Seit Oktober leitet Professor Dr. Joybrato Mukherjee die Universität zu Köln, Montagabend ist festliche Amtsübergabe. Ein Interview.
Neuer Uni-Rektor Joybrato Mukherjee„Köln ist die weltoffenste Metropole Deutschlands“

Joybrato Mukherjee wird am Montag in sein Amt als Rektor der Uni Köln eingeführt.
Copyright: Nabil Hanano
Herr Professor Mukherjee, Sie stammen aus dem Rheinland und kehren nach vielen Jahren in Hessen zurück. Denken Sie: „Endlich wieder Karneval“?
Den gibt’s in Hessen zwar auch, aber das ist hier natürlich doch etwas ganz anderes. Ich muss nun sehen, wie ich an meine jugendlichen Erfahrungen mit dem Karneval wieder anknüpfe. Soweit ich mich erinnere, war ich sogar im Kindergarten der erste nicht „biodeutsche“ Karnevalsprinz. Es gibt also eine karnevalistische Vorprägung.
Womit kann die Kölner Uni punkten?
Alles zum Thema Universität zu Köln
- Berühmter Kölner Sammler Themenjahr „Wallraf200“ endet mit einem Festakt
- Anwohner verärgert Universität zu Köln gehören „Geisterhäuser“ – Wohnungsaufsicht prüft Leerstand
- Albertus-Magnus-Platz in Köln So schön soll der Platz vor Kölns Uni bald aussehen
- „Furchtbar“ Scharfe Kritik an Scholz’ Statement zu Trump – US-Präsident bleibt weiter auf Putin-Kurs
- 6. März 1945 Das Kriegsende im linksrheinischen Köln jährt sich zum 80. Mal
- Eskalation im Weißen Haus Trump attackiert und droht Selenskyj – Treffen abgebrochen
- Experte zu Trumps Ukraine-Plan Überlassen die USA Putin Europa?
Sie ist eine sehr forschungsstarke Uni und hochattraktiv für die Studierenden. Als Gründeruniversität stehen wir deutschlandweit exzellent da. Wir beklagen ja häufig, dass wir in Deutschland eine zu gering ausgeprägte Entrepreneurship-Mentalität haben. Ich war gerade im August in Boston, und wenn man dort sieht, wie die Interaktion zwischen Wirtschaft und Wissenschaft läuft, wie sehr man dort auf das Unternehmertum schon in Studientagen setzt, können wir uns in Deutschland sicherlich einige Scheiben abschneiden. Aber hier in Köln läuft all dies bereits sehr gut im InnoDom Cologne. Das ist wirklich eine große Stärke der Universität, die es auch weiter auszubauen gilt.
Gefällt Ihnen die Kölner Uni rein optisch?
Obwohl sie so groß ist, ist der Campus im Vergleich zu anderen Unis doch kompakt. Es ist fast alles hier in Lindenthal beisammen - bis auf ein paar Streulagen. Und dann noch die Uni-Klinik direkt dabei, das ist ein großer Wert. Natürlich hat sie wie fast jede Hochschule Deutschlands einen erheblichen Neubau- und Sanierungsbedarf.
Die Uni Köln hat auch Bauherrenstatus.
Das ist außergewöhnlich, das haben in NRW nur zwei Hochschulen. Dies ist eine Riesenchance, aber auch eine große Verantwortung. Hier muss stark im Bestand saniert werden, denn der Campus liegt mitten in der Stadt und es gibt wenige Entwicklungsflächen. Die Sanierung im Bestand ist aus klimapolitischer Sicht auch sinnvoll. Aber es ist natürlich immer eine Operation am offenen Herzen, wenn man im laufenden Betrieb einer so großen Universität große Bautätigkeiten hat.
Wo steht die Uni beim Bemühen, wieder den Exzellenzstatus zu erlangen, den sie ja im Jahr 2019 verloren hat?
Das ist ein längeres Verfahren. Am 1. Februar 2024 bekommen wir die Entscheidung, welche der neuen Exzellenzclusterskizzen zu einem Vollantrag aufgefordert werden. Diejenigen sowie die vier, die wir jetzt bereits haben, werden im August 2024 einen Antrag als Exzellenzcluster stellen. Wir wissen im Frühjahr 2025, welche Cluster gefördert werden. Wenn wir dann mehr als zwei Cluster haben, dürfen wir Ende 2025 den Antrag auf Exzellenzuniversität wieder stellen. Wir bereiten das jetzt schon ausführlich vor. Es ist nur inzwischen ein sehr schwieriges Unterfangen, weil mit der letzten Runde 2018/19 die Spielregeln fundamental verändert worden sind.
Was hat sich geändert?
Vorher war es immer so, dass die Exzellenz-Uni-Förderung zeitlich begrenzt war. Wenn der Förderzeitraum abgeschlossen war, wurde alles wieder auf Null gesetzt und jeder konnte neue Anträge stellen. Seit der letzten Entscheidung ist es so, dass bei denen, die jetzt Exzellenzuniversität sind, die Förderung grundsätzlich erst einmal auf Dauer angelegt ist. Sie haben ihre Plätze also sicher, es sei denn, sie werden negativ evaluiert oder sie verlieren fast alle ihre Cluster. Es gibt demnach eigentlich nur bis zu vier neue Plätze für alle Universitäten in Deutschland, die noch - oder wieder - den Status einer Exzellenzuniversität anstreben. Das ist also sehr umkämpft und es gibt sehr starke Mitbewerber. Viele sehr gute Universitäten haben sich auch zu Verbünden zusammengeschlossen.
Käme ein solcher Verbund hier auch infrage?
Wir haben sehr erfolgreiche Verbünde in der Region bei den Exzelenzclustern. Beim Thema Exzellenzuniversität ist dies schwieriger. Die Universitäten Bonn und Aachen sind ja bereits Exzellenzuniversitäten, Köln war es sieben Jahre lang. Aus meiner Erfahrung mit Verbünden weiß ich, dass so etwas langfristig vorbereitet sein muss. Das braucht neben der gemeinsamen Leistungsbilanz auch gemeinsame Institutionen, gemeinsame Government-Strukturen, damit ein Verbundantrag überzeugend ist.
Die Universität zu Köln ist sehr gut vernetzt, um Spitzenforschung zu betreiben und um erfolgreich Drittmittel einzuwerben.
Wie ist denn sonst die universitäre Vernetzung in der Region? Die Universität zu Köln ist sehr gut vernetzt, um Spitzenforschung zu betreiben und um erfolgreich Drittmittel einzuwerben. Eine große Stärke ist, dass wir dabei in der „ABCD-J-Region“ gemeinsam mit den Universitäten in Aachen, Bonn und Düsseldorf sowie dem Forschungszentrum Jülich und den weiteren außeruniversitären Forschungseinrichtungen in ein hervorragendes regionales Netzwerk eingebunden sind. Die weitere Stärkung dieses regionalen Netzwerks steht natürlich ganz oben auf meiner Agenda; dabei wird auch in Zukunft unsere unmittelbare Nachbaruniversität in Bonn eine besondere Rolle spielen.
Dort haben Sie promoviert, nachdem Sie Anglistik und Biologie auf Lehramt studiert haben.
Das stimmt. Ich bin vollausgebildeter Gymnasiallehrer. Das war mein Traumberuf. Ich habe das erste und zweite Staatsexamen und war nach dem Referendariat auch noch eine Zeit nebenberuflich an der Schule. Ich habe die Jahre an der Schule sehr genossen. Mir haben auch die Lehrproben Spaß gemacht. In die Wissenschaft bin ich eher zufällig gekommen: Bei meinem Doktorvater war die Assistentenstelle freigeworden, und so bin ich dann in die Wissenschaft gegangen.
Ich bin voll ausgebildeter Gymnasiallehrer. Das war mein Traumberuf.
Gut 30 Prozent der Kölner Studierenden studieren auf Lehramt. Dennoch gibt es den eklatanten Lehrkräftemangel an den Schulen. Wie beurteilen Sie das?
Wenn man es aus einem bestimmten Blickwinkel sieht, sind die Lehramtsstudiengänge unsere wichtigsten Studiengänge. Weil wir mit ihnen diejenigen bilden, die über die nächsten Generationen die Schülerinnen und Schüler unterrichten und somit auch unsere zukünftigen Studierenden. Und insofern sind die 27 Prozent, die an der Uni Köln Lehramt studieren, enorm wichtig für uns. Wir haben sicherlich eine Verantwortung, uns Gedanken darüber zu machen, wie wir einen Beitrag dazu leisten können, dass sie es auch in den regulären Schuldienst schaffen. Denn derzeit kommen von den 55.000 bis 60.000 Studierenden, die pro Jahr ein Lehramtsstudium in der Bundesrepublik beginnen, weniger als 30.000 auf einer Planstelle an. Das Problem ist nicht, dass zu wenige anfangen mit dem Studium. Aber warum geht uns die Hälfte auf dem Weg zur Schule verloren? Das ist ein Thema, bei dem wir mit unserer ganzen Kompetenz als eine der größten Lehramtsuniversitäten in Deutschland unsere Expertise in den Meinungsbildungsprozess einbringen müssen. Es gibt aber sicherlich auch Punkte, die wir gar nicht beeinflussen können.

Joybrato Mukherjee, Rektor der Uni Köln
Copyright: Nabil Hanano
Was beispielsweise?
Wenn Grundschullehrkräfte nicht automatisch mit A13 als Gehalt beginnen, dann führt das dazu, dass der Beruf weniger attraktiv ist. Oder wenn das Studium in vielen Bundesländern verkürzt ist, weniger als acht Semester dauert und man dann Schwierigkeiten hat, sich zu promovieren. Oder: Die Promotion löst keine Verbesserung in der Besoldung aus. Das sind dann berufliche Sackgassen für die Betroffenen. Sicherlich ist auch die Heterogenität der Schülerinnen und Schüler ein Faktor. Das ist deutlich anspruchsvoller als vor 30 Jahren. Auch darüber muss man sprechen und überlegen, wie Universitäten die Lehrkräfte so bilden können, dass sie mit dieser Situation gut und kompetent zurechtkommen.
Die Studierendenzahlen sind zurückgegangen. Wie beurteilen Sie das?
Wir haben aktuell rund 45.000 Studierende, vor drei oder vier Jahren hatten wir rund 52.000. Ich finde es gut, wenn wir langfristig ein bisschen von dieser ehemals sehr hohen Zahl runterkommen. Denn da steckt auch eine große Chance, die Betreuungsrelation zu verbessern; und die ist in NRW seit langem nicht günstig.

Joybrato Mukherjee, Rektor der Uni Köln
Copyright: Nabil Hanano
Wie sieht es mit Fachkräftemangel an der Uni aus?
Das gibt es inzwischen überall in allen Bereichen. Das ist in Köln nicht anders als an meiner bisherigen Wirkungsstätte. Und ich meine damit nicht nur die Spitzenwissenschaftler, die wir nach hier holen wollen, sondern alle Bereiche, auch die Verwaltung oder den Baubereich.
Sie sind Präsident des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, DAAD, und haben ein dementsprechend weites internationales Netzwerk. In Köln haben Sie im Rektorat den Bereich Internationalisierung übernommen. Bedeutet das, dass die Kölner Uni unter Ihrer Leitung noch internationaler wird?
Meine Hoffnung ist natürlich, so wie ich das auch in Gießen gehandhabt habe, dass aus dieser besonderen internationalen Perspektive, die mir dieses Ehrenamt bringt, auch etwas Gutes für die Universität Köln erwachsen kann. Köln ist eine international sehr erfolgreiche Universität, sehr gut vernetzt. Auch die Kennziffern bei den Mobilitätsprogrammen und im Bereich des akademischen Austausches sind sehr gut. Wir koordinieren eine der neuen Europäischen Hochschulallianzen, die Frau Busse als Prorektorin verantwortet. Wir stehen also sehr gut da. Aber man kann sicher darüber nachdenken, das auszuweiten.
Welche Rolle spielt dabei der Charakter der Stadt?
Wir reden hier über die viertgrößte Stadt der Bundesrepublik. Köln ist die weltoffenste Metropole Deutschlands, und darauf sind wir auch stolz. Es ist eine besonders tolerante Stadt, eine, die weit über Deutschland hinaus als die Hauptstadt für Menschen gilt, die sich nicht binär zuordnen. Köln hat eine besonders diverse Population. Eigentlich spricht alles dafür, dass Köln sich aufmacht, zu einer der international sichtbarsten Wissenschaftsmetropolen in Deutschland zu werden. Hier habe ich schon den Anspruch, dass manche der Perspektiven, die ich auch aus meiner DAAD-Rolle einbringen kann, einen Beitrag leisten können.
Eigentlich spricht alles dafür, dass Köln sich aufmacht, zu einer der international sichtbarsten Wissenschaftsmetropolen in Deutschland zu werden. Hier habe ich schon den Anspruch, dass manche der Perspektiven, die ich auch aus meiner DAAD-Rolle einbringen kann, einen Beitrag leisten können.
Wenn man eine internationale Universität sein will, muss man dann nicht mehr auf Englisch unterrichten?
Damit haben Sie im Grundsatz recht. In vielen Studiengängen ist das schon so. Es gibt Masterstudiengänge in englischer Sprache, und es gibt in vielen anderen Studiengängen englischsprachige Veranstaltungen. Aber wir haben in NRW und Deutschland einige Rahmenbedingungen, an die wir gebunden sind. Auch wenn die Universität jetzt systemakkreditiert ist und damit mehr Selbstbestimmung hat, sind uns doch Grenzen, etwa beim Anteil internationaler Studierender, gesetzt. Dennoch: Grundsätzlich sollten wir in jedem Studiengang idealerweise englischsprachige Veranstaltungen haben, und wir sollten auch darüber nachdenken, den einen oder anderen Studiengang ganz oder zusätzlich vollständig in englischer Sprache anzubieten. Wir werden natürlich nie eine English-Only-University werden. Und wir sollten hier und da im übrigen auch Angebote in anderen Sprachen aufbauen: Internationalisierung heißt nicht Anglisierung.
Vor kurzem hat der Asta zu einer Demo für mehr Demokratie an der Uni aufgerufen. Werden die Studierenden politisch aktiver?
Jede Generation hat ihren eigenen politischen Fokus. Ich habe es nie so empfunden, dass die Studierenden apolitischer geworden wären. Ich glaube nicht, dass die Studierenden erst seit der Klimakrise und den geopolitischen Turbulenzen wieder politischer werden. Aber das, was in der Gesellschaft als Ganzes im Fokus steht, hat immer Einfluss auf das, was die jüngeren Menschen beschäftigt. Wir leben jetzt natürlich in einer gesellschaftlich sehr politisierten und zugespitzten Zeit. In einer Zeit, in der auch viele ältere Menschen offenbar neues Gefallen finden am Autoritären, siehe manch aktuelles Wahlergebnis. Grundsätzlich gilt: Die Studierenden sollen und müssen politisch aktiv sein, denn es geht um ihre Zukunft - und die sollten sie selbst in die Hand nehmen.
Der Albertus-Magnus wurde am Erstsemester-Tag von Klimaaktivisten besprüht.
Die Reaktionen derjenigen, die auf dem Albertus-Magnus-Platz waren, sprechen ja für sich. Das hat keine Begeisterung hervorgerufen. Ich kann denjenigen, die sich zu Recht Sorgen machen, wie ein Überleben der Menschheit auf diesem Planeten über die nächsten Jahrzehnte gesichert werden kann, nur raten, dass sie darüber nachdenken, wie sie bei der Vertretung ihrer Position mehr Unterstützung durch die Bevölkerung oder die Beschäftigten und Studierenden bekommen. Wir leben in einer Demokratie: Man wird durch Mehrheiten legitimiert.
Ihr Vorgänger Rektor Professor Axel Freimuth hat 18 Jahre lang die Uni mit seiner Handschrift geführt. Werden Sie rein optisch viel ändern im Rektorat?
Nein, ich mag den Raum sehr mit dem Parkettboden und den Einbauschränken. Einige Möbelstücke werden sicherlich zu erneuern sein, so ist mir zum Beispiel ein höhenverstellbarer Schreibtisch wichtig.
Zur Person
Joybrato Mukherjee (50), wurde als Sohn indischer Einwanderer in Düren geboren. Er schloss 1997 sein Studium der Anglistik, Biologie und Erziehungswissenschaft an der RWTH Aachen ab und ist vollausbildeter Lehrer für die Sekundarstufen I und II.
2000 wurde er an der Universität Bonn promoviert, 2003 erfolgte dort die Habilitation im Fach Englische Philologie. Seit 2009 war er Präsident der Justus-Liebig-Universität Gießen. Seit 2020 ist Mukherjee ehrenamtlicher Präsident des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Das Amt als Rektor der Universität Köln trat er zum 1. Oktober 2023 an.