welch edles Bild“, beginnt der Poet seine unfassbare 192 Strophen umfassende Schwärmerei, bei der er sich nicht scheut, die zweite zentrale Figur des Kölner Karnevals mit römischen Heldenbildern zu vergleichen. „O sprich, mit welchem Namen sie dich heißen, damit ich dich mit Würde mögen preisen. Colonia Agrippina sei geprießen!

Nicht nur der Kölner Karneval hat im Jahre 1823 nach dem vorausgegangenen Verbot durch Franzosen und Preußen einen Neustart erlebt, der Rosenmontagszug wurde zur Geburtsstunde der Jungfrau als fester Bestandteil des Karnevals. Hauptfigur war jedoch König Karneval, später Held oder auch Fürst Karneval genannt. „Der Hauptgedanke des früheren Jahres (1823) ward festgehalten, der Held blieb Folie, die alte Herrlichkeit war wiedererlangt, sein alter Thron zwar neu, aber fest begründet“, heißt es im Vorspann der „Kölnischen Karnevalslieder von 1823 bis 1828„. Endlich war Karneval wieder möglich. Und erlaubt.

Held Carneval war anfangs sogar verzichtbar

Der Historiker Dr. Michael Euler-Schmidt, einst stellvertretender Direktor des Stadtmuseums, hat neben der Geschichte des Rosenmontagszugs auch die Entstehung des Dreigestirns ausführlich recherchiert und mehrere Bücher verfasst. „Alle Vereinigungen mussten einen Antrag stellen, um Umzüge abzuhalten, weil es gerade beim Karneval Sorge vor Aufständen gab. Das Festordnende Comité brauchte diese Genehmigung nicht, denn die Preußen saßen im Comité direkt mit am Tisch“, berichtet Euler-Schmidt. Das Fest befindet sich anfangs noch im Aufbau, König Karneval ist durchaus verzichtbar. Im Jahre 1825 hält er sich in Venedig auf, ein Jahr später erscheint er nur zum Ball im Gürzenich, „ab den Jahren 1827/28 ist es der Hanswurst, des Helden anderes Ich, der im Karneval Hauptfigur wird“, weiß Euler-Schmidt.

Das designierte Kölner Dreigestirn der Roten Funken samt Familien vor der Ulrepforte, dem Stammsitz der Roten Funken.

Das designierte Kölner Dreigestirn der Roten Funken samt Familien.

Die Rolle des Helden wird schon immer von den wohlhabenden Mitgliedern des Bürgertums übernommen, erster Held Karneval wird 1823 Emanuel Ciolina Zanoli, Produzent des Kölnisch Wassers. Neben der Jungfrau existierte anfangs noch die Figur der Venetia, die 1824 vom Bankierssohn Simon von Oppenheim dargestellt wurde. Ab 1825 zogen Held, Bauer und Jungfrau grundsätzlich gemeinsam im Rosenmontagszug mit.

Belebung des Dreigestirns 1993 durch Wicky Junggeburth

Eine Renaissance in doppelter Hinsicht hat das Dreigestirn im Jahr 1993 erlebt. Das Festkomitee hatte das Sessionsmotto „Sinfonie in Doll“ ausgerufen, den Zuschlag für das Trifolium hatte die Nippeser Bürgerwehr erhalten. Und Prinz wurde Wicky Junggeburth, der keine Lust verspürte, als farbloser Grußbotschafter durch die Säle zu tingeln und darauf zu warten, dass die Jecken lieber aufs Klo gehen, anstatt sich das Dreigestirn anzuschauen. „Es war völlig klar, dass wir dieses Motto im Dreigestirn musikalisch umsetzen müssten und wir eine Bühnendarstellung brauchten“, erinnert sich Junggeburth. Der Entschluss, das Dreigestirn in einen Aktionsmodus zu versetzen, sei jedoch „in erster Linie dem Motto geschuldet“ gewesen, so Junggeburth. In dieser Session wurde das Lied „Einmol Prinz zo sin“ zum Hit. Zugleiter Holger Kirsch wurde 2015 als Prinz mit der Mundharmonika bekannt, 2020 lernte Christian Krath (Reiterkorps Jan von Werth) eigens Saxophon für die Auftritte.

Erst seit 1993 erhält die Jungfrau einen Spiegel

Erstmals bekam 1993 die Jungfrau – damals durfte Artur Tybussek Zöpfe und Kleid tragen – bei der Proklamation den Spiegel überreicht. Der Prinz hatte schon immer Pritsche oder Belle in den Händen, der Bauer die Stadtschlüssel, die Jungfrau jedoch war bei der Proklamation stets charmante Zuschauerin. „Oberbürgermeister Norbert Burger wollte das ändern. Die Protokollchefin hatte dafür gesorgt, dass auf einem Trödelmarkt ein Handspiegel gesucht wurde“, weiß Marcus Gottschalk, Ex-Prinz und im Festkomitee verantwortlich für das Dreigestirn. Tybussek hatte den Spiegel genutzt, um im Gürzenich von der Bühne aus seine Kumpels im Saal zu blenden. „Wir waren als Dreigestirn sehr, volkstümlich. Von der Empore waren wir ein Stück heruntergestiegen“, meint Junggeburth.

Noch in den 1980er und 1990er Jahren durfte man sich sicher sein, dass Jubiläumsgesellschaften das Dreigestirn stellen, wenn sich drei Kandidaten fanden. Festkomitee-Präsident Markus Ritterbach sorgte mit seiner Amtsübernahme im Jahr 2005 für eine zunehmende Professionalisierung des Dreigestirns. „Er ist dafür eingetreten, dass die Besten ausgesucht werden und keine anderen Kriterien zählen“, sagt Gottschalk. In dieser Zeit steigerte sich auch das Medieninteresse am Dreigestirn, was nicht zuletzt an den sozialen Netzwerken und Onlineplattformen lag. Seitdem erhält das Dreigestirn Kameratraining mit Vertretern des WDR, der die Proklamation sowie die TV-Sitzung und den Rosenmontagszug überträgt. „Wichtig ist die konzeptionelle Vorbereitung, nicht allein der Lebenslauf. Es geht um die Fragen: Was ist der rote Faden? Welche sozialen Zwecke sollen unterstützt werden? Gibt es einen musikalischen Beitrag?“, skizziert Marcus Gottschalk die Auswahlkriterien. Auch im polizeilichen Führungszeugnis darf kein Eintrag verzeichnet sein.


Das Dreigestirn im Wandel der Zeit

1823 verkörperte der Kaufmann Emanuel Ciolina Zanoli die Figur von „Held Carneval“ im Rosenmontagszug, der rund um den Neumarkt zog.

Besondere Bedeutung für die Reformierung des Kölner Karnevals hatte Heinrich von Wittgenstein (Abbildung), Sohn des Kölner Bürgermeisters Johann Jakob von Wittgenstein. Er wurde 1823 erster Präsident des Festordnenden Comités, später war er auch Präsident des Zentralen Dombauvereins, Regierungspräsident und Vize der ersten Kammer des Landtags.

Hanswurst und Bellegeck vertraten Held Carneval in den Jahren ab 1827/28. Die Figur des Hanswurst wurde bereits im Jahr 1519 in einer Ausgabe des „Rostocker Narrenschiffes“ erwähnt, in Köln gilt der Kaufmann Johann Gohr als Erfinder des Hanswurst. Die Figur war die Personifikation des fleischlichen Lebens, deren Zeit Aschermittwoch endete. Auch der Bellegeck verkörperte in erster Linie das Volk, Handwerker und Kaufleute. „Ein Volksnarr, der den Helden vertrat“, stellen Michael Euler-Schmidt und Marcus Leifeld in ihrem Werk „Der Kölner Rosenmontagszug 1823 -1948“ fest.

Die Jungfrau ist von Beginn an eng mit der Figur des Bauern verbunden. Im Jahr 1875 gab es im Rosenmontagszug Bauer und Jungfrau als Gruppe, aber auch Prinz Carneval und Venetia. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde der Bauer zum Synonym für das städtische Aufgebot bei der Schlacht von Worringen (1288).

Ein Kinderdreigestirn gibt es in Köln seit 1965, die Idee hierzu hatte Hans Wallpott, damals Präsident der Bürgergarde „blau-gold“. Bis heute tragen die

Pagen und Gardistinnen des „kleinen Dreigestirns“ die Farben der Bürgergarde.

Seit 1928 gibt es einen Prinzenstammtisch, der dann 1953 in die „Traditionsgemeinschaft“ der Dreigestirne überging.

Das Dreigestirn trägt seit 1993 mit eigenen Darbietungen zum Sitzungsprogramm bei. Den Auftakt machte Wicky Junggeburth, der das Lied „Einmol Prinz zo sin“ sang, die Musik hatte Dieter Steudter (Die 3 Colonias) geschrieben. Im Jubiläumsjahr 2023 stellen die Roten Funken das Dreigestirn. Auch das Korps wird 200 Jahre alt.