Das mutmaßliche Täterpärchen folterte in Köln eine junge Frau auf unvorstellbar sadistische Weise. Nun steht der Verdacht im Raum, dass sie danach in Essen weiter foltern konnten.
Justizfehler?Folterer von Köln machten wohl in Essen weiter
Derzeit sitzen Christopher S. (30) und Sabine H. (33) bei einem Prozess am Landgericht Essen auf der Anklagebank. Für den 7. Dezember wird das Urteil erwartet. Sie sollen knapp drei Wochen lang einen Mitbewohner drangsaliert haben – der Mann habe sich nicht ohne Erlaubnis waschen, duschen und nicht die Wohnung verlassen dürfen. Außerdem sollen sie ihn regelmäßig verprügelt und ihm diverse Frakturen zugefügt haben, so die Vorwürfe in der Anklage. Wie sich jetzt herausstellt, war dies bereits der dritte Misshandlungsfall, an dem das Paar beteiligt gewesen sein soll.
Wie eine Sklavin behandelt
Fall Nummer eins ereignete sich im August 2020 in Köln. Im April 2020 sollen vier Beteiligte eine junge Frau (21) in einer Wohngemeinschaft fünf Tage lang wie eine Sklavin behandelt und brutal geschlagen haben – das Opfer starb später im Krankenhaus an multiplem Organversagen. Laut Anklage soll die Frau mit einer Hundeleine geschlagen worden sein, ihre Peiniger sollen sie an Haaren über den Boden gezogen und ihr schwere Verletzungen zugefügt haben. Bei Zuwiderhandlungen habe die junge Frau den Badezimmerboden ablecken müssen.
Der Gang zur Toilette, die Körperpflege – alles sei nur mit Zustimmung der Verdächtigen möglich gewesen. Die Staatsanwaltschaft hatte bereits im Dezember 2020 Anklage wegen „gemeinschaftlicher Körperverletzung mit Todesfolge“ erhoben. Für einen Haftbefehl reichten die Vorwürfe offenbar nicht. Das Opfer konnte laut Staatsanwaltschaft in der Klinik nicht mehr vernommen werden. „Insbesondere lag der für den Erlass eines Haftbefehls erforderliche dringende Tatverdacht nicht vor, da unklar war, wie die Verletzungen der Geschädigten zustande gekommen waren und wessen Verhalten dafür ursächlich war“, so Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer.
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In Essen weiter gefoltert?
Welche Rolle spielte das Paar beim zweiten Fall? Nachdem die Ermittlungen in Köln begonnen hatten, waren Christopher S. und Sabine H. nach Essen gezogen. Dort ereignete sich im Juli 2021 der nächste Todesfall, an dem das Paar beteiligt gewesen sein soll. Dieses Mal ermittelten die Behörden gegen insgesamt sechs Personen. Allerdings steht nur die Hauptangeklagte wegen Totschlags vor Gericht, denn sie soll mit einem Messer auf das Opfer eingestochen haben. Die übrigen Angeklagten – darunter das Paar aus dem Kölner Fall – müssen sich wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. „Das Muster ist klar erkennbar.
Sie haben sich stets Opfertypen mit zum Teil geistiger Beeinträchtigung als Opfer gesucht“, sagt ein Verfahrensbeteiligter der Rundschau. Alle Angeklagten sollen mehrfach auf das Opfer eingeprügelt haben. Nach einer weiteren Attacke hatten die Verdächtigen laut Anklage vor der Haustür gewartet, die Hauptangeklagte sei noch einmal in die Wohnung zurückgekehrt und habe dem bereits verletzten Mann ein Messer in den Oberkörper gerammt. Die Leiche war erst Wochen später entdeckt worden, weil Hausbewohner wegen des Leichengeruchs aus der Wohnung die Polizei alarmiert hatten. Sowohl das Opfer als auch die Verdächtigen gehören nach Angaben der Ermittlungsbehörden dem Drogenmilieu an.
Versagte die Justiz?
Welche Rolle spielt die Überlastung der Gerichte? Die Taten in Essen hätten sich wohl nur verhindern lassen, wenn die beiden an allen drei Fällen beteiligten Verdächtigen früher vor Gericht gelandet wären. Zwischen Tatvorwurf und Prozessbeginn lag in Fall zwei exakt ein Jahr. Verhandelt wird am Landgericht in Essen. In Köln ist der erste Fall auch mehr als zwei Jahre nach der Tat nicht terminiert worden. Das Landgericht will nun aufs Tempo drücken. „Wir beraten gerade im Rahmen der Jahresgeschäftsverteilung, wie wir dafür sorgen können, dass das Verfahren schnellstmöglich gefördert wird und der Fall verhandelt werden kann“, sagt Landgerichtssprecher Dr. Jan Orth.
Die Strafkammern am Kölner Landgericht sind seit Jahren notorisch überlastet. Dadurch werden Fälle priorisiert, in denen Angeklagte in Untersuchungshaft sitzen. Doch hierfür reichten bei Christopher S. und Sabine H. die Vorwürfe nicht. Warum wusste das Gericht nichts von weiteren Fällen? Die Fälle spielen in zwei unterschiedlichen Gerichtsbezirken. Während in Essen die Kölner Anklage angefordert wurde, hat sich in Köln lange niemand für die Essener Fälle interessiert. „Es gibt in unserer Akte keinen konkreten Hinweis auf einen vergleichbaren Sachverhalt in einer anderen Stadt. Diese Hinweise könnte es in deutlicher Form geben, warum das nicht passiert ist, kann ich nicht sagen“, so Gerichtssprecher Orth. Am Ende bleibt die ungute Erkenntnis, dass der Fall am Kölner Gericht sehr lange liegen geblieben ist.